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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Branchen wir Handelshochschulen?

sinnigen Bezeichnungen auf deutschem Boden muß mit Recht den Anschein
erwecken, daß das Deutschtum der Reichslande doch auf schwachen Füßen steht.
Die Franzosen hätten längst deutsche Inschriften auf den Denkmälern zu Ehren
elsässischer Maler, Dichter und Krieger beseitigt und durch französische ersetzt,
wenn es umgekehrt läge, aber unser milder Sinn verbietet natürlich solche
Barbarei, und der Kolmarer Bürger schließt daraus, daß er eben ein Franzose
sei, leider mit deutschem Namen. Thatsächlich wird ja schon von der elsäs-
sischen Nationalität gesprochen. Freilich ist das "Lippische" Volk mit seiner
Handvoll westfälischer Bauern das würdige Gegenstück dazu.

(Schluß folgt)




Brauchen wir Handelshochschulen?
Karl Fischer von

er Plan, Handelshochschulen zu gründen, hat von beachteter Seite
die Entgegnung gefunden, daß die kaufmännischen Kreise davon
überrascht seien und eine zwingende Notwendigkeit derartiger In¬
stitute nicht zu erkennen vermöchten. Es sei besser, wenn die
Ausbildung unsrer jungen Kaufleute dadurch erweitert werde, daß
sie mehr über See gingen und sich damit einen weitern, praktischen Blick an¬
eigneten.

Dieser Bemerkung muß nach einer Seite zugestimmt werden. Denn den
kaufmännischen Beruf gut auszuüben erfordert vor allen Dingen persönliche
Erfahrung. Die absolut notwendigen Vorkenntnisse gehen thatsächlich nicht
über die elementare Schulbildung, Lesen, Schreiben, Rechnen, hinaus. Es
kommt jedoch dann sofort als wünschenswert hinzu die Beherrschung möglichst
vieler fremden Sprachen. Daß ein vollkommen abgeschlossenes Wissen hierin
aber nur durch einen Aufenthalt in den betreffenden Ländern erworben werden
kann, liegt auf der Hand. Um eine Sprache zu beherrschen, dazu gehört nicht
nur die Kenntnis des Wortschatzes, sondern auch ein gründliches Studium der
Gewohnheiten, der Sitten, des Charakters der fremden Nation. Wie gesagt
wird: Q'sse 1s <M kalt ig, rausiaue, so kann man sagen, erst der Ton, die
Redeweise macht die Sprache. Ein Engländer schreibt anders als der Deutsche,
ein Spanier anders als der Engländer. Streitigkeiten werden sachlicher zu
Ende geführt, Differenzen rascher beglichen, wenn man genau die Art des


Branchen wir Handelshochschulen?

sinnigen Bezeichnungen auf deutschem Boden muß mit Recht den Anschein
erwecken, daß das Deutschtum der Reichslande doch auf schwachen Füßen steht.
Die Franzosen hätten längst deutsche Inschriften auf den Denkmälern zu Ehren
elsässischer Maler, Dichter und Krieger beseitigt und durch französische ersetzt,
wenn es umgekehrt läge, aber unser milder Sinn verbietet natürlich solche
Barbarei, und der Kolmarer Bürger schließt daraus, daß er eben ein Franzose
sei, leider mit deutschem Namen. Thatsächlich wird ja schon von der elsäs-
sischen Nationalität gesprochen. Freilich ist das „Lippische" Volk mit seiner
Handvoll westfälischer Bauern das würdige Gegenstück dazu.

(Schluß folgt)




Brauchen wir Handelshochschulen?
Karl Fischer von

er Plan, Handelshochschulen zu gründen, hat von beachteter Seite
die Entgegnung gefunden, daß die kaufmännischen Kreise davon
überrascht seien und eine zwingende Notwendigkeit derartiger In¬
stitute nicht zu erkennen vermöchten. Es sei besser, wenn die
Ausbildung unsrer jungen Kaufleute dadurch erweitert werde, daß
sie mehr über See gingen und sich damit einen weitern, praktischen Blick an¬
eigneten.

Dieser Bemerkung muß nach einer Seite zugestimmt werden. Denn den
kaufmännischen Beruf gut auszuüben erfordert vor allen Dingen persönliche
Erfahrung. Die absolut notwendigen Vorkenntnisse gehen thatsächlich nicht
über die elementare Schulbildung, Lesen, Schreiben, Rechnen, hinaus. Es
kommt jedoch dann sofort als wünschenswert hinzu die Beherrschung möglichst
vieler fremden Sprachen. Daß ein vollkommen abgeschlossenes Wissen hierin
aber nur durch einen Aufenthalt in den betreffenden Ländern erworben werden
kann, liegt auf der Hand. Um eine Sprache zu beherrschen, dazu gehört nicht
nur die Kenntnis des Wortschatzes, sondern auch ein gründliches Studium der
Gewohnheiten, der Sitten, des Charakters der fremden Nation. Wie gesagt
wird: Q'sse 1s <M kalt ig, rausiaue, so kann man sagen, erst der Ton, die
Redeweise macht die Sprache. Ein Engländer schreibt anders als der Deutsche,
ein Spanier anders als der Engländer. Streitigkeiten werden sachlicher zu
Ende geführt, Differenzen rascher beglichen, wenn man genau die Art des


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[0427] Branchen wir Handelshochschulen? sinnigen Bezeichnungen auf deutschem Boden muß mit Recht den Anschein erwecken, daß das Deutschtum der Reichslande doch auf schwachen Füßen steht. Die Franzosen hätten längst deutsche Inschriften auf den Denkmälern zu Ehren elsässischer Maler, Dichter und Krieger beseitigt und durch französische ersetzt, wenn es umgekehrt läge, aber unser milder Sinn verbietet natürlich solche Barbarei, und der Kolmarer Bürger schließt daraus, daß er eben ein Franzose sei, leider mit deutschem Namen. Thatsächlich wird ja schon von der elsäs- sischen Nationalität gesprochen. Freilich ist das „Lippische" Volk mit seiner Handvoll westfälischer Bauern das würdige Gegenstück dazu. (Schluß folgt) Brauchen wir Handelshochschulen? Karl Fischer von er Plan, Handelshochschulen zu gründen, hat von beachteter Seite die Entgegnung gefunden, daß die kaufmännischen Kreise davon überrascht seien und eine zwingende Notwendigkeit derartiger In¬ stitute nicht zu erkennen vermöchten. Es sei besser, wenn die Ausbildung unsrer jungen Kaufleute dadurch erweitert werde, daß sie mehr über See gingen und sich damit einen weitern, praktischen Blick an¬ eigneten. Dieser Bemerkung muß nach einer Seite zugestimmt werden. Denn den kaufmännischen Beruf gut auszuüben erfordert vor allen Dingen persönliche Erfahrung. Die absolut notwendigen Vorkenntnisse gehen thatsächlich nicht über die elementare Schulbildung, Lesen, Schreiben, Rechnen, hinaus. Es kommt jedoch dann sofort als wünschenswert hinzu die Beherrschung möglichst vieler fremden Sprachen. Daß ein vollkommen abgeschlossenes Wissen hierin aber nur durch einen Aufenthalt in den betreffenden Ländern erworben werden kann, liegt auf der Hand. Um eine Sprache zu beherrschen, dazu gehört nicht nur die Kenntnis des Wortschatzes, sondern auch ein gründliches Studium der Gewohnheiten, der Sitten, des Charakters der fremden Nation. Wie gesagt wird: Q'sse 1s <M kalt ig, rausiaue, so kann man sagen, erst der Ton, die Redeweise macht die Sprache. Ein Engländer schreibt anders als der Deutsche, ein Spanier anders als der Engländer. Streitigkeiten werden sachlicher zu Ende geführt, Differenzen rascher beglichen, wenn man genau die Art des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/427>, abgerufen am 03.07.2024.