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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Vas Recht der Lran nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

rechnen, noch weniger aber wirtschaftlich und rechtlich bestreiten läßt. Für
dieses Recht der Frau hat das bürgerliche Gesetzbuch noch keine Formel ge¬
funden; es kennzeichnet aber die Frauenbewegung, daß ihr, wie Jastrow hervor¬
hebt, dieses Unrecht völlig entgangen ist, und daß anch ihre Freunde im Reichs¬
tage über der maßlos einseitigen Betonung der äußerlichen Gleichberechtigung
der Frau keine Zeit gefunden haben, für diesen Gedanken einen Ausdruck und
einen gangbaren Weg zu finden.

Man kann also dem bürgerlichen Gesetzbuch hier kaum einen Vorwurf
machen, zumal da dieser Gedanke auch bisher noch nirgends gesetzlich geregelt
ist; ob er Kraft und Anklang genug gewinnen wird, sich durchzusetzen, mag
die Zukunft lehren. Die Bildung und Anerkennung eines neuen Gewohnheits¬
rechts ist vom bürgerlichen Gesetzbuch im Gegensatze zu den bestehenden Gesetz¬
gebungen nicht ausgeschlossen worden und darum der richtige" Meinung nach
zulässig; möglich, daß sich auf diesem Wege eine Art Errungenschaftsgemein¬
schaft zum regelmüßigen Güterrecht entwickelt. Einstweilen kann man sich damit
trösten, daß es auch auf diese Frage im wirklichen Leben nicht allzu oft an¬
kommt. Eigentlich brennend wird sie nur da, wo eine Ehe bei Lebzeiten beider
Ehegatten geschieden wird, nachdem sie längere Zeit gedauert hat, und nachdem
durch die gemeinschaftliche Arbeit ein nennenswertes Vermögen erworben worden
ist. Das sind drei Voraussetzungen, die im Leben nur äußerst selten zu¬
sammentreffen werden. Gelangt das Vermögen nach dem Tode beider Ehe¬
gatten an die regelmäßigen Erben, die Kinder, so ist es überhaupt gleichgiltig,
von wem sie es erben. Stirbt der Mann vor der Fran, ohne zu ihren
Gunsten letztwillig verfügt zu haben, so findet sie einen gewissen Ersatz für
das fehlende Miteigentum an den Ersparnissen in einem weitgehenden Erb¬
rechte, das gegenüber Kindern und Enkeln ein Viertel, gegenüber Eltern, Ge¬
schwistern und deren Abkömmlingen und Großeltern die Hälfte des Nachlasses
des Mannes umfaßt und alle entfernter" Verwandten ganz ausschließt. Von
großer Bedeutung ist die für weite Gebiete, z. B. auch für Berlin neue Vor¬
schrift des § 1932, daß die Witwe, wenn keine Kinder oder Enkel vorhanden
sind, außer ihrem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörigen Sachen und
die Hochzeitsgeschenke im voraus erhält. Dies schützt, insbesondre bei kleinern
Verhältnissen, die Witwe vor chikanösen Erbteilungsanträgen der Verwandten
des Mannes und sichert ihr die Fortführung des gewohnten Lebens.


4

Wenn es der Nutzen der Familie ist, dem zuliebe die Verwaltung des
eingebrachten Gutes in die Hände des Ehemannes gelegt ist, so bedarf es
selbstverständlich besondern Schutzes, wo die Familie von der Gefahr einer
zweckwidrigen Verwendung des Fraueugutes bedroht ist. Es handelt sich hier
nicht allein und uicht einmal vor allem um einen Vertrauensmißbrauch des


Vas Recht der Lran nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

rechnen, noch weniger aber wirtschaftlich und rechtlich bestreiten läßt. Für
dieses Recht der Frau hat das bürgerliche Gesetzbuch noch keine Formel ge¬
funden; es kennzeichnet aber die Frauenbewegung, daß ihr, wie Jastrow hervor¬
hebt, dieses Unrecht völlig entgangen ist, und daß anch ihre Freunde im Reichs¬
tage über der maßlos einseitigen Betonung der äußerlichen Gleichberechtigung
der Frau keine Zeit gefunden haben, für diesen Gedanken einen Ausdruck und
einen gangbaren Weg zu finden.

Man kann also dem bürgerlichen Gesetzbuch hier kaum einen Vorwurf
machen, zumal da dieser Gedanke auch bisher noch nirgends gesetzlich geregelt
ist; ob er Kraft und Anklang genug gewinnen wird, sich durchzusetzen, mag
die Zukunft lehren. Die Bildung und Anerkennung eines neuen Gewohnheits¬
rechts ist vom bürgerlichen Gesetzbuch im Gegensatze zu den bestehenden Gesetz¬
gebungen nicht ausgeschlossen worden und darum der richtige» Meinung nach
zulässig; möglich, daß sich auf diesem Wege eine Art Errungenschaftsgemein¬
schaft zum regelmüßigen Güterrecht entwickelt. Einstweilen kann man sich damit
trösten, daß es auch auf diese Frage im wirklichen Leben nicht allzu oft an¬
kommt. Eigentlich brennend wird sie nur da, wo eine Ehe bei Lebzeiten beider
Ehegatten geschieden wird, nachdem sie längere Zeit gedauert hat, und nachdem
durch die gemeinschaftliche Arbeit ein nennenswertes Vermögen erworben worden
ist. Das sind drei Voraussetzungen, die im Leben nur äußerst selten zu¬
sammentreffen werden. Gelangt das Vermögen nach dem Tode beider Ehe¬
gatten an die regelmäßigen Erben, die Kinder, so ist es überhaupt gleichgiltig,
von wem sie es erben. Stirbt der Mann vor der Fran, ohne zu ihren
Gunsten letztwillig verfügt zu haben, so findet sie einen gewissen Ersatz für
das fehlende Miteigentum an den Ersparnissen in einem weitgehenden Erb¬
rechte, das gegenüber Kindern und Enkeln ein Viertel, gegenüber Eltern, Ge¬
schwistern und deren Abkömmlingen und Großeltern die Hälfte des Nachlasses
des Mannes umfaßt und alle entfernter» Verwandten ganz ausschließt. Von
großer Bedeutung ist die für weite Gebiete, z. B. auch für Berlin neue Vor¬
schrift des § 1932, daß die Witwe, wenn keine Kinder oder Enkel vorhanden
sind, außer ihrem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörigen Sachen und
die Hochzeitsgeschenke im voraus erhält. Dies schützt, insbesondre bei kleinern
Verhältnissen, die Witwe vor chikanösen Erbteilungsanträgen der Verwandten
des Mannes und sichert ihr die Fortführung des gewohnten Lebens.


4

Wenn es der Nutzen der Familie ist, dem zuliebe die Verwaltung des
eingebrachten Gutes in die Hände des Ehemannes gelegt ist, so bedarf es
selbstverständlich besondern Schutzes, wo die Familie von der Gefahr einer
zweckwidrigen Verwendung des Fraueugutes bedroht ist. Es handelt sich hier
nicht allein und uicht einmal vor allem um einen Vertrauensmißbrauch des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/278>, abgerufen am 26.12.2024.