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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sie kennen. Alles kommt darin vor, Naturgefühl und etwas Natursymbolik,
ein Psalmvers, etwas Gespensterwesen und zuletzt Tod des "lustigen Leutnants."
Wie aber diese Frau diesem Manne untreu werden konnte, das uns zu er¬
klären hat der Verfasser bei seiner skizzenhaften Behandlung vermeiden können.
Es wäre wohl anch schwer gewesen. Das Interesse wird übrigens sehr gesteigert
durch die Form der Erzählung in erster Person bis zum letzten Worte.

Wir schließen uoch die Empfehlung eines Bändchens Novellen an, die
or. Karl Knaster aus dem Düuischen, Isländischen, Norwegischen und
Schwedischen übersetzt und unter dem Titel: Von nordischen Gestaden
(Leipzig, G. Font) herausgegeben hat. Es sind sieben kurze und eine längere
Erzählung, sämtlich sehr ansprechend, stimmungsvoll, bezeichnend für die Land¬
schaft und menschlich wohlthuend. Sogar ein kleiner Björnson trotz einem
Selbstmorde und der sehr düstern Stimmung berührt uns uicht unlieb, das
Gift muß also mit sehr großer Kunst eingewickelt sein. Die am meisten aus¬
geführte Erzählung, eine dänische: "Knut und Ingeborg" vou H. F. Ewald,
ist eine der ernsten und tiefen, an denen die Litteratur des tüchtigen kleinen
Volkes so reich ist.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Der internationale Kongreß für Arbeiterschutz in Zürich.

Sechs
Tage lang hat im August ein internationaler Kongreß fiir Arbeiterschutz in Zürich
etlichen Hunderten dazu entsandter Vertreter von Arbeitervereinigungen mancherlei
Art und sogenannter Gaste aus aller Herren Ländern Gelegenheit gegeben, eine
Reihe interessanter Reden zu halten und zu hören. Die Veranstalter der Sache
scheinen ja auch ganz stolz ans diese Reden und Beschlüsse zu sein, und von ihrem
Standpunkt aus wohl nicht ohne Grund. Ein agitatorischer Erfolg ist zweifellos
erzielt worden, wenn auch nicht so sehr für den Arbeiterschutz, so doch sicher für
die Sozialdemokratie und vielleicht auch für den päpstlich-jesuitischen Sozialismus,
der in Zürich zum erstenmal mit den andern in der Parade stand. Wenn mau die
Reden und die Beschlüsse nach den bisher vorliegenden Zeitungsberichten liest und den
Inhalt mit dem, was seit Jahren über den Arbeiterschntz gesprochen und geschrieben
worden ist, vergleicht, so kann man bei nüchterner Prüfung auch nicht das geringste
Neue finden, das fördernd und klärend für die praktische Durchführung und den
weitern Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung beigebracht worden wäre, am aller¬
wenigsten etwas, was die Wege wiese, wie die der internationalen Regelung der
Sache entgegenstehenden Schwierigkeiten verringert oder beseitigt werden könnten.
Wenn sich ein schweizerischer Staatsmann wie der Vizepräsident des Kongresses,
Nationalrat Decurtius, gemüßigt sah, auf die völlige Erfolglosigkeit der vom


Maßgebliches und Unmaßgebliches

sie kennen. Alles kommt darin vor, Naturgefühl und etwas Natursymbolik,
ein Psalmvers, etwas Gespensterwesen und zuletzt Tod des „lustigen Leutnants."
Wie aber diese Frau diesem Manne untreu werden konnte, das uns zu er¬
klären hat der Verfasser bei seiner skizzenhaften Behandlung vermeiden können.
Es wäre wohl anch schwer gewesen. Das Interesse wird übrigens sehr gesteigert
durch die Form der Erzählung in erster Person bis zum letzten Worte.

Wir schließen uoch die Empfehlung eines Bändchens Novellen an, die
or. Karl Knaster aus dem Düuischen, Isländischen, Norwegischen und
Schwedischen übersetzt und unter dem Titel: Von nordischen Gestaden
(Leipzig, G. Font) herausgegeben hat. Es sind sieben kurze und eine längere
Erzählung, sämtlich sehr ansprechend, stimmungsvoll, bezeichnend für die Land¬
schaft und menschlich wohlthuend. Sogar ein kleiner Björnson trotz einem
Selbstmorde und der sehr düstern Stimmung berührt uns uicht unlieb, das
Gift muß also mit sehr großer Kunst eingewickelt sein. Die am meisten aus¬
geführte Erzählung, eine dänische: „Knut und Ingeborg" vou H. F. Ewald,
ist eine der ernsten und tiefen, an denen die Litteratur des tüchtigen kleinen
Volkes so reich ist.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Der internationale Kongreß für Arbeiterschutz in Zürich.

Sechs
Tage lang hat im August ein internationaler Kongreß fiir Arbeiterschutz in Zürich
etlichen Hunderten dazu entsandter Vertreter von Arbeitervereinigungen mancherlei
Art und sogenannter Gaste aus aller Herren Ländern Gelegenheit gegeben, eine
Reihe interessanter Reden zu halten und zu hören. Die Veranstalter der Sache
scheinen ja auch ganz stolz ans diese Reden und Beschlüsse zu sein, und von ihrem
Standpunkt aus wohl nicht ohne Grund. Ein agitatorischer Erfolg ist zweifellos
erzielt worden, wenn auch nicht so sehr für den Arbeiterschutz, so doch sicher für
die Sozialdemokratie und vielleicht auch für den päpstlich-jesuitischen Sozialismus,
der in Zürich zum erstenmal mit den andern in der Parade stand. Wenn mau die
Reden und die Beschlüsse nach den bisher vorliegenden Zeitungsberichten liest und den
Inhalt mit dem, was seit Jahren über den Arbeiterschntz gesprochen und geschrieben
worden ist, vergleicht, so kann man bei nüchterner Prüfung auch nicht das geringste
Neue finden, das fördernd und klärend für die praktische Durchführung und den
weitern Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung beigebracht worden wäre, am aller¬
wenigsten etwas, was die Wege wiese, wie die der internationalen Regelung der
Sache entgegenstehenden Schwierigkeiten verringert oder beseitigt werden könnten.
Wenn sich ein schweizerischer Staatsmann wie der Vizepräsident des Kongresses,
Nationalrat Decurtius, gemüßigt sah, auf die völlige Erfolglosigkeit der vom


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/480>, abgerufen am 23.07.2024.