Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Religion und Geschichte Gattung könnte er gar nicht da sein. Aber diese hat keinen andern Zweck, als Religion und Geschichte Martin Rade von (in ebendige Religion erhebt einen ungeheuern Herrschaftsansprnch. So erhebt sie ihn auch im modernen Leben. Man kann ihn ablehnen, Und zwar ist er in verschiednen Zeiten in den verschiedensten Formen Religion und Geschichte Gattung könnte er gar nicht da sein. Aber diese hat keinen andern Zweck, als Religion und Geschichte Martin Rade von (in ebendige Religion erhebt einen ungeheuern Herrschaftsansprnch. So erhebt sie ihn auch im modernen Leben. Man kann ihn ablehnen, Und zwar ist er in verschiednen Zeiten in den verschiedensten Formen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0623" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225551"/> <fw type="header" place="top"> Religion und Geschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_1937" prev="#ID_1936"> Gattung könnte er gar nicht da sein. Aber diese hat keinen andern Zweck, als<lb/> menschliche Persönlichkeiten zu schaffen; beim Menschen ist die Gattung nur<lb/> um des einzelnen willen da, und es wäre Frevel, den Satz umkehren zu wollen.<lb/> Daher muß zwar das Menschengeschlecht, solange der Zweck seines Erden¬<lb/> daseins noch nicht erfüllt ist, durch Zeugung erhalten werden, aber nicht jeder<lb/> einzelne ist genötigt oder verpflichtet, zur Erhaltung und Vermehrung der<lb/> Gattung beizutragen, und lassen sich die Familiensorgen mit dem Beruf eines<lb/> Mannes schlecht oder gar nicht vereinigen, so begeht er kein Unrecht, wenn<lb/> er sich ihrer entschlage. Ist es doch schon eine rohe und dürftige Auffassung<lb/> der Geschlechtlichkeit selbst, auch beim Menschen in ihr nichts als die Vor¬<lb/> richtung für die Fortpflanzung zu sehen, da sie vielmehr eine der wichtigsten<lb/> Wurzeln, wo nicht die Hauptwurzel der sittlichen Verhältnisse, der ästhetischen<lb/> Empfindungen, der schönen Künste, der gewerblichen Thätigkeit, der sozialen<lb/> Gliederung, der wissenschaftlichen Forschung und der Unsterblichkeitsahnungen<lb/> ist; haben doch den griechischen Philosophen die ^</^»6t?.^ 0^«^/« und der<lb/> "S^L 0^«,^c>L den Blick ins ewige Reich vollkommner Geister eröffnet, und<lb/> Jahrtausende vor der Entdeckung der beiden entgegengesetzten Elektrizitäten, der<lb/> Pole des Magnets, der Anziehung zwischen Vasen und Säuren hat sich den<lb/> sinnenden Völkern die Polarität des Weltalls in dem Bilde männlicher und<lb/> weiblicher Götter erschlossen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Religion und Geschichte<lb/><note type="byline"> Martin Rade </note> von (in</head><lb/> <p xml:id="ID_1938"> ebendige Religion erhebt einen ungeheuern Herrschaftsansprnch.<lb/> Sie will herrschen über Kopf, Herz und Gewissen, alles Ver¬<lb/> halten und alle Verhältnisse will sie beeinflussen, alle Güter<lb/> nach ihrem Wert oder Unwert bestimmen, nichts ist, nichts regt<lb/> sich in der Natur- und Geisteswelt, an das sie nicht die Forderung<lb/> richtete, daß es ihr diene. Dieser Herrschaftsanspruch gehört zum Wesen der<lb/> Religion.</p><lb/> <p xml:id="ID_1939"> So erhebt sie ihn auch im modernen Leben. Man kann ihn ablehnen,<lb/> verhöhnen, ignoriren, aber der Anspruch bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1940" next="#ID_1941"> Und zwar ist er in verschiednen Zeiten in den verschiedensten Formen<lb/> erhoben worden. Die Religion hat geherrscht in der Form der Kirche und<lb/> Priesterschaft, des Lehrgesetzes oder der Theologie, des Kultus und der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0623]
Religion und Geschichte
Gattung könnte er gar nicht da sein. Aber diese hat keinen andern Zweck, als
menschliche Persönlichkeiten zu schaffen; beim Menschen ist die Gattung nur
um des einzelnen willen da, und es wäre Frevel, den Satz umkehren zu wollen.
Daher muß zwar das Menschengeschlecht, solange der Zweck seines Erden¬
daseins noch nicht erfüllt ist, durch Zeugung erhalten werden, aber nicht jeder
einzelne ist genötigt oder verpflichtet, zur Erhaltung und Vermehrung der
Gattung beizutragen, und lassen sich die Familiensorgen mit dem Beruf eines
Mannes schlecht oder gar nicht vereinigen, so begeht er kein Unrecht, wenn
er sich ihrer entschlage. Ist es doch schon eine rohe und dürftige Auffassung
der Geschlechtlichkeit selbst, auch beim Menschen in ihr nichts als die Vor¬
richtung für die Fortpflanzung zu sehen, da sie vielmehr eine der wichtigsten
Wurzeln, wo nicht die Hauptwurzel der sittlichen Verhältnisse, der ästhetischen
Empfindungen, der schönen Künste, der gewerblichen Thätigkeit, der sozialen
Gliederung, der wissenschaftlichen Forschung und der Unsterblichkeitsahnungen
ist; haben doch den griechischen Philosophen die ^</^»6t?.^ 0^«^/« und der
"S^L 0^«,^c>L den Blick ins ewige Reich vollkommner Geister eröffnet, und
Jahrtausende vor der Entdeckung der beiden entgegengesetzten Elektrizitäten, der
Pole des Magnets, der Anziehung zwischen Vasen und Säuren hat sich den
sinnenden Völkern die Polarität des Weltalls in dem Bilde männlicher und
weiblicher Götter erschlossen.
Religion und Geschichte
Martin Rade von (in
ebendige Religion erhebt einen ungeheuern Herrschaftsansprnch.
Sie will herrschen über Kopf, Herz und Gewissen, alles Ver¬
halten und alle Verhältnisse will sie beeinflussen, alle Güter
nach ihrem Wert oder Unwert bestimmen, nichts ist, nichts regt
sich in der Natur- und Geisteswelt, an das sie nicht die Forderung
richtete, daß es ihr diene. Dieser Herrschaftsanspruch gehört zum Wesen der
Religion.
So erhebt sie ihn auch im modernen Leben. Man kann ihn ablehnen,
verhöhnen, ignoriren, aber der Anspruch bleibt.
Und zwar ist er in verschiednen Zeiten in den verschiedensten Formen
erhoben worden. Die Religion hat geherrscht in der Form der Kirche und
Priesterschaft, des Lehrgesetzes oder der Theologie, des Kultus und der
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