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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

seiner Schnupftabaksdose. Es beunruhigte ihn über die Maßen, dnsz Madlene nicht
gegessen hatte und ungewöhnlich bald zu Bett gegangen war. Sie wird uns doch
nicht krank werden? Der Kleine hatte eigentlich nachmittags den Weizen in die
Mühle schaffen können. Seine Böstelei konnt er abends machen -- hätt ich
auch Gesellschaft gehabt. Läßt er die Madlene bei der Kalt gehn! Hin! hin!
Wenn sie krank wird! -- So hatte webend und schnupfend der Große ein
halbes Stündchen vor sich hingeredet. Dann verließ er seinen Webstuhl und
schlich sich zum obern Stübchen und an das Bett der Madlene. Madlene! rief er
leise. Madlene, hast du Frost? Ich will dir einen Thee koch, daß dn in Schweiß
kommst. Oder hat dich was verdrossen? -- Geh, Großer! Es hat mich nichts
verdrossen, hab auch keinen Frost. Es ist weiter nichts. Geh, und laß mich
schlafn! -- Da schlich der "Große" wieder hinaus und sagte: Gute Nacht,
Madlene!

Aber er konnte nicht mehr arbeiten und ging mich zu Bett. Schlafen konnte
er aber auch nicht: die Madlene machte ihm Kummer.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Freisinnige Königsfreuudlichkeit.

Im Auschluß an die Mitteilung einer
rheinischen Zeitung, wonach Kaiser Wilhelm den ihm vorgelegten Stadtbauplan von
Soest aus einem gesundheitlichen Grunde beanstandet hatte, äußerte die Freisinnige
Zeitung voni 24. August v. I. Besorgnisse und Wünsche über eine angeblich er¬
forderliche geschäftliche Entlcistnng des Kaisers. Die Verwaltungssachen, die gegen¬
wärtig der königlichen oder kaiserlichen Genehmigung und Unterschrift bedürfen,
hätten einen Umfang erreicht, der ohne große Benachteiligung öffentlicher Interessen
auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden könne. Man möge sich nur die große
Arbeitslast vergegenwärtigen, die dem Kaiser obliege. Aus fünfzehn verschiednen
Ministerien gingen ihm unausgesetzt Akten zu. Außer dem Militär- und dem
Marinekabine'et bestehe ein besondres Zivilkabinett mit zwei höhern Beamten und
einundzwanzig Subalternbeamten. Eine Unsumme von Personalien namentlich im
Militärwesen unterliege der Entscheidung des Kaisers, nicht nur die Ernennungen
und Verabschiedungen im Offizierkorps, sondern auch die Bestätigung militär¬
gerichtlicher und ehrengerichtlicher Urteile. Dazu kämen aus dem Justizministerium
alle Begnadigungssachen, aus der Finanzverwaltung gewisse Beanstandungen der
Oberrechnungskammer. Zu diese" Verwaltungssachen trete dann noch die ganze
Gesetzgebung. Man könne vom Kaiser unmöglich verlange", daß er in allen diesen
Gebieten auf dem Laufenden bleibe. Die auswärtige Politik stelle hohe Anforde¬
rungen, die formelle Repräsentation und die häufigen Reisen beanspruchten großen
Zeitaufwand, ebenso die Teilnahme an den zahlreichen Festlichkeiten, an Grundstein¬
legungen, Einweihungen vou Denkmälern und Bauten usw. Als oberster Kriegs¬
herr nehme der Kaiser Paraden ab, beteilige sich an den Manövern und treffe
Entscheidungen über die Änderung von Reglements, über Ausrüstung und Be-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

seiner Schnupftabaksdose. Es beunruhigte ihn über die Maßen, dnsz Madlene nicht
gegessen hatte und ungewöhnlich bald zu Bett gegangen war. Sie wird uns doch
nicht krank werden? Der Kleine hatte eigentlich nachmittags den Weizen in die
Mühle schaffen können. Seine Böstelei konnt er abends machen — hätt ich
auch Gesellschaft gehabt. Läßt er die Madlene bei der Kalt gehn! Hin! hin!
Wenn sie krank wird! — So hatte webend und schnupfend der Große ein
halbes Stündchen vor sich hingeredet. Dann verließ er seinen Webstuhl und
schlich sich zum obern Stübchen und an das Bett der Madlene. Madlene! rief er
leise. Madlene, hast du Frost? Ich will dir einen Thee koch, daß dn in Schweiß
kommst. Oder hat dich was verdrossen? — Geh, Großer! Es hat mich nichts
verdrossen, hab auch keinen Frost. Es ist weiter nichts. Geh, und laß mich
schlafn! — Da schlich der „Große" wieder hinaus und sagte: Gute Nacht,
Madlene!

Aber er konnte nicht mehr arbeiten und ging mich zu Bett. Schlafen konnte
er aber auch nicht: die Madlene machte ihm Kummer.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Freisinnige Königsfreuudlichkeit.

Im Auschluß an die Mitteilung einer
rheinischen Zeitung, wonach Kaiser Wilhelm den ihm vorgelegten Stadtbauplan von
Soest aus einem gesundheitlichen Grunde beanstandet hatte, äußerte die Freisinnige
Zeitung voni 24. August v. I. Besorgnisse und Wünsche über eine angeblich er¬
forderliche geschäftliche Entlcistnng des Kaisers. Die Verwaltungssachen, die gegen¬
wärtig der königlichen oder kaiserlichen Genehmigung und Unterschrift bedürfen,
hätten einen Umfang erreicht, der ohne große Benachteiligung öffentlicher Interessen
auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden könne. Man möge sich nur die große
Arbeitslast vergegenwärtigen, die dem Kaiser obliege. Aus fünfzehn verschiednen
Ministerien gingen ihm unausgesetzt Akten zu. Außer dem Militär- und dem
Marinekabine'et bestehe ein besondres Zivilkabinett mit zwei höhern Beamten und
einundzwanzig Subalternbeamten. Eine Unsumme von Personalien namentlich im
Militärwesen unterliege der Entscheidung des Kaisers, nicht nur die Ernennungen
und Verabschiedungen im Offizierkorps, sondern auch die Bestätigung militär¬
gerichtlicher und ehrengerichtlicher Urteile. Dazu kämen aus dem Justizministerium
alle Begnadigungssachen, aus der Finanzverwaltung gewisse Beanstandungen der
Oberrechnungskammer. Zu diese» Verwaltungssachen trete dann noch die ganze
Gesetzgebung. Man könne vom Kaiser unmöglich verlange», daß er in allen diesen
Gebieten auf dem Laufenden bleibe. Die auswärtige Politik stelle hohe Anforde¬
rungen, die formelle Repräsentation und die häufigen Reisen beanspruchten großen
Zeitaufwand, ebenso die Teilnahme an den zahlreichen Festlichkeiten, an Grundstein¬
legungen, Einweihungen vou Denkmälern und Bauten usw. Als oberster Kriegs¬
herr nehme der Kaiser Paraden ab, beteilige sich an den Manövern und treffe
Entscheidungen über die Änderung von Reglements, über Ausrüstung und Be-


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[0058] Maßgebliches und Unmaßgebliches seiner Schnupftabaksdose. Es beunruhigte ihn über die Maßen, dnsz Madlene nicht gegessen hatte und ungewöhnlich bald zu Bett gegangen war. Sie wird uns doch nicht krank werden? Der Kleine hatte eigentlich nachmittags den Weizen in die Mühle schaffen können. Seine Böstelei konnt er abends machen — hätt ich auch Gesellschaft gehabt. Läßt er die Madlene bei der Kalt gehn! Hin! hin! Wenn sie krank wird! — So hatte webend und schnupfend der Große ein halbes Stündchen vor sich hingeredet. Dann verließ er seinen Webstuhl und schlich sich zum obern Stübchen und an das Bett der Madlene. Madlene! rief er leise. Madlene, hast du Frost? Ich will dir einen Thee koch, daß dn in Schweiß kommst. Oder hat dich was verdrossen? — Geh, Großer! Es hat mich nichts verdrossen, hab auch keinen Frost. Es ist weiter nichts. Geh, und laß mich schlafn! — Da schlich der „Große" wieder hinaus und sagte: Gute Nacht, Madlene! Aber er konnte nicht mehr arbeiten und ging mich zu Bett. Schlafen konnte er aber auch nicht: die Madlene machte ihm Kummer. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Freisinnige Königsfreuudlichkeit. Im Auschluß an die Mitteilung einer rheinischen Zeitung, wonach Kaiser Wilhelm den ihm vorgelegten Stadtbauplan von Soest aus einem gesundheitlichen Grunde beanstandet hatte, äußerte die Freisinnige Zeitung voni 24. August v. I. Besorgnisse und Wünsche über eine angeblich er¬ forderliche geschäftliche Entlcistnng des Kaisers. Die Verwaltungssachen, die gegen¬ wärtig der königlichen oder kaiserlichen Genehmigung und Unterschrift bedürfen, hätten einen Umfang erreicht, der ohne große Benachteiligung öffentlicher Interessen auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden könne. Man möge sich nur die große Arbeitslast vergegenwärtigen, die dem Kaiser obliege. Aus fünfzehn verschiednen Ministerien gingen ihm unausgesetzt Akten zu. Außer dem Militär- und dem Marinekabine'et bestehe ein besondres Zivilkabinett mit zwei höhern Beamten und einundzwanzig Subalternbeamten. Eine Unsumme von Personalien namentlich im Militärwesen unterliege der Entscheidung des Kaisers, nicht nur die Ernennungen und Verabschiedungen im Offizierkorps, sondern auch die Bestätigung militär¬ gerichtlicher und ehrengerichtlicher Urteile. Dazu kämen aus dem Justizministerium alle Begnadigungssachen, aus der Finanzverwaltung gewisse Beanstandungen der Oberrechnungskammer. Zu diese» Verwaltungssachen trete dann noch die ganze Gesetzgebung. Man könne vom Kaiser unmöglich verlange», daß er in allen diesen Gebieten auf dem Laufenden bleibe. Die auswärtige Politik stelle hohe Anforde¬ rungen, die formelle Repräsentation und die häufigen Reisen beanspruchten großen Zeitaufwand, ebenso die Teilnahme an den zahlreichen Festlichkeiten, an Grundstein¬ legungen, Einweihungen vou Denkmälern und Bauten usw. Als oberster Kriegs¬ herr nehme der Kaiser Paraden ab, beteilige sich an den Manövern und treffe Entscheidungen über die Änderung von Reglements, über Ausrüstung und Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/58>, abgerufen am 05.01.2025.