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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Andreas Gppermcmn
Adolf Stern Lrinnerunzsblätter von
(Schluß)

le beiden Sommer und Winter, die ich mit Andreas Oppermmm
gemeinsam in Zitten verlebte, stehn mit allen Einzelheiten, mit der
überschäumenden Lust und dem leidenschaftlichen Eifer, uns gegen¬
seitig zu fördern, lebendig in meiner Erinnerung. Und nicht nur in
meiner. Der Zufall hatte es gefügt, daß sich ein paar interessante
Menschen, die gerade nicht zur kleinstädtischen Bevölkerung zählten,
nnserm engern Kreis anschlössen, daß auch diese Gesellschaft abwechslungshalber
auf deu phantasiereichen Zug, den wir den gewohnten Vergnügungen zu geben
suchten, wobei Freund Andreas uns andern immer dreimal voraus war, eine Zeit
lang mit einging. Gar manche sehr würdige Herren und stattliche Damen ge¬
dachten noch Jahrzehnte nachher der Periode, wo wir die "Luftiger von Zitten"
agierten, mit umso behaglicheren Wohlgefallen, als ja Freund Andreas als klassischer
Zeuge so bunt bewegter Tage unter ihnen wohnen blieb. Über den Rahmen klein¬
städtischer Geselligkeit ließ sich nur bei ein paar besondern Anlässen hinnusgehn,
z. B. bei der großen Schillerfeier des Jahres 1359, wo wir in der That mit
unsern Veranstaltungen in Wettbewerb mit großen Städten treten konnten, und wo
sich Oppermann, nachdem er nenn erlesene Schönheiten der Stadt als die nenn
Musen geworben hatte, von Moritz Horn ein Festspiel schreiben ließ, in dem er
selbst als Apoll auftrat, oder bei einer Aufführung von "Zopf und Schwert," die
für irgend einen wohlthätigen Zweck unternommen wurde. Aber innerhalb des
gegebnen Nahmens, welche Flut von lustigen Einfällen, die fast alle aus Opper-
manns Phantasie hervorgingen, belebte und erfrischte die Ausflüge in die Wald¬
berge bei Zitten und über die nahe böhmische Grenze, die kleinen Haushalte, bei
denen er sich die Mühe nicht verdrießen ließ, eine Menuett oder Sarabande ein-
znstndieren, nur uni die Langeweile der abgetanzten Rundtänze etwas zu unter¬
brechen, die vergnügten Picknicks ans dem Töpfer und andern Höhen, ans denen
damals noch keine Kneipen standen, die tollen Schlittenfahrten nach Gabel und
Böhmisch-Zwickau, uach Friedland und Liebwerdci. Er, als Löwe dieser klein¬
städtischen Gesellschaft, immer mitten drin, immer bei der Sache, übersprudelnd
von guter Lanne und doch innerlich ein ganz andrer als der, über den sich die
wohlbeleibten Kauf- und Fabrikherren der reichen Handelsstadt vor Lachen aus¬
schütten wollten, und mit dem die jungen Mädchen schön thaten! Sie kümmerten
sich weder um die ernsten Studien und Bildungsbestrebungen ihres Lieblings, noch
würden sie an die Stunden voll innerer Selbstprüfung, voll harter Kämpfe, voll




Andreas Gppermcmn
Adolf Stern Lrinnerunzsblätter von
(Schluß)

le beiden Sommer und Winter, die ich mit Andreas Oppermmm
gemeinsam in Zitten verlebte, stehn mit allen Einzelheiten, mit der
überschäumenden Lust und dem leidenschaftlichen Eifer, uns gegen¬
seitig zu fördern, lebendig in meiner Erinnerung. Und nicht nur in
meiner. Der Zufall hatte es gefügt, daß sich ein paar interessante
Menschen, die gerade nicht zur kleinstädtischen Bevölkerung zählten,
nnserm engern Kreis anschlössen, daß auch diese Gesellschaft abwechslungshalber
auf deu phantasiereichen Zug, den wir den gewohnten Vergnügungen zu geben
suchten, wobei Freund Andreas uns andern immer dreimal voraus war, eine Zeit
lang mit einging. Gar manche sehr würdige Herren und stattliche Damen ge¬
dachten noch Jahrzehnte nachher der Periode, wo wir die „Luftiger von Zitten"
agierten, mit umso behaglicheren Wohlgefallen, als ja Freund Andreas als klassischer
Zeuge so bunt bewegter Tage unter ihnen wohnen blieb. Über den Rahmen klein¬
städtischer Geselligkeit ließ sich nur bei ein paar besondern Anlässen hinnusgehn,
z. B. bei der großen Schillerfeier des Jahres 1359, wo wir in der That mit
unsern Veranstaltungen in Wettbewerb mit großen Städten treten konnten, und wo
sich Oppermann, nachdem er nenn erlesene Schönheiten der Stadt als die nenn
Musen geworben hatte, von Moritz Horn ein Festspiel schreiben ließ, in dem er
selbst als Apoll auftrat, oder bei einer Aufführung von „Zopf und Schwert," die
für irgend einen wohlthätigen Zweck unternommen wurde. Aber innerhalb des
gegebnen Nahmens, welche Flut von lustigen Einfällen, die fast alle aus Opper-
manns Phantasie hervorgingen, belebte und erfrischte die Ausflüge in die Wald¬
berge bei Zitten und über die nahe böhmische Grenze, die kleinen Haushalte, bei
denen er sich die Mühe nicht verdrießen ließ, eine Menuett oder Sarabande ein-
znstndieren, nur uni die Langeweile der abgetanzten Rundtänze etwas zu unter¬
brechen, die vergnügten Picknicks ans dem Töpfer und andern Höhen, ans denen
damals noch keine Kneipen standen, die tollen Schlittenfahrten nach Gabel und
Böhmisch-Zwickau, uach Friedland und Liebwerdci. Er, als Löwe dieser klein¬
städtischen Gesellschaft, immer mitten drin, immer bei der Sache, übersprudelnd
von guter Lanne und doch innerlich ein ganz andrer als der, über den sich die
wohlbeleibten Kauf- und Fabrikherren der reichen Handelsstadt vor Lachen aus¬
schütten wollten, und mit dem die jungen Mädchen schön thaten! Sie kümmerten
sich weder um die ernsten Studien und Bildungsbestrebungen ihres Lieblings, noch
würden sie an die Stunden voll innerer Selbstprüfung, voll harter Kämpfe, voll


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[0718] [Abbildung] Andreas Gppermcmn Adolf Stern Lrinnerunzsblätter von (Schluß) le beiden Sommer und Winter, die ich mit Andreas Oppermmm gemeinsam in Zitten verlebte, stehn mit allen Einzelheiten, mit der überschäumenden Lust und dem leidenschaftlichen Eifer, uns gegen¬ seitig zu fördern, lebendig in meiner Erinnerung. Und nicht nur in meiner. Der Zufall hatte es gefügt, daß sich ein paar interessante Menschen, die gerade nicht zur kleinstädtischen Bevölkerung zählten, nnserm engern Kreis anschlössen, daß auch diese Gesellschaft abwechslungshalber auf deu phantasiereichen Zug, den wir den gewohnten Vergnügungen zu geben suchten, wobei Freund Andreas uns andern immer dreimal voraus war, eine Zeit lang mit einging. Gar manche sehr würdige Herren und stattliche Damen ge¬ dachten noch Jahrzehnte nachher der Periode, wo wir die „Luftiger von Zitten" agierten, mit umso behaglicheren Wohlgefallen, als ja Freund Andreas als klassischer Zeuge so bunt bewegter Tage unter ihnen wohnen blieb. Über den Rahmen klein¬ städtischer Geselligkeit ließ sich nur bei ein paar besondern Anlässen hinnusgehn, z. B. bei der großen Schillerfeier des Jahres 1359, wo wir in der That mit unsern Veranstaltungen in Wettbewerb mit großen Städten treten konnten, und wo sich Oppermann, nachdem er nenn erlesene Schönheiten der Stadt als die nenn Musen geworben hatte, von Moritz Horn ein Festspiel schreiben ließ, in dem er selbst als Apoll auftrat, oder bei einer Aufführung von „Zopf und Schwert," die für irgend einen wohlthätigen Zweck unternommen wurde. Aber innerhalb des gegebnen Nahmens, welche Flut von lustigen Einfällen, die fast alle aus Opper- manns Phantasie hervorgingen, belebte und erfrischte die Ausflüge in die Wald¬ berge bei Zitten und über die nahe böhmische Grenze, die kleinen Haushalte, bei denen er sich die Mühe nicht verdrießen ließ, eine Menuett oder Sarabande ein- znstndieren, nur uni die Langeweile der abgetanzten Rundtänze etwas zu unter¬ brechen, die vergnügten Picknicks ans dem Töpfer und andern Höhen, ans denen damals noch keine Kneipen standen, die tollen Schlittenfahrten nach Gabel und Böhmisch-Zwickau, uach Friedland und Liebwerdci. Er, als Löwe dieser klein¬ städtischen Gesellschaft, immer mitten drin, immer bei der Sache, übersprudelnd von guter Lanne und doch innerlich ein ganz andrer als der, über den sich die wohlbeleibten Kauf- und Fabrikherren der reichen Handelsstadt vor Lachen aus¬ schütten wollten, und mit dem die jungen Mädchen schön thaten! Sie kümmerten sich weder um die ernsten Studien und Bildungsbestrebungen ihres Lieblings, noch würden sie an die Stunden voll innerer Selbstprüfung, voll harter Kämpfe, voll

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/718>, abgerufen am 03.07.2024.