Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Der Römerstaat ^ Religion (Fortsetzung) le erste der beiden Haupteigenheiten der römischen Religion, ihr Der Römerstaat ^ Religion (Fortsetzung) le erste der beiden Haupteigenheiten der römischen Religion, ihr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230683"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341869_230431/figures/grenzboten_341869_230431_230683_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Römerstaat<lb/> ^ Religion (Fortsetzung) </head><lb/> <p xml:id="ID_808" next="#ID_809"> le erste der beiden Haupteigenheiten der römischen Religion, ihr<lb/> Rationalismus, ermöglichte oder begünstigte wenigstens die zweite,<lb/> daß sie ganz politisch war. Indem die Religion weiter nichts<lb/> war als die Auffassung des Natur- und Menschenlebens von<lb/> seiner göttlichen Seite her, die Betrachtung der Veränderungen<lb/> und Wirkungen abgesehen von ihrem menschlichen Träger und Vermittler,<lb/> mußte diese Religion das gesamte Leben ohne Rest umfassen und durchdringen;<lb/> sie war keine Sonntagsreligion, keine Angelegenheit müßiger Beschauung in<lb/> Ruhestunden oder an Ruhetagen. Und das Leben des Römers war durchaus<lb/> politisch. Nur darf man bei dem Worte politisch nicht an unsre heutige<lb/> Politik denken. Wie die heutige Religion nur für die Theologen Lebensinhalt,<lb/> für die übrigen Menschen eine Feiertagsangelegenheit und für die, die keine<lb/> Kirche mehr besuchen, gar nicht mehr oder nur als Gegenstand unfruchtbarer<lb/> Spekulationen und noch unfruchtbarem Zankes vorhanden ist, so ist heute auch<lb/> die Politik eine Angelegenheit für die Männer vom Fach, für die übrigen nur<lb/> als Zeitvertreib beim Zeitungslesen und auf der Bierbank vorhanden und sonst<lb/> nur, soweit ein Standesinteresse in Frage kommt, durch dessen Vertretung man<lb/> sich gewöhnlich mit dem Gesamtinteresse in Widerspruch setzt, sodaß diese<lb/> Art von Politik vielmehr AntiPolitik heißen müßte. Die antike Polis, und<lb/> das gilt ganz besonders von der römischen, war die Gesamtheit der Hausväter<lb/> eines kleinen umgrenzten Bezirks, eine große Familie, wie sie denn anch aus<lb/> der erweiterten Familie, der g'sus herausgewachsen war, indem sich die ur¬<lb/> sprüngliche Akns in mehrere sssntss verzweigte. Jedes Haus war ein Heiligtum,<lb/> das Vesta, die Göttin der Herdflamme, behütete, mit all den übrigen Göttern,<lb/> die man anrief, deren tägliche nud immerwährende Hilfe man zu jeder Ver¬<lb/> richtung brauchte, die alle bösen Dämonen von der Schwelle abwehrten; hier<lb/> walteten der Hausvater als Priester und die Mutter als Priesterin. Wie das<lb/> Hans durch seine Gründung, so wurde der Stadtbezirk ein heiliger, geweihter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
[Abbildung]
Der Römerstaat
^ Religion (Fortsetzung)
le erste der beiden Haupteigenheiten der römischen Religion, ihr
Rationalismus, ermöglichte oder begünstigte wenigstens die zweite,
daß sie ganz politisch war. Indem die Religion weiter nichts
war als die Auffassung des Natur- und Menschenlebens von
seiner göttlichen Seite her, die Betrachtung der Veränderungen
und Wirkungen abgesehen von ihrem menschlichen Träger und Vermittler,
mußte diese Religion das gesamte Leben ohne Rest umfassen und durchdringen;
sie war keine Sonntagsreligion, keine Angelegenheit müßiger Beschauung in
Ruhestunden oder an Ruhetagen. Und das Leben des Römers war durchaus
politisch. Nur darf man bei dem Worte politisch nicht an unsre heutige
Politik denken. Wie die heutige Religion nur für die Theologen Lebensinhalt,
für die übrigen Menschen eine Feiertagsangelegenheit und für die, die keine
Kirche mehr besuchen, gar nicht mehr oder nur als Gegenstand unfruchtbarer
Spekulationen und noch unfruchtbarem Zankes vorhanden ist, so ist heute auch
die Politik eine Angelegenheit für die Männer vom Fach, für die übrigen nur
als Zeitvertreib beim Zeitungslesen und auf der Bierbank vorhanden und sonst
nur, soweit ein Standesinteresse in Frage kommt, durch dessen Vertretung man
sich gewöhnlich mit dem Gesamtinteresse in Widerspruch setzt, sodaß diese
Art von Politik vielmehr AntiPolitik heißen müßte. Die antike Polis, und
das gilt ganz besonders von der römischen, war die Gesamtheit der Hausväter
eines kleinen umgrenzten Bezirks, eine große Familie, wie sie denn anch aus
der erweiterten Familie, der g'sus herausgewachsen war, indem sich die ur¬
sprüngliche Akns in mehrere sssntss verzweigte. Jedes Haus war ein Heiligtum,
das Vesta, die Göttin der Herdflamme, behütete, mit all den übrigen Göttern,
die man anrief, deren tägliche nud immerwährende Hilfe man zu jeder Ver¬
richtung brauchte, die alle bösen Dämonen von der Schwelle abwehrten; hier
walteten der Hausvater als Priester und die Mutter als Priesterin. Wie das
Hans durch seine Gründung, so wurde der Stadtbezirk ein heiliger, geweihter
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