Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.Litteratur Lasset die Kindlein zu mir kommen! Eine Festgabe für das deutsche Haus. Geschichten aus dem Leben Jesu nach der Bibel für Kinder erzählt von C. Steinkamp, mit Bildern von Eduard Kaempffer, Duisburg, I, A, Steinkamp Dies Buch ist eine der besten neuern Erscheinungen ans dem Gebiete der Kaempffer hat es ausgezeichnet verstanden, die Szenen zur Illustration aus¬ Litteratur Lasset die Kindlein zu mir kommen! Eine Festgabe für das deutsche Haus. Geschichten aus dem Leben Jesu nach der Bibel für Kinder erzählt von C. Steinkamp, mit Bildern von Eduard Kaempffer, Duisburg, I, A, Steinkamp Dies Buch ist eine der besten neuern Erscheinungen ans dem Gebiete der Kaempffer hat es ausgezeichnet verstanden, die Szenen zur Illustration aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226343"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Lasset die Kindlein zu mir kommen! Eine Festgabe für das deutsche Haus. Geschichten<lb/> aus dem Leben Jesu nach der Bibel für Kinder erzählt von C. Steinkamp, mit Bildern von<lb/> Eduard Kaempffer, Duisburg, I, A, Steinkamp</head><lb/> <p xml:id="ID_251"> Dies Buch ist eine der besten neuern Erscheinungen ans dem Gebiete der<lb/> illustrierten Kinderlitteratur. In dreizehn großen farbigen Steindrucken werden<lb/> die Hauptereignisse aus dem Leben Jesu vorgeführt, begleitet vou einem Text,<lb/> der sich in freier Weise an die Evangelien anschließt, sie aber dem kindlichen<lb/> Verständnis näher bringt. Die Bilder zeigen die eigentümlichen Kennzeichen der<lb/> Kaempffcrschen Kunst: Lebendigkeit und Natürlichkeit der Auffassung und Streben<lb/> nach koloristischen Wirkungen. Man kann sich ja eine tiefere Auffassung der<lb/> Evangelien denken, und manche Züge der Komposition unter etwas veraltet an.<lb/> Aber im ganzen haben wir es doch hier mit ernsten künstlerischen Leistungen zu<lb/> thun, und unsre Litteratur ist nicht so reich an wirklich bedeutenden Werken dieser<lb/> Art, daß wir das Recht hätte», ein solches Buch unbeachtet zu lassen. Es ist ja<lb/> nicht unmöglich, daß in streng kirchlichen Kreisen Kaempffers heitere, hie und da<lb/> etwas weltliche Auffassung der biblischen Erzählungen Anstoß erregen wird. Da¬<lb/> durch werden sich aber verständige Menschen nicht irre machen lassen. Kinder<lb/> fassen die Geschichte Jesu wie überhaupt die ganze biblische Geschichte vor¬<lb/> wiegend ästhetisch, d. h. rein menschlich auf. Der tiefere Sinn und der dogmatische<lb/> Gehalt spielt bei ihnen so gut wie keine Rolle. Und diese Auffassung teilen sie<lb/> mit sehr vielen großen Künstlern. Es wäre auch schlimm, wenn es anders wäre.<lb/> Mit dieser Thatsache muß uun einmal unsre Pädagogik rechnen. Die religiöse<lb/> Erziehung unsrer Kinder ist bisher noch viel zu dogmatisch, viel zu wenig ästhetisch.<lb/> Wenn man freilich unsern von der Kirche sanklionirten Religionsunterricht zu<lb/> beobachten Gelegenheit hat, so staunt man immer wieder von neuem, wie planmäßig<lb/> hier durch das Auswendiglernen von unverstandnen Bibelsprüchen und Gesangbuch¬<lb/> versen das religiöse Gefühl der Kinder ertötet wird. Da kann ein Buch wie das<lb/> vorliegende ein willkommnes Gegengewicht bieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_252" next="#ID_253"> Kaempffer hat es ausgezeichnet verstanden, die Szenen zur Illustration aus¬<lb/> zuwählen, die sür Kinder das meiste Interesse bieten, und sie so zu illustriren,<lb/> wie es der kindlichen Auffassung entspricht. Wer freilich sein Urteil über Bibel-<lb/> illustrationeu an den konventionellen Phrasen der Schnorrschen Bilderbibel gebildet<lb/> hat oder gar das Ideal in den süßlichen Salonfignren H. Hofmanns sieht,<lb/> wird hier seine Rechnung nicht finden. Diesen Werten gegenüber sind die<lb/> Kaempfferschen Illustrationen modern. Aber andrerseits zeigen sie nicht eine Spur<lb/> vou dem, was man heutzutage in kirchlichen Kreisen an der modernen religiösen<lb/> Kunst anstößig zu finden pflegt. Im Gegenteil, Abbe gegenüber ist Kaempffer ver¬<lb/> altet, ja selbst konventionell zu nennen. Das ist aber für den vorliegenden Zweck<lb/> vollkommen gleichgiltig. Kinder verlangen weder eine traditionell-kirchliche noch<lb/> eine modern-naturalistische Auffassung. Sie verlangen einfach lebendige und glaub¬<lb/> würdige Schilderung. Das Epische hat sür sie den meisten Reiz. Sie wollen<lb/> sich etwas Lebendiges unter den Bildern vorstellen können. Und das können sie<lb/> hier. Mögen auch hie und da Jesus und Maria etwas unbedeutend aufgefaßt<lb/> sein, mag sich die äußerliche Auffassung hie und da stark vordrängen, eigentlich an¬<lb/> stößige Züge fehlen vollkommen, und ich wüßte kein Jllustratiouswerk dieser Art,<lb/> das man evangelischen wie katholischen Familien in gleicher Weise empfehlen könnte.<lb/> Der Hauptfehler des Buchs ist ein technischer. Der Künstler hat nicht genug Rücksicht<lb/> auf die beschränkten Mittel der Technik genommen. Man kann eben koloristische<lb/> Feinheiten im Steindruck nicht wiedergeben. Daher kommt es, daß einige Bilder</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
Litteratur
Lasset die Kindlein zu mir kommen! Eine Festgabe für das deutsche Haus. Geschichten
aus dem Leben Jesu nach der Bibel für Kinder erzählt von C. Steinkamp, mit Bildern von
Eduard Kaempffer, Duisburg, I, A, Steinkamp
Dies Buch ist eine der besten neuern Erscheinungen ans dem Gebiete der
illustrierten Kinderlitteratur. In dreizehn großen farbigen Steindrucken werden
die Hauptereignisse aus dem Leben Jesu vorgeführt, begleitet vou einem Text,
der sich in freier Weise an die Evangelien anschließt, sie aber dem kindlichen
Verständnis näher bringt. Die Bilder zeigen die eigentümlichen Kennzeichen der
Kaempffcrschen Kunst: Lebendigkeit und Natürlichkeit der Auffassung und Streben
nach koloristischen Wirkungen. Man kann sich ja eine tiefere Auffassung der
Evangelien denken, und manche Züge der Komposition unter etwas veraltet an.
Aber im ganzen haben wir es doch hier mit ernsten künstlerischen Leistungen zu
thun, und unsre Litteratur ist nicht so reich an wirklich bedeutenden Werken dieser
Art, daß wir das Recht hätte», ein solches Buch unbeachtet zu lassen. Es ist ja
nicht unmöglich, daß in streng kirchlichen Kreisen Kaempffers heitere, hie und da
etwas weltliche Auffassung der biblischen Erzählungen Anstoß erregen wird. Da¬
durch werden sich aber verständige Menschen nicht irre machen lassen. Kinder
fassen die Geschichte Jesu wie überhaupt die ganze biblische Geschichte vor¬
wiegend ästhetisch, d. h. rein menschlich auf. Der tiefere Sinn und der dogmatische
Gehalt spielt bei ihnen so gut wie keine Rolle. Und diese Auffassung teilen sie
mit sehr vielen großen Künstlern. Es wäre auch schlimm, wenn es anders wäre.
Mit dieser Thatsache muß uun einmal unsre Pädagogik rechnen. Die religiöse
Erziehung unsrer Kinder ist bisher noch viel zu dogmatisch, viel zu wenig ästhetisch.
Wenn man freilich unsern von der Kirche sanklionirten Religionsunterricht zu
beobachten Gelegenheit hat, so staunt man immer wieder von neuem, wie planmäßig
hier durch das Auswendiglernen von unverstandnen Bibelsprüchen und Gesangbuch¬
versen das religiöse Gefühl der Kinder ertötet wird. Da kann ein Buch wie das
vorliegende ein willkommnes Gegengewicht bieten.
Kaempffer hat es ausgezeichnet verstanden, die Szenen zur Illustration aus¬
zuwählen, die sür Kinder das meiste Interesse bieten, und sie so zu illustriren,
wie es der kindlichen Auffassung entspricht. Wer freilich sein Urteil über Bibel-
illustrationeu an den konventionellen Phrasen der Schnorrschen Bilderbibel gebildet
hat oder gar das Ideal in den süßlichen Salonfignren H. Hofmanns sieht,
wird hier seine Rechnung nicht finden. Diesen Werten gegenüber sind die
Kaempfferschen Illustrationen modern. Aber andrerseits zeigen sie nicht eine Spur
vou dem, was man heutzutage in kirchlichen Kreisen an der modernen religiösen
Kunst anstößig zu finden pflegt. Im Gegenteil, Abbe gegenüber ist Kaempffer ver¬
altet, ja selbst konventionell zu nennen. Das ist aber für den vorliegenden Zweck
vollkommen gleichgiltig. Kinder verlangen weder eine traditionell-kirchliche noch
eine modern-naturalistische Auffassung. Sie verlangen einfach lebendige und glaub¬
würdige Schilderung. Das Epische hat sür sie den meisten Reiz. Sie wollen
sich etwas Lebendiges unter den Bildern vorstellen können. Und das können sie
hier. Mögen auch hie und da Jesus und Maria etwas unbedeutend aufgefaßt
sein, mag sich die äußerliche Auffassung hie und da stark vordrängen, eigentlich an¬
stößige Züge fehlen vollkommen, und ich wüßte kein Jllustratiouswerk dieser Art,
das man evangelischen wie katholischen Familien in gleicher Weise empfehlen könnte.
Der Hauptfehler des Buchs ist ein technischer. Der Künstler hat nicht genug Rücksicht
auf die beschränkten Mittel der Technik genommen. Man kann eben koloristische
Feinheiten im Steindruck nicht wiedergeben. Daher kommt es, daß einige Bilder
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |