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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Giltigkeit mündlicher Verträge (abgesehen von Verträgen über Grund¬
stücke, Bürgschaften, Mietverträgen von mehr als einjähriger Dauer u. dergl.),
die Neuregelung des Dienstvertrags, die Herabsetzung des gesetzlichen Zinsfußes
von fünf auf vier vom Hundert, die Verallgemeinerung des Wucherverbots,
die Einführung der Rentenschuld bedeuten ebenso viel reine Gewinste des
Mittelstandes auf Kosten des Kapitals.


4

Wenn es auch nicht ganz in diesen Zusammenhang paßt, mögen hier doch
die Grundsätze des bürgerlichen Gesetzbuchs wörtlich wiedergegeben werden, in
denen für die Praxis zunächst sein Hauptgewicht liegt, und die vorzugsweise
geeignet sind, einen gewaltigen Umschwung unsrer ganzen Rechtsprechung herbei¬
zuführen -- ohne jeden Kommentar, nur mit dem einfachen Hinweis darauf,
daß alle diese Sätze im Landrecht nicht ausgesprochen waren, und daß, wer
sie um der Billigkeit und Gerechtigkeit willen gleichwohl zur Geltung zu
bringen versuchte, damit nur mit größter Mühe, nieist gar nicht durchdringen
konnte.

Z 133. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille
zu erforschen und nicht an dein buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

§ 138. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

Z 157. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte es erfordern.

s 226. Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck
haben kann, einem andern Schaden zuzufügen.

s 242. Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu
und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 826. Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem
andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatze des Schadens ver¬
pflichtet.

Z 812. Wer durch die Leistung eines andern oder in sonstiger Weise auf
dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur verausgabe ver¬
pflichtet.

Das ist das vielgeschmähte "in Paragraphen gegossene Pandektenkom-
Pendium"!

(Schluß folgt)




Die Giltigkeit mündlicher Verträge (abgesehen von Verträgen über Grund¬
stücke, Bürgschaften, Mietverträgen von mehr als einjähriger Dauer u. dergl.),
die Neuregelung des Dienstvertrags, die Herabsetzung des gesetzlichen Zinsfußes
von fünf auf vier vom Hundert, die Verallgemeinerung des Wucherverbots,
die Einführung der Rentenschuld bedeuten ebenso viel reine Gewinste des
Mittelstandes auf Kosten des Kapitals.


4

Wenn es auch nicht ganz in diesen Zusammenhang paßt, mögen hier doch
die Grundsätze des bürgerlichen Gesetzbuchs wörtlich wiedergegeben werden, in
denen für die Praxis zunächst sein Hauptgewicht liegt, und die vorzugsweise
geeignet sind, einen gewaltigen Umschwung unsrer ganzen Rechtsprechung herbei¬
zuführen — ohne jeden Kommentar, nur mit dem einfachen Hinweis darauf,
daß alle diese Sätze im Landrecht nicht ausgesprochen waren, und daß, wer
sie um der Billigkeit und Gerechtigkeit willen gleichwohl zur Geltung zu
bringen versuchte, damit nur mit größter Mühe, nieist gar nicht durchdringen
konnte.

Z 133. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille
zu erforschen und nicht an dein buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

§ 138. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

Z 157. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte es erfordern.

s 226. Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck
haben kann, einem andern Schaden zuzufügen.

s 242. Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu
und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 826. Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem
andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatze des Schadens ver¬
pflichtet.

Z 812. Wer durch die Leistung eines andern oder in sonstiger Weise auf
dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur verausgabe ver¬
pflichtet.

Das ist das vielgeschmähte „in Paragraphen gegossene Pandektenkom-
Pendium"!

(Schluß folgt)




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[0509] Die Giltigkeit mündlicher Verträge (abgesehen von Verträgen über Grund¬ stücke, Bürgschaften, Mietverträgen von mehr als einjähriger Dauer u. dergl.), die Neuregelung des Dienstvertrags, die Herabsetzung des gesetzlichen Zinsfußes von fünf auf vier vom Hundert, die Verallgemeinerung des Wucherverbots, die Einführung der Rentenschuld bedeuten ebenso viel reine Gewinste des Mittelstandes auf Kosten des Kapitals. 4 Wenn es auch nicht ganz in diesen Zusammenhang paßt, mögen hier doch die Grundsätze des bürgerlichen Gesetzbuchs wörtlich wiedergegeben werden, in denen für die Praxis zunächst sein Hauptgewicht liegt, und die vorzugsweise geeignet sind, einen gewaltigen Umschwung unsrer ganzen Rechtsprechung herbei¬ zuführen — ohne jeden Kommentar, nur mit dem einfachen Hinweis darauf, daß alle diese Sätze im Landrecht nicht ausgesprochen waren, und daß, wer sie um der Billigkeit und Gerechtigkeit willen gleichwohl zur Geltung zu bringen versuchte, damit nur mit größter Mühe, nieist gar nicht durchdringen konnte. Z 133. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dein buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. § 138. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Z 157. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. s 226. Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem andern Schaden zuzufügen. s 242. Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 826. Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatze des Schadens ver¬ pflichtet. Z 812. Wer durch die Leistung eines andern oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur verausgabe ver¬ pflichtet. Das ist das vielgeschmähte „in Paragraphen gegossene Pandektenkom- Pendium"! (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/509>, abgerufen am 27.12.2024.