Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Meisterbücher und andre Erzählungen

-- meer dieser Überschrift nach dem Muster der jetzt üblichen Buchtitel
für Nvvelleuscimmluugen besprechen wir zuerst drei zu Weihnachten
erschienene Werke berühmter Veteranen, die nach Stoff und Form
für die Art ihrer Verfasser gleich bezeichnend sind. Adolf Haus-
rcith ist zur Zeit der hervorragendste Vertreter des Professoren-
romans, und sein eben herausgekommuer "Pater Maternus" (Leipzig,
Hirzel) gehört zu dem Besten, was er geschrieben hat; Paul Heyse giebt uns
unter dem Titel: "Der Sohn seines Vaters und andre Novelle"" (Berlin, Hertz)
lunf sei" ausgearbeitete Erzählungen, die alle in München spielen (sie sind mir
neber als die Novellen mit italienischen Figuren, weil sie natürlicher und wahrer
>ob), und Wilhelm Raabes "Hastenbeck" (Berlin, Zanke) ist eine historische Er-
Mluug mit allen für den berühmten Darsteller charakteristischen Eigenschaften. Es
als hätten die drei diesmal zusammen den Modernen zeigen wollen, was sie
"'"Ulm, wenigstens mögen wir die Frage nicht unterdrücke", wie sie im Verhältnis
on ihnen heute auf uns wirken.

Hausraths Roman erfreut durch eine ruhige, aber cmschnuliche Schilderung,
durch ein Maß von Ausführlichkeit, das auf Kenntnissen beruht und zur Belehrung
erforderlich ist, das aber ebenso lebendige Vorstellungen erweckt, als wenn der Ver¬
lasser allerlei künstliche Belebungsmittel, Andeutungen, Ausrufe, Anakoluthe und
^gleichen angewandt hätte. Die Eindrücke, die uus seine Beschreibungen einer
^mischen Campagnalandschaft, eines Kircheninnern, einer Zeremonie im Vatikan
oder eines Volksfestes gewähren, sind genußreich und dabei so treu und reichlich,
daß sie einen gewissen Ersatz der Wirklichkeit geben. Auf diesen soliden Bildgrund
Jud menschliche Figuren gezeichnet, die etwas mehr bedeute", als es manchmal bei
Hciusrath der Fall ist, und deren Schicksalen wir darum von Anfang an mit Teil¬
nahme folgen. Zwei Augustiner aus Annaberg kommen Is 11 nach Rom in An¬
gelegenheiten ihres Ordens und steigen zunächst bei den Brüdern von S. Maria del
^opolo ab. Der ältere ist ein Gewohnheitschrist, der sich über nichts, was er im
Eiligen Rom antrifft, mehr wundert, er sammelt Relicmieu und möchte auch seinem
Herzog eine vou Raffael gemalte Madonna mitbringen. Der jüngere, Maternus,
S > '"^ Luthers an, er ist gekommen, um den Frieden seiner
cele zu suchen, und er verläßt die toten Heiligtümer auf Nimmerwiedersehen,
"rchdrungen von der einen Pflicht, zu glauben und zu lieben. Alles andre, den
L^ße" Pack der Gesetze und das böse Gewissen, das ihn plagte, hat er in die
^ waka maxima geworfen, über der der Pontifex maximus sein glanzvolles Erden-
e>ep aufgerichtet hat. Zu der Schilderung des Seelenlebens kommt äußere Hand-
i""'?'' Augustiner von S. Maria del Popolo haben ein reiches Judenmädchen
d ""s Kloster gesteckt, um es zwangsweise zu bekehren; bei dessen Vater sind die
"MM Pilger im Quartier. Dem Maternus gelingt die Befreiung des Mädchens,




Meisterbücher und andre Erzählungen

— meer dieser Überschrift nach dem Muster der jetzt üblichen Buchtitel
für Nvvelleuscimmluugen besprechen wir zuerst drei zu Weihnachten
erschienene Werke berühmter Veteranen, die nach Stoff und Form
für die Art ihrer Verfasser gleich bezeichnend sind. Adolf Haus-
rcith ist zur Zeit der hervorragendste Vertreter des Professoren-
romans, und sein eben herausgekommuer „Pater Maternus" (Leipzig,
Hirzel) gehört zu dem Besten, was er geschrieben hat; Paul Heyse giebt uns
unter dem Titel: „Der Sohn seines Vaters und andre Novelle»" (Berlin, Hertz)
lunf sei» ausgearbeitete Erzählungen, die alle in München spielen (sie sind mir
neber als die Novellen mit italienischen Figuren, weil sie natürlicher und wahrer
>ob), und Wilhelm Raabes „Hastenbeck" (Berlin, Zanke) ist eine historische Er-
Mluug mit allen für den berühmten Darsteller charakteristischen Eigenschaften. Es
als hätten die drei diesmal zusammen den Modernen zeigen wollen, was sie
"'»Ulm, wenigstens mögen wir die Frage nicht unterdrücke», wie sie im Verhältnis
on ihnen heute auf uns wirken.

Hausraths Roman erfreut durch eine ruhige, aber cmschnuliche Schilderung,
durch ein Maß von Ausführlichkeit, das auf Kenntnissen beruht und zur Belehrung
erforderlich ist, das aber ebenso lebendige Vorstellungen erweckt, als wenn der Ver¬
lasser allerlei künstliche Belebungsmittel, Andeutungen, Ausrufe, Anakoluthe und
^gleichen angewandt hätte. Die Eindrücke, die uus seine Beschreibungen einer
^mischen Campagnalandschaft, eines Kircheninnern, einer Zeremonie im Vatikan
oder eines Volksfestes gewähren, sind genußreich und dabei so treu und reichlich,
daß sie einen gewissen Ersatz der Wirklichkeit geben. Auf diesen soliden Bildgrund
Jud menschliche Figuren gezeichnet, die etwas mehr bedeute», als es manchmal bei
Hciusrath der Fall ist, und deren Schicksalen wir darum von Anfang an mit Teil¬
nahme folgen. Zwei Augustiner aus Annaberg kommen Is 11 nach Rom in An¬
gelegenheiten ihres Ordens und steigen zunächst bei den Brüdern von S. Maria del
^opolo ab. Der ältere ist ein Gewohnheitschrist, der sich über nichts, was er im
Eiligen Rom antrifft, mehr wundert, er sammelt Relicmieu und möchte auch seinem
Herzog eine vou Raffael gemalte Madonna mitbringen. Der jüngere, Maternus,
S > '"^ Luthers an, er ist gekommen, um den Frieden seiner
cele zu suchen, und er verläßt die toten Heiligtümer auf Nimmerwiedersehen,
«rchdrungen von der einen Pflicht, zu glauben und zu lieben. Alles andre, den
L^ße» Pack der Gesetze und das böse Gewissen, das ihn plagte, hat er in die
^ waka maxima geworfen, über der der Pontifex maximus sein glanzvolles Erden-
e>ep aufgerichtet hat. Zu der Schilderung des Seelenlebens kommt äußere Hand-
i»"'?'' Augustiner von S. Maria del Popolo haben ein reiches Judenmädchen
d ""s Kloster gesteckt, um es zwangsweise zu bekehren; bei dessen Vater sind die
"MM Pilger im Quartier. Dem Maternus gelingt die Befreiung des Mädchens,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229551"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341867_228947/figures/grenzboten_341867_228947_229551_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Meisterbücher und andre Erzählungen</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1907"> &#x2014; meer dieser Überschrift nach dem Muster der jetzt üblichen Buchtitel<lb/>
für Nvvelleuscimmluugen besprechen wir zuerst drei zu Weihnachten<lb/>
erschienene Werke berühmter Veteranen, die nach Stoff und Form<lb/>
für die Art ihrer Verfasser gleich bezeichnend sind. Adolf Haus-<lb/>
rcith ist zur Zeit der hervorragendste Vertreter des Professoren-<lb/>
romans, und sein eben herausgekommuer &#x201E;Pater Maternus" (Leipzig,<lb/>
Hirzel) gehört zu dem Besten, was er geschrieben hat; Paul Heyse giebt uns<lb/>
unter dem Titel: &#x201E;Der Sohn seines Vaters und andre Novelle»" (Berlin, Hertz)<lb/>
lunf sei» ausgearbeitete Erzählungen, die alle in München spielen (sie sind mir<lb/>
neber als die Novellen mit italienischen Figuren, weil sie natürlicher und wahrer<lb/>
&gt;ob), und Wilhelm Raabes &#x201E;Hastenbeck" (Berlin, Zanke) ist eine historische Er-<lb/>
Mluug mit allen für den berühmten Darsteller charakteristischen Eigenschaften. Es<lb/>
als hätten die drei diesmal zusammen den Modernen zeigen wollen, was sie<lb/>
"'»Ulm, wenigstens mögen wir die Frage nicht unterdrücke», wie sie im Verhältnis<lb/>
on ihnen heute auf uns wirken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1908" next="#ID_1909"> Hausraths Roman erfreut durch eine ruhige, aber cmschnuliche Schilderung,<lb/>
durch ein Maß von Ausführlichkeit, das auf Kenntnissen beruht und zur Belehrung<lb/>
erforderlich ist, das aber ebenso lebendige Vorstellungen erweckt, als wenn der Ver¬<lb/>
lasser allerlei künstliche Belebungsmittel, Andeutungen, Ausrufe, Anakoluthe und<lb/>
^gleichen angewandt hätte. Die Eindrücke, die uus seine Beschreibungen einer<lb/>
^mischen Campagnalandschaft, eines Kircheninnern, einer Zeremonie im Vatikan<lb/>
oder eines Volksfestes gewähren, sind genußreich und dabei so treu und reichlich,<lb/>
daß sie einen gewissen Ersatz der Wirklichkeit geben. Auf diesen soliden Bildgrund<lb/>
Jud menschliche Figuren gezeichnet, die etwas mehr bedeute», als es manchmal bei<lb/>
Hciusrath der Fall ist, und deren Schicksalen wir darum von Anfang an mit Teil¬<lb/>
nahme folgen. Zwei Augustiner aus Annaberg kommen Is 11 nach Rom in An¬<lb/>
gelegenheiten ihres Ordens und steigen zunächst bei den Brüdern von S. Maria del<lb/>
^opolo ab. Der ältere ist ein Gewohnheitschrist, der sich über nichts, was er im<lb/>
Eiligen Rom antrifft, mehr wundert, er sammelt Relicmieu und möchte auch seinem<lb/>
Herzog eine vou Raffael gemalte Madonna mitbringen. Der jüngere, Maternus,<lb/>
S &gt;    '"^ Luthers an, er ist gekommen, um den Frieden seiner<lb/>
cele zu suchen, und er verläßt die toten Heiligtümer auf Nimmerwiedersehen,<lb/>
«rchdrungen von der einen Pflicht, zu glauben und zu lieben.  Alles andre, den<lb/>
L^ße» Pack der Gesetze und das böse Gewissen, das ihn plagte, hat er in die<lb/>
^ waka maxima geworfen, über der der Pontifex maximus sein glanzvolles Erden-<lb/>
e&gt;ep aufgerichtet hat. Zu der Schilderung des Seelenlebens kommt äußere Hand-<lb/>
i»"'?''   Augustiner von S. Maria del Popolo haben ein reiches Judenmädchen<lb/>
d ""s Kloster gesteckt, um es zwangsweise zu bekehren; bei dessen Vater sind die<lb/>
"MM Pilger im Quartier. Dem Maternus gelingt die Befreiung des Mädchens,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0602] [Abbildung] Meisterbücher und andre Erzählungen — meer dieser Überschrift nach dem Muster der jetzt üblichen Buchtitel für Nvvelleuscimmluugen besprechen wir zuerst drei zu Weihnachten erschienene Werke berühmter Veteranen, die nach Stoff und Form für die Art ihrer Verfasser gleich bezeichnend sind. Adolf Haus- rcith ist zur Zeit der hervorragendste Vertreter des Professoren- romans, und sein eben herausgekommuer „Pater Maternus" (Leipzig, Hirzel) gehört zu dem Besten, was er geschrieben hat; Paul Heyse giebt uns unter dem Titel: „Der Sohn seines Vaters und andre Novelle»" (Berlin, Hertz) lunf sei» ausgearbeitete Erzählungen, die alle in München spielen (sie sind mir neber als die Novellen mit italienischen Figuren, weil sie natürlicher und wahrer >ob), und Wilhelm Raabes „Hastenbeck" (Berlin, Zanke) ist eine historische Er- Mluug mit allen für den berühmten Darsteller charakteristischen Eigenschaften. Es als hätten die drei diesmal zusammen den Modernen zeigen wollen, was sie "'»Ulm, wenigstens mögen wir die Frage nicht unterdrücke», wie sie im Verhältnis on ihnen heute auf uns wirken. Hausraths Roman erfreut durch eine ruhige, aber cmschnuliche Schilderung, durch ein Maß von Ausführlichkeit, das auf Kenntnissen beruht und zur Belehrung erforderlich ist, das aber ebenso lebendige Vorstellungen erweckt, als wenn der Ver¬ lasser allerlei künstliche Belebungsmittel, Andeutungen, Ausrufe, Anakoluthe und ^gleichen angewandt hätte. Die Eindrücke, die uus seine Beschreibungen einer ^mischen Campagnalandschaft, eines Kircheninnern, einer Zeremonie im Vatikan oder eines Volksfestes gewähren, sind genußreich und dabei so treu und reichlich, daß sie einen gewissen Ersatz der Wirklichkeit geben. Auf diesen soliden Bildgrund Jud menschliche Figuren gezeichnet, die etwas mehr bedeute», als es manchmal bei Hciusrath der Fall ist, und deren Schicksalen wir darum von Anfang an mit Teil¬ nahme folgen. Zwei Augustiner aus Annaberg kommen Is 11 nach Rom in An¬ gelegenheiten ihres Ordens und steigen zunächst bei den Brüdern von S. Maria del ^opolo ab. Der ältere ist ein Gewohnheitschrist, der sich über nichts, was er im Eiligen Rom antrifft, mehr wundert, er sammelt Relicmieu und möchte auch seinem Herzog eine vou Raffael gemalte Madonna mitbringen. Der jüngere, Maternus, S > '"^ Luthers an, er ist gekommen, um den Frieden seiner cele zu suchen, und er verläßt die toten Heiligtümer auf Nimmerwiedersehen, «rchdrungen von der einen Pflicht, zu glauben und zu lieben. Alles andre, den L^ße» Pack der Gesetze und das böse Gewissen, das ihn plagte, hat er in die ^ waka maxima geworfen, über der der Pontifex maximus sein glanzvolles Erden- e>ep aufgerichtet hat. Zu der Schilderung des Seelenlebens kommt äußere Hand- i»"'?'' Augustiner von S. Maria del Popolo haben ein reiches Judenmädchen d ""s Kloster gesteckt, um es zwangsweise zu bekehren; bei dessen Vater sind die "MM Pilger im Quartier. Dem Maternus gelingt die Befreiung des Mädchens,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/602
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/602>, abgerufen am 12.12.2024.