Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.bildung ist. Und leider ist sie weit verbreitet! Man rechnet in der Regel bei Es ist also die Frage, ob in der Erziehung solche innere Zustände, wie sie R. ^' ^' Arm, aber li Bonaventura. der berühmte Mystiker war - so las ich bildung ist. Und leider ist sie weit verbreitet! Man rechnet in der Regel bei Es ist also die Frage, ob in der Erziehung solche innere Zustände, wie sie R. ^' ^' Arm, aber li Bonaventura. der berühmte Mystiker war - so las ich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227691"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_127" prev="#ID_126"> bildung ist. Und leider ist sie weit verbreitet! Man rechnet in der Regel bei<lb/> der Erziehung mit dem Willen als mit einer Größe, die stets vorhanden sei und<lb/> sich nur sträflicherweise manchmal nicht zeigen wolle oder auch in eine verkehrte<lb/> Richtung verrannt sei. Und man hätte doch alle Ursache, gerade bei der Willens¬<lb/> bildung, dieser wichtigen Angelegenheit, anzunehmen, daß wohl auch hier nichts<lb/> ohne zureichenden Grund dasein werde, daß ein Wille aufgebaut werden könne<lb/> und müsse nicht anders als auf seinen psychologisch natürlichen Voraussetzungen,<lb/> und daß also ein Wille nicht einfach kommandirt oder angeordnet werde. Wo<lb/> sich auf Kommando ein Wille bethätigt, ist dies allemal der des Komman-<lb/> direnden, während der Kommandirte vielleicht gar keinen hat oder ihn unter¬<lb/> drücke« muß. Es war ein guter, wohlmeinender Landlehrer, der seiner „Schul¬<lb/> ordnung" für die Schüler den Satz einverleibte: Liebe das Gute, hasse das Böse!<lb/> Hätte er uicht ebenso gut setzen dürfen „Habe einen moralischen Charakter" — ?<lb/> Es sind ebenso wohlmeinende Mahnungen: Sei fromm, sei gläubig, sei tapfer ser<lb/> ehrlich! Als ob wir mit unserm Willen unsern religiösen und moralischen Zustand<lb/> Händen hätten und nicht vielmehr umgekehrt unser Wille bedingungslos von<lb/> unserm religiösen und moralische» Zustand abhinge!</p><lb/> <p xml:id="ID_128"> Es ist also die Frage, ob in der Erziehung solche innere Zustände, wie sie<lb/> ^wünscht sind, bereitet werde» könne». U»d diese Frage muß allerdings denst<lb/> werden. Auf 'den einzuschlagenden Weg weist uus folgende Betrachtung. Brechen<lb/> wir in Gedanken von einer durchgeführten Handlung das änßere wahrnehmbar<lb/> gewordne Endglied, die Ausführung, ab, so stoßen wir auf den Willen als zweites<lb/> Mied u„d weiter zurück auf das Interesse. Bei keiner Handlung, die frei von<lb/> Zwang geschah, kann dieser Seelenzustand, eben das Interesse, gefehlt haben. ^n<lb/> °mer Richtung, in der ein Interesse nicht liegt, kann es keinen Willen, keine<lb/> Thaten geben. Wer also einen Charakter, einen Willen will, der pflege ein Inter¬<lb/> esse. Und so treten wir ans dem Gebiet theoretischer Erörterungen mit der Frage,<lb/> wie man das Interesse wecken und pflegen könne, wieder auf das Gebiet praktischer<lb/> ^ethätiguua. vou dem wir ausgegangen waren. Jnteressirt bin ich in dreifacher<lb/> Weise, erstens. i»de.» mein materielles Wohl und Wehe mit einer Sache verknüpft<lb/> 'se- zweitens indem der Schatz meines Wissens, mein geistiger Besitz. zur ^r-<lb/> ledigw.g der A»gelege»heit erfordert wird, und drittens, indem man meine geistigen<lb/> Kräfte dazu in Anspruch nimmt. Dem Interesse als einer höchst Aatzeuswerteu<lb/> Zugkraft steht der Druck gegenüber, den die Schule ohne und mit Willen ausübt,<lb/> "in den Schüler mechanisch durch Ausübung von Zwang in Bewegung zu setzen.<lb/> Wie sich die Weckung und Pflege des Interesses in der Praxis gestaltet konnte<lb/> "n diesem Ort nur angedeutet werden. Man wird es nicht leicht besser aus¬<lb/> einandergesetzt finden als in O. Willmanns Vorträgen „über die Hebung der<lb/> geistigen Thätigkeit durch deu Unterricht.» I» der Erweckung und Erhaltung des<lb/> Interesses liegt der Erfolg des Unterrichts; im Interesse liegt das Paradres e.ner<lb/> glücklichen, lebens- und strebeusvollen Jugend.</p><lb/> <note type="byline"> R.</note><lb/> <note type="byline"> ^' ^'</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> Arm, aber<lb/> li</head> <p xml:id="ID_129" next="#ID_130"> Bonaventura. der berühmte Mystiker war - so las ich<lb/> kürzch in der „Theologischen Realencyklopädie" - der Sohn armer^ aber<lb/> Sommer Eltern. Das ist eine von den Gedankenlosigkeiten, wozu.t das Wörtchen<lb/> »rin mißhandelt wird. Noch schlimmer ist freilich die: arm, aber ehrlich. Diese<lb/> Redensart ist uns von Jugend ans so geläufig. daß w.r gar acht mehr erroter,<lb/> ste zu gebrauchen; wahrscheinlich kennen wir sie schon aus der Fibel und ans den<lb/> Schullesebuch. Fühlt man gar nicht, was in diesem beschränkenden Bindewort „aber</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
bildung ist. Und leider ist sie weit verbreitet! Man rechnet in der Regel bei
der Erziehung mit dem Willen als mit einer Größe, die stets vorhanden sei und
sich nur sträflicherweise manchmal nicht zeigen wolle oder auch in eine verkehrte
Richtung verrannt sei. Und man hätte doch alle Ursache, gerade bei der Willens¬
bildung, dieser wichtigen Angelegenheit, anzunehmen, daß wohl auch hier nichts
ohne zureichenden Grund dasein werde, daß ein Wille aufgebaut werden könne
und müsse nicht anders als auf seinen psychologisch natürlichen Voraussetzungen,
und daß also ein Wille nicht einfach kommandirt oder angeordnet werde. Wo
sich auf Kommando ein Wille bethätigt, ist dies allemal der des Komman-
direnden, während der Kommandirte vielleicht gar keinen hat oder ihn unter¬
drücke« muß. Es war ein guter, wohlmeinender Landlehrer, der seiner „Schul¬
ordnung" für die Schüler den Satz einverleibte: Liebe das Gute, hasse das Böse!
Hätte er uicht ebenso gut setzen dürfen „Habe einen moralischen Charakter" — ?
Es sind ebenso wohlmeinende Mahnungen: Sei fromm, sei gläubig, sei tapfer ser
ehrlich! Als ob wir mit unserm Willen unsern religiösen und moralischen Zustand
Händen hätten und nicht vielmehr umgekehrt unser Wille bedingungslos von
unserm religiösen und moralische» Zustand abhinge!
Es ist also die Frage, ob in der Erziehung solche innere Zustände, wie sie
^wünscht sind, bereitet werde» könne». U»d diese Frage muß allerdings denst
werden. Auf 'den einzuschlagenden Weg weist uus folgende Betrachtung. Brechen
wir in Gedanken von einer durchgeführten Handlung das änßere wahrnehmbar
gewordne Endglied, die Ausführung, ab, so stoßen wir auf den Willen als zweites
Mied u„d weiter zurück auf das Interesse. Bei keiner Handlung, die frei von
Zwang geschah, kann dieser Seelenzustand, eben das Interesse, gefehlt haben. ^n
°mer Richtung, in der ein Interesse nicht liegt, kann es keinen Willen, keine
Thaten geben. Wer also einen Charakter, einen Willen will, der pflege ein Inter¬
esse. Und so treten wir ans dem Gebiet theoretischer Erörterungen mit der Frage,
wie man das Interesse wecken und pflegen könne, wieder auf das Gebiet praktischer
^ethätiguua. vou dem wir ausgegangen waren. Jnteressirt bin ich in dreifacher
Weise, erstens. i»de.» mein materielles Wohl und Wehe mit einer Sache verknüpft
'se- zweitens indem der Schatz meines Wissens, mein geistiger Besitz. zur ^r-
ledigw.g der A»gelege»heit erfordert wird, und drittens, indem man meine geistigen
Kräfte dazu in Anspruch nimmt. Dem Interesse als einer höchst Aatzeuswerteu
Zugkraft steht der Druck gegenüber, den die Schule ohne und mit Willen ausübt,
"in den Schüler mechanisch durch Ausübung von Zwang in Bewegung zu setzen.
Wie sich die Weckung und Pflege des Interesses in der Praxis gestaltet konnte
"n diesem Ort nur angedeutet werden. Man wird es nicht leicht besser aus¬
einandergesetzt finden als in O. Willmanns Vorträgen „über die Hebung der
geistigen Thätigkeit durch deu Unterricht.» I» der Erweckung und Erhaltung des
Interesses liegt der Erfolg des Unterrichts; im Interesse liegt das Paradres e.ner
glücklichen, lebens- und strebeusvollen Jugend.
R.
^' ^'
Arm, aber
li Bonaventura. der berühmte Mystiker war - so las ich
kürzch in der „Theologischen Realencyklopädie" - der Sohn armer^ aber
Sommer Eltern. Das ist eine von den Gedankenlosigkeiten, wozu.t das Wörtchen
»rin mißhandelt wird. Noch schlimmer ist freilich die: arm, aber ehrlich. Diese
Redensart ist uns von Jugend ans so geläufig. daß w.r gar acht mehr erroter,
ste zu gebrauchen; wahrscheinlich kennen wir sie schon aus der Fibel und ans den
Schullesebuch. Fühlt man gar nicht, was in diesem beschränkenden Bindewort „aber
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