Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches zwar durch Einschränkung des Wirkungskreises der Krone und durch entsprechende Sollte etwa von freisinniger Seite in der Volksvertretung angeregt werden, Franz Sandvoß wider den deutschen Sprachverein. Friedrich Kluge Maßgebliches und Unmaßgebliches zwar durch Einschränkung des Wirkungskreises der Krone und durch entsprechende Sollte etwa von freisinniger Seite in der Volksvertretung angeregt werden, Franz Sandvoß wider den deutschen Sprachverein. Friedrich Kluge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226962"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_163" prev="#ID_162"> zwar durch Einschränkung des Wirkungskreises der Krone und durch entsprechende<lb/> Erweiterung der Befugnisse der Minister. Verschiedne Angelegenheiten von „unter¬<lb/> geordneter Bedeutung," die bisher durch Entschließung des Kaisers verfügt wurden,<lb/> sollen nunmehr durch die Minister erledigt werden. Insbesondre sollen sämtliche<lb/> Staatsbeamten bis zur sechsten Rangklasse, also einschließlich der Mittelschul-<lb/> prvfessoren, Finanzdirektoren usw., fortan in letzter Instanz durch den Minister<lb/> ernannt werden. Glaubt man aber wirklich, durch den Wegfall von einigen hundert<lb/> oder auch selbst einigen tausend Unterschriften jährlich eine Entlastung des Monarchen<lb/> herbeiführen zu können? Wer auf dem Boden des konstitutionellen Königtums<lb/> steht, wird gerade eine Einschränkung der königlichen Befugnisse bei der Ernennung<lb/> oder Verabschiedung von Beamten oder Offizieren am allerwenigsten befürworte».<lb/> Man kann ja der Ansicht sein, daß die Entscheidung über den Bebauungsplan der<lb/> Stadt Soest theoretisch richtiger der Selbstverwaltungsbehörde überlassen bliebe,<lb/> man mag es als zu weitgehend betrachten, wenn bei allen Neubeueuuungen von<lb/> Berliner Straßen die königliche Zustimmung einzuholen ist, obwohl dieser Gebrauch<lb/> offenbar auf Bestimmungen gegründet ist, wonach die Bebauungspläne von Resi¬<lb/> denzen, Festungen und Städten mit Baudenkmälern von künstlerischem Wert der<lb/> königlichen Bestätigung unterliegen. Unbedingt notwendig aber erscheint die könig¬<lb/> liche Entscheidung, wo es sich um die Ernennung, Beförderung oder Verabschiedung<lb/> von Beamten der verschiednen Grade handelt, und zwar schon deshalb, weil der<lb/> Monarch das Recht haben muß, jederzeit die vorgeschlagnen Bewerber abzulehnen,<lb/> ein Recht, das er nur dadurch ausüben kann, daß ihm in letzter Reihe die formelle<lb/> Entscheidung vorbehalten bleibt. Wo der Minister die Ernennungen vollzieht, da<lb/> steht der Monarch vor einer gegebnen Thatsache, ohne sie ändern zu können. Vor<lb/> allem gilt es aber hier, „Imponderabilien" zu schützen, die für die Erhaltung und<lb/> Erstarkung des mounrchischen Gefühls sehr wesentlich sind. Das persönliche<lb/> Verhältnis, das den Offizier und den Beamten an den Monarchen bindet und in<lb/> dem Akt der Ernennung durch den König seinen äußern Ausdruck erhält, darf<lb/> uicht gelockert werden; jeder Versuch dazu ist zurückzuweisen. Wie sehr die Offiziere<lb/> und Beamten selbst auf die Ernennung durch den Monarchen Wert legen, zeigt<lb/> sich in Baiern, wo es Brauch geworden ist, daß bei Ernennungen und Beförde¬<lb/> rungen die Offiziere bis zum Leutnant und die Zivilbemnteu bis zum Assessor<lb/> hercmb »in Audienz bei dem Prinzregenten nachsuchen, um dafür zu danken.<lb/> (Geschieht auch in Sachsen. D. R.)</p><lb/> <p xml:id="ID_164"> Sollte etwa von freisinniger Seite in der Volksvertretung angeregt werden,<lb/> nach dem Beispiele Ungarns die Ernennung gewisser höherer Veamtenklassen und<lb/> andrer Befugnisse des Monarchen dem Ministerium zu übertragen, so würde eine<lb/> solche Beschränkung der königlichen Macht hoffentlich nicht nur bei der Regierung,<lb/> sondern auch in allen tonigstrenen Kreisen des Volkes auf unüberwindliche» Wider¬<lb/> stand stoßen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Franz Sandvoß wider den deutschen Sprachverein.</head> <p xml:id="ID_165" next="#ID_166"> Friedrich Kluge<lb/> hat in seinem lichtvollen Vortrag über Sprachreinheit und Sprachreinignng den<lb/> zahlreichen, oft recht leichtfertigen Anfeindungen gegenüber, die der allgemeine<lb/> deutsche Sprachverein in frühern Jahren hat erfahren müssen, die glänzendste Recht¬<lb/> fertigung seiner Bestrebungen dadurch gegeben, daß er deren Übereinstimmung mit<lb/> dem natürlichen Entwicklungsgang unsrer Muttersprache selbst überzeugend nach¬<lb/> wies. Dieser Vortrag, auf der Hauptversammlung des Allgemeinen deutscheu<lb/> Sprachvereins im August 1394 zu Koblenz gehalten, ist damals nicht nur nuper-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
zwar durch Einschränkung des Wirkungskreises der Krone und durch entsprechende
Erweiterung der Befugnisse der Minister. Verschiedne Angelegenheiten von „unter¬
geordneter Bedeutung," die bisher durch Entschließung des Kaisers verfügt wurden,
sollen nunmehr durch die Minister erledigt werden. Insbesondre sollen sämtliche
Staatsbeamten bis zur sechsten Rangklasse, also einschließlich der Mittelschul-
prvfessoren, Finanzdirektoren usw., fortan in letzter Instanz durch den Minister
ernannt werden. Glaubt man aber wirklich, durch den Wegfall von einigen hundert
oder auch selbst einigen tausend Unterschriften jährlich eine Entlastung des Monarchen
herbeiführen zu können? Wer auf dem Boden des konstitutionellen Königtums
steht, wird gerade eine Einschränkung der königlichen Befugnisse bei der Ernennung
oder Verabschiedung von Beamten oder Offizieren am allerwenigsten befürworte».
Man kann ja der Ansicht sein, daß die Entscheidung über den Bebauungsplan der
Stadt Soest theoretisch richtiger der Selbstverwaltungsbehörde überlassen bliebe,
man mag es als zu weitgehend betrachten, wenn bei allen Neubeueuuungen von
Berliner Straßen die königliche Zustimmung einzuholen ist, obwohl dieser Gebrauch
offenbar auf Bestimmungen gegründet ist, wonach die Bebauungspläne von Resi¬
denzen, Festungen und Städten mit Baudenkmälern von künstlerischem Wert der
königlichen Bestätigung unterliegen. Unbedingt notwendig aber erscheint die könig¬
liche Entscheidung, wo es sich um die Ernennung, Beförderung oder Verabschiedung
von Beamten der verschiednen Grade handelt, und zwar schon deshalb, weil der
Monarch das Recht haben muß, jederzeit die vorgeschlagnen Bewerber abzulehnen,
ein Recht, das er nur dadurch ausüben kann, daß ihm in letzter Reihe die formelle
Entscheidung vorbehalten bleibt. Wo der Minister die Ernennungen vollzieht, da
steht der Monarch vor einer gegebnen Thatsache, ohne sie ändern zu können. Vor
allem gilt es aber hier, „Imponderabilien" zu schützen, die für die Erhaltung und
Erstarkung des mounrchischen Gefühls sehr wesentlich sind. Das persönliche
Verhältnis, das den Offizier und den Beamten an den Monarchen bindet und in
dem Akt der Ernennung durch den König seinen äußern Ausdruck erhält, darf
uicht gelockert werden; jeder Versuch dazu ist zurückzuweisen. Wie sehr die Offiziere
und Beamten selbst auf die Ernennung durch den Monarchen Wert legen, zeigt
sich in Baiern, wo es Brauch geworden ist, daß bei Ernennungen und Beförde¬
rungen die Offiziere bis zum Leutnant und die Zivilbemnteu bis zum Assessor
hercmb »in Audienz bei dem Prinzregenten nachsuchen, um dafür zu danken.
(Geschieht auch in Sachsen. D. R.)
Sollte etwa von freisinniger Seite in der Volksvertretung angeregt werden,
nach dem Beispiele Ungarns die Ernennung gewisser höherer Veamtenklassen und
andrer Befugnisse des Monarchen dem Ministerium zu übertragen, so würde eine
solche Beschränkung der königlichen Macht hoffentlich nicht nur bei der Regierung,
sondern auch in allen tonigstrenen Kreisen des Volkes auf unüberwindliche» Wider¬
stand stoßen.
Franz Sandvoß wider den deutschen Sprachverein. Friedrich Kluge
hat in seinem lichtvollen Vortrag über Sprachreinheit und Sprachreinignng den
zahlreichen, oft recht leichtfertigen Anfeindungen gegenüber, die der allgemeine
deutsche Sprachverein in frühern Jahren hat erfahren müssen, die glänzendste Recht¬
fertigung seiner Bestrebungen dadurch gegeben, daß er deren Übereinstimmung mit
dem natürlichen Entwicklungsgang unsrer Muttersprache selbst überzeugend nach¬
wies. Dieser Vortrag, auf der Hauptversammlung des Allgemeinen deutscheu
Sprachvereins im August 1394 zu Koblenz gehalten, ist damals nicht nur nuper-
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