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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur
Jakob Burckhardt. Eine biographische Skizze von Hans Trog, Basel, R. Reich

Ein wunderschönes Buch, worin uns ein knapp, lebendig und fesselnd schrei¬
bender, mit dem Verstorbnen eng vertrauter Schriftsteller alles mitteilt, was uus
an dein berühmten Manne interessiren kann. Außerdem werden die in ihren Eigen¬
tümlichkeiten von den unsern so sehr verschiednen schweizerischen Lebensverhältnisse
geschickt für die Lösung der biographischen Aufgabe mit herangezogen. Die Grenz-
boten haben schon früher eine Würdigung Jakob Burckhardts gebracht und empfehlen
heute das neue Buch auf das wärmste.

Was seinen Inhalt betrifft, so wird uus in Deutschland wohl um meisten mit
Verwunderung und hoffentlich auch mit einiger Bewunderung erfüllen, um einen
wie unglaublich geringe" äußern Lohn dieser reiche Geist seine Gaben in den
Dienst seiner Vaterstadt gestellt hat. Bei uns gelingt es zahlreichen vom Glück
begünstigten Professoren, auf der Grundlage ihres wissenschaftlichen Berufs mehr
als ein vorteilhaftes Handelsgeschäft abzuschließen. Nicht zur Nachachtung, Wohl
aber zur Unterhaltung und Belustigung für unsre wissenschaftlichen Kommerzienräte
sei hier kurz mitgeteilt, wie ein Großkrenzritter vom Orden des Geistes in Geld¬
sachen zu handeln pflegte.

Als Burckhardt 1858 vou Zürich nach Basel zurückberufen wurde, und zwar
als Professor der Geschichte (er war vierzig Jahre alt und, hatte schon seinen
Konstantin und seineu Cicerone geschrieben), hatte er außer seinen Nuiversitätsvor-
lcsttngen "och i" zwei Klasse" des Pädagogiums Geschichtsstunden zu gebe", und
vou dem Gehalt ">"ßte die Freiwillige akademische Gesellschaft einen erheblichen
Teil übernehmen. 1867 erhielt er einen Ruf "ach Tübingen. Er benutzte ihn
zur Erlangung des Rechts, sich fortan einmal im Jahre oder auch mir aller zwei
Jahre vo" der regelmäßige" Schlußvrüfuug am Pädagogimn dispensiren zu lassen
und zwar "zum Behufe wissenschaftlicher Reise", ohne welche mir "ameutlich die
Kenntnis der Kuustdenkiuäler allmählich verloren geht. In der Zeit der Sommer-
ferien sind nämlich die größern Städte äußerst ungesund nud das Studium daselbst
beschwerlich. Gerne bin ich erbötig, so oft ich anwesend bin, die beiden Klassen,
wo ich Unterricht gebe, zu examiniren, statt bloß eine." Im Eingange dieses
Schreibens an den Erziehnugspräsidenten heißt es, es seien ihm schon seit einer
Reihe von Jahren von vielen Seiten entferntere und auch sehr nahe Aussichten
ans Berufung eröffnet, auch unmittelbar Anträge gemacht worden. Er hätte alles
zurückgewiesen, diesesmal aber wende er sich an die Behörde, weil er etwas bestimmtes
wünsche, nämlich jenes Recht der Dispcnsirung. "Weder ein öffentliches Bekannt¬
werden der Thatsache, noch eine Erhöhung meiner Besoldung ist für mich irgend¬
wie wünschbar, "ut letztere würde ich sogar unbedingt ausschlage". Wohl aber
darf es mir erwünscht sein, daß die Behörde in ihrem Protokoll Notiz nehmen
mag von dem redlichen Willen für unsre Anstalt, welcher mich zu meiner Hand¬
lungsweise bewogen hat." 1872 überbrachte ihm Ernst Curtius aus Berlin einen
ganz besonders ehrenvollen Ruf, er sollte Rankes Nachfolger in Berlin werden.
Ein Jahr darauf erbot er sich in einem Bericht an die Kuratel der Basler Uni¬
versität, zu den Geschichtsvorlcsunge" "och solche über Kunstgeschichte zu übernehmen,
"nicht ohne schweres Bedenken," provisorisch, bis ein geeigneter Man" für die ge¬
samte Kunstgeschichte gewonnen werden könne. "Die Besoldung bleibt die bis¬
herige," fügt er hinzu. Als er dann 1886 seines zunehmende" Alters wegen eine
Verminderung seiner Pflichten wünschte, fügte es sich so, daß er die Geschichts-
vorlefnngen aufgab und uur uoch Kunstgeschichte las -- "für die Hälfte seiner
bisherigen Besoldung."


Litteratur
Jakob Burckhardt. Eine biographische Skizze von Hans Trog, Basel, R. Reich

Ein wunderschönes Buch, worin uns ein knapp, lebendig und fesselnd schrei¬
bender, mit dem Verstorbnen eng vertrauter Schriftsteller alles mitteilt, was uus
an dein berühmten Manne interessiren kann. Außerdem werden die in ihren Eigen¬
tümlichkeiten von den unsern so sehr verschiednen schweizerischen Lebensverhältnisse
geschickt für die Lösung der biographischen Aufgabe mit herangezogen. Die Grenz-
boten haben schon früher eine Würdigung Jakob Burckhardts gebracht und empfehlen
heute das neue Buch auf das wärmste.

Was seinen Inhalt betrifft, so wird uus in Deutschland wohl um meisten mit
Verwunderung und hoffentlich auch mit einiger Bewunderung erfüllen, um einen
wie unglaublich geringe» äußern Lohn dieser reiche Geist seine Gaben in den
Dienst seiner Vaterstadt gestellt hat. Bei uns gelingt es zahlreichen vom Glück
begünstigten Professoren, auf der Grundlage ihres wissenschaftlichen Berufs mehr
als ein vorteilhaftes Handelsgeschäft abzuschließen. Nicht zur Nachachtung, Wohl
aber zur Unterhaltung und Belustigung für unsre wissenschaftlichen Kommerzienräte
sei hier kurz mitgeteilt, wie ein Großkrenzritter vom Orden des Geistes in Geld¬
sachen zu handeln pflegte.

Als Burckhardt 1858 vou Zürich nach Basel zurückberufen wurde, und zwar
als Professor der Geschichte (er war vierzig Jahre alt und, hatte schon seinen
Konstantin und seineu Cicerone geschrieben), hatte er außer seinen Nuiversitätsvor-
lcsttngen »och i» zwei Klasse» des Pädagogiums Geschichtsstunden zu gebe», und
vou dem Gehalt »>»ßte die Freiwillige akademische Gesellschaft einen erheblichen
Teil übernehmen. 1867 erhielt er einen Ruf »ach Tübingen. Er benutzte ihn
zur Erlangung des Rechts, sich fortan einmal im Jahre oder auch mir aller zwei
Jahre vo» der regelmäßige» Schlußvrüfuug am Pädagogimn dispensiren zu lassen
und zwar „zum Behufe wissenschaftlicher Reise», ohne welche mir »ameutlich die
Kenntnis der Kuustdenkiuäler allmählich verloren geht. In der Zeit der Sommer-
ferien sind nämlich die größern Städte äußerst ungesund nud das Studium daselbst
beschwerlich. Gerne bin ich erbötig, so oft ich anwesend bin, die beiden Klassen,
wo ich Unterricht gebe, zu examiniren, statt bloß eine." Im Eingange dieses
Schreibens an den Erziehnugspräsidenten heißt es, es seien ihm schon seit einer
Reihe von Jahren von vielen Seiten entferntere und auch sehr nahe Aussichten
ans Berufung eröffnet, auch unmittelbar Anträge gemacht worden. Er hätte alles
zurückgewiesen, diesesmal aber wende er sich an die Behörde, weil er etwas bestimmtes
wünsche, nämlich jenes Recht der Dispcnsirung. „Weder ein öffentliches Bekannt¬
werden der Thatsache, noch eine Erhöhung meiner Besoldung ist für mich irgend¬
wie wünschbar, »ut letztere würde ich sogar unbedingt ausschlage». Wohl aber
darf es mir erwünscht sein, daß die Behörde in ihrem Protokoll Notiz nehmen
mag von dem redlichen Willen für unsre Anstalt, welcher mich zu meiner Hand¬
lungsweise bewogen hat." 1872 überbrachte ihm Ernst Curtius aus Berlin einen
ganz besonders ehrenvollen Ruf, er sollte Rankes Nachfolger in Berlin werden.
Ein Jahr darauf erbot er sich in einem Bericht an die Kuratel der Basler Uni¬
versität, zu den Geschichtsvorlcsunge» »och solche über Kunstgeschichte zu übernehmen,
„nicht ohne schweres Bedenken," provisorisch, bis ein geeigneter Man» für die ge¬
samte Kunstgeschichte gewonnen werden könne. „Die Besoldung bleibt die bis¬
herige," fügt er hinzu. Als er dann 1886 seines zunehmende» Alters wegen eine
Verminderung seiner Pflichten wünschte, fügte es sich so, daß er die Geschichts-
vorlefnngen aufgab und uur uoch Kunstgeschichte las — „für die Hälfte seiner
bisherigen Besoldung."


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[0101] Litteratur Jakob Burckhardt. Eine biographische Skizze von Hans Trog, Basel, R. Reich Ein wunderschönes Buch, worin uns ein knapp, lebendig und fesselnd schrei¬ bender, mit dem Verstorbnen eng vertrauter Schriftsteller alles mitteilt, was uus an dein berühmten Manne interessiren kann. Außerdem werden die in ihren Eigen¬ tümlichkeiten von den unsern so sehr verschiednen schweizerischen Lebensverhältnisse geschickt für die Lösung der biographischen Aufgabe mit herangezogen. Die Grenz- boten haben schon früher eine Würdigung Jakob Burckhardts gebracht und empfehlen heute das neue Buch auf das wärmste. Was seinen Inhalt betrifft, so wird uus in Deutschland wohl um meisten mit Verwunderung und hoffentlich auch mit einiger Bewunderung erfüllen, um einen wie unglaublich geringe» äußern Lohn dieser reiche Geist seine Gaben in den Dienst seiner Vaterstadt gestellt hat. Bei uns gelingt es zahlreichen vom Glück begünstigten Professoren, auf der Grundlage ihres wissenschaftlichen Berufs mehr als ein vorteilhaftes Handelsgeschäft abzuschließen. Nicht zur Nachachtung, Wohl aber zur Unterhaltung und Belustigung für unsre wissenschaftlichen Kommerzienräte sei hier kurz mitgeteilt, wie ein Großkrenzritter vom Orden des Geistes in Geld¬ sachen zu handeln pflegte. Als Burckhardt 1858 vou Zürich nach Basel zurückberufen wurde, und zwar als Professor der Geschichte (er war vierzig Jahre alt und, hatte schon seinen Konstantin und seineu Cicerone geschrieben), hatte er außer seinen Nuiversitätsvor- lcsttngen »och i» zwei Klasse» des Pädagogiums Geschichtsstunden zu gebe», und vou dem Gehalt »>»ßte die Freiwillige akademische Gesellschaft einen erheblichen Teil übernehmen. 1867 erhielt er einen Ruf »ach Tübingen. Er benutzte ihn zur Erlangung des Rechts, sich fortan einmal im Jahre oder auch mir aller zwei Jahre vo» der regelmäßige» Schlußvrüfuug am Pädagogimn dispensiren zu lassen und zwar „zum Behufe wissenschaftlicher Reise», ohne welche mir »ameutlich die Kenntnis der Kuustdenkiuäler allmählich verloren geht. In der Zeit der Sommer- ferien sind nämlich die größern Städte äußerst ungesund nud das Studium daselbst beschwerlich. Gerne bin ich erbötig, so oft ich anwesend bin, die beiden Klassen, wo ich Unterricht gebe, zu examiniren, statt bloß eine." Im Eingange dieses Schreibens an den Erziehnugspräsidenten heißt es, es seien ihm schon seit einer Reihe von Jahren von vielen Seiten entferntere und auch sehr nahe Aussichten ans Berufung eröffnet, auch unmittelbar Anträge gemacht worden. Er hätte alles zurückgewiesen, diesesmal aber wende er sich an die Behörde, weil er etwas bestimmtes wünsche, nämlich jenes Recht der Dispcnsirung. „Weder ein öffentliches Bekannt¬ werden der Thatsache, noch eine Erhöhung meiner Besoldung ist für mich irgend¬ wie wünschbar, »ut letztere würde ich sogar unbedingt ausschlage». Wohl aber darf es mir erwünscht sein, daß die Behörde in ihrem Protokoll Notiz nehmen mag von dem redlichen Willen für unsre Anstalt, welcher mich zu meiner Hand¬ lungsweise bewogen hat." 1872 überbrachte ihm Ernst Curtius aus Berlin einen ganz besonders ehrenvollen Ruf, er sollte Rankes Nachfolger in Berlin werden. Ein Jahr darauf erbot er sich in einem Bericht an die Kuratel der Basler Uni¬ versität, zu den Geschichtsvorlcsunge» »och solche über Kunstgeschichte zu übernehmen, „nicht ohne schweres Bedenken," provisorisch, bis ein geeigneter Man» für die ge¬ samte Kunstgeschichte gewonnen werden könne. „Die Besoldung bleibt die bis¬ herige," fügt er hinzu. Als er dann 1886 seines zunehmende» Alters wegen eine Verminderung seiner Pflichten wünschte, fügte es sich so, daß er die Geschichts- vorlefnngen aufgab und uur uoch Kunstgeschichte las — „für die Hälfte seiner bisherigen Besoldung."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/101>, abgerufen am 26.12.2024.