Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Friedrich Nietzsche die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, wonach der Makler seinen Lohn nicht Daß die Abfassung der Dissertation in lateinischer Sprache, die Schein¬ Die vorstehende Frage kann allerdings keine so große Bedeutung bean¬ Friedrich Nietzsche Carl Ientsch, von3 er Haß gegen die Moral und das Christentum war es gewesen, Friedrich Nietzsche die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, wonach der Makler seinen Lohn nicht Daß die Abfassung der Dissertation in lateinischer Sprache, die Schein¬ Die vorstehende Frage kann allerdings keine so große Bedeutung bean¬ Friedrich Nietzsche Carl Ientsch, von3 er Haß gegen die Moral und das Christentum war es gewesen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228076"/> <fw type="header" place="top"> Friedrich Nietzsche</fw><lb/> <p xml:id="ID_1213" prev="#ID_1212"> die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, wonach der Makler seinen Lohn nicht<lb/> für bloße erfolglose Bemühungen, sondern nur dann erhält, wenn das Geschäft<lb/> infolge seiner Vermittlung wirklich zu stände kommt. Rechtsanwälte und Ärzte<lb/> würden sich schönstens bedanken für eine Gebührenordnung, durch die ihre<lb/> Thätigkeit verschieden bewertet werden würde, je nachdem der Prozeß gewonnen<lb/> oder verloren wäre, der Kranke stürbe oder gesund würde. Deutsche Pro¬<lb/> fessoren dagegen lassen sich ihre Thätigkeit bei einer Prüfung verschieden be¬<lb/> zahlen, je nachdem sie bestanden wird oder nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Daß die Abfassung der Dissertation in lateinischer Sprache, die Schein¬<lb/> disputation mit „Opponenten" über „Thesen" ein veralteter Zopf sind, ist klar;<lb/> die Abschaffung derartiger Einrichtungen wäre also gleichfalls erwünscht, wobei<lb/> es selbstverständlich jeder Fakultät freistehen müßte, die reosMy in numerum,<lb/> virorum Äoetoruin durch eine öffentliche xroolainMo in Gegenwart des neuen<lb/> Doktors zu verkünden. Um sodann den Unfug gänzlich zu treffen, wäre not¬<lb/> wendig eine reichsgesetzliche Anordnung, wonach es zur Führung der von einer<lb/> ausländischen Gesellschaft verliehren gelehrten Würde innerhalb des Reichs<lb/> für Reichsangehörige einer Genehmigung der Behörden bedarf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1215"> Die vorstehende Frage kann allerdings keine so große Bedeutung bean¬<lb/> spruchen wie zahlreiche andre Fragen auf dem Gebiete der Unterrichtsvenval-<lb/> tung. Aber die Erteilung der gelehrten Würde ist ein Vorrecht der Universi¬<lb/> täten; diese sind der Stolz Deutschlands, und es ist daher im Interesse der<lb/> Universitäten dringend erwünscht, daß die Erteilung der Würde so gehandhabt<lb/> wird, daß der Titel nicht zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt wird oder<lb/> gar in den Augen mancher Beurteiler lediglich als eine Einnahmequelle für<lb/> Professoren erscheint.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Friedrich Nietzsche<lb/><note type="byline"> Carl Ientsch,</note> von3</head><lb/> <p xml:id="ID_1216" next="#ID_1217"> er Haß gegen die Moral und das Christentum war es gewesen,<lb/> was Nietzsche nach seinem eignen Bekenntnis bewogen hatte, eine<lb/> rein ästhetische Weltauffassung auszusinnen. Weder seine Schriften<lb/> noch die Mitteilungen seiner Schwester klären uns darüber auf,<lb/> in welchem Zeitpunkte und wodurch veranlaßt der ursprünglich<lb/> sehr fromme Knabe den Glauben an Gott aufgegeben hat. Es wird eben eine<lb/> eigentliche Katastrophe gar nicht eingetreten, sondern der Glaube wird all-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Friedrich Nietzsche
die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, wonach der Makler seinen Lohn nicht
für bloße erfolglose Bemühungen, sondern nur dann erhält, wenn das Geschäft
infolge seiner Vermittlung wirklich zu stände kommt. Rechtsanwälte und Ärzte
würden sich schönstens bedanken für eine Gebührenordnung, durch die ihre
Thätigkeit verschieden bewertet werden würde, je nachdem der Prozeß gewonnen
oder verloren wäre, der Kranke stürbe oder gesund würde. Deutsche Pro¬
fessoren dagegen lassen sich ihre Thätigkeit bei einer Prüfung verschieden be¬
zahlen, je nachdem sie bestanden wird oder nicht.
Daß die Abfassung der Dissertation in lateinischer Sprache, die Schein¬
disputation mit „Opponenten" über „Thesen" ein veralteter Zopf sind, ist klar;
die Abschaffung derartiger Einrichtungen wäre also gleichfalls erwünscht, wobei
es selbstverständlich jeder Fakultät freistehen müßte, die reosMy in numerum,
virorum Äoetoruin durch eine öffentliche xroolainMo in Gegenwart des neuen
Doktors zu verkünden. Um sodann den Unfug gänzlich zu treffen, wäre not¬
wendig eine reichsgesetzliche Anordnung, wonach es zur Führung der von einer
ausländischen Gesellschaft verliehren gelehrten Würde innerhalb des Reichs
für Reichsangehörige einer Genehmigung der Behörden bedarf.
Die vorstehende Frage kann allerdings keine so große Bedeutung bean¬
spruchen wie zahlreiche andre Fragen auf dem Gebiete der Unterrichtsvenval-
tung. Aber die Erteilung der gelehrten Würde ist ein Vorrecht der Universi¬
täten; diese sind der Stolz Deutschlands, und es ist daher im Interesse der
Universitäten dringend erwünscht, daß die Erteilung der Würde so gehandhabt
wird, daß der Titel nicht zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt wird oder
gar in den Augen mancher Beurteiler lediglich als eine Einnahmequelle für
Professoren erscheint.
Friedrich Nietzsche
Carl Ientsch, von3
er Haß gegen die Moral und das Christentum war es gewesen,
was Nietzsche nach seinem eignen Bekenntnis bewogen hatte, eine
rein ästhetische Weltauffassung auszusinnen. Weder seine Schriften
noch die Mitteilungen seiner Schwester klären uns darüber auf,
in welchem Zeitpunkte und wodurch veranlaßt der ursprünglich
sehr fromme Knabe den Glauben an Gott aufgegeben hat. Es wird eben eine
eigentliche Katastrophe gar nicht eingetreten, sondern der Glaube wird all-
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