Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches schaften? Die Berechtigten, deren Interessen "verwaltet" werden, sind doch die Die Hauptzugkraft hat das Schlagwort "Selbstverwaltung in der beliebten Aus der Kommission für Arbeiterstatistik. Erfreulicherweise hat man Maßgebliches und Unmaßgebliches schaften? Die Berechtigten, deren Interessen „verwaltet" werden, sind doch die Die Hauptzugkraft hat das Schlagwort „Selbstverwaltung in der beliebten Aus der Kommission für Arbeiterstatistik. Erfreulicherweise hat man <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224510"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_692" prev="#ID_691"> schaften? Die Berechtigten, deren Interessen „verwaltet" werden, sind doch die<lb/> Arbeiter! Es ist doch eine Arbeiterversicherung, und noch dazu eine, durch die<lb/> teilweise viel weiter gehende Rechte der Arbeiter auf Schadloshaltung durch die<lb/> Unternehmer bei Unglücksfällen abgelöst und beseitigt worden sind! Und wer ver¬<lb/> waltet diese Interessen? Die Arbeiter selbst? Keineswegs — gerade die andre<lb/> Partei, die Unternehmer! Von einer Selbstverwaltung in der Unfallversicherung sollte<lb/> man deshalb, wenigstens in Regierungskrisen, zu sprechen aufhören, und man sollte<lb/> sich endlich eingestehen, daß, wenn in irgend einem Zweige der Arbeiterversicherung,<lb/> dann gerade i» der Unfallversicherung der Staat felbst die Verantwortlichkeit der Ver¬<lb/> waltung übernehmen müßte, schlimmstenfalls Arbeiter und Unternehmer zusammen,<lb/> aber nun und nimmermehr die Arbeitgeber allein. Wenn die Aufbringung der Kosten<lb/> durch angemessene Anlage der Selbstverwaltung der Unternehmer überlassen wird,<lb/> und sie dadurch ein materielles Interesse an der Unfallverhütung gewinnen, so ist<lb/> das ganz vortrefflich, aber darüber hinaus dürfen sie selbst gar nichts zu verwalten<lb/> haben, wenn man nicht in unverantwortlicher Weise der Sozialdemokratie immer mehr<lb/> Wasser auf ihre Mühle gießen lassen will. In dem oben angeführten Aufsatz der<lb/> Grenzboten ist schon darauf hingewiesen, wie sich diese falsche Selbstverwaltung be¬<lb/> sonders bald im Heilverfahren der Unfallverletzten rächen müsse. Wir bezweifeln<lb/> grundsätzlich jede sozialdemokratische Beschuldigung des bcrufsgeuosseuschaftlicheu Heil¬<lb/> verfahrens, bis sie uns schwarz ans weiß nachgewiesen ist, aber anch den Reklamen<lb/> der Berufsgenossenschaften gegenüber sind wir vorsichtig, und auch bei ihnen erwarten<lb/> wir in allen Fällen den strikten Beweis. Aber dafür braucht doch niemand mehr<lb/> einen Beweis zu bringen, daß selbst bei der gerechtesten Verwaltung ein nur von<lb/> den Unternehmern beherrschtes Heilverfahren das Mißtrauen der Arbeiter immer gegen<lb/> sich haben muß, weil eben ein solches Verfahren immer in außerordentlich hohem<lb/> Grade die Gefahr des Mißbrauchs in sich birgt. Hiergegen helfen alle Versicherungen<lb/> nichts, wie mild, splendid und vornehm das Verhalten der Unternehmer in diesen<lb/> Geldsachen sei, selbst wenn solche Versicherungen vom Regiernugstisch ausgehen.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_693"> Die Hauptzugkraft hat das Schlagwort „Selbstverwaltung in der beliebten<lb/> Gegenüberstellung zur „Büreaukratie." Wir wissen nicht, ob der Verfasser des<lb/> Gesetzentwurfs auch in diesem Sinne für die Selbstverwaltung der Berufsgenossen-<lb/> schaften schwärmt, aber Recht hat er dann auf keinen Fall. Es giebt eine ganz<lb/> böse Art von Büreaukratie auch in der Selbstverwaltung, das ist die Schreiber-<lb/> Wirtschaft, und daß sie in den Berufsgenossenschaften leicht einreißen kann, das<lb/> liegt auf der Hand. Den Vorständen dieser Körperschaften soll mit dieser Be¬<lb/> merkung kein Vorwurf gemacht werden, aber wenn man fortfährt, die Berufs-<lb/> genossenschaften und alles, was an ihnen ist, als lloli no tauxorö zu behandeln,<lb/> dann werden mich in dieser Beziehung noch recht unangenehme Vorwürfe lant<lb/> werden. Wir halten die Arbeiterversicherung für ein Riesenwerk ^des sozialen<lb/> Fortschritts, aber eben deshalb verlangen wir, daß man es dem Volke nicht ver¬<lb/> leiden läßt, weder durch Nörgeleien der Sozialdemokratie, noch durch llberhebung,<lb/> Selbstgefälligkeit und Reklame der Berufsgenossenschaften.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Aus der Kommission für Arbeiterstatistik.</head> <p xml:id="ID_694" next="#ID_695"> Erfreulicherweise hat man<lb/> sich mit der Veröffentlichung der Protokolle über die Verhandlungen der Kommission<lb/> für Arbciterstatistik am 9. und 11. Januar in Sachen der Konfektionsindustrie<lb/> etwas mehr beeilt als gewöhnlich. Sie sind noch im Januar im Reichstage verteilt<lb/> wenden (Drucksachen der Kommission für Arbeiterstatistik. Verhandlungen Ur. 12).<lb/> Die Entschließungen der Kommission laufen darnach nur auf die Festlegung von</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
schaften? Die Berechtigten, deren Interessen „verwaltet" werden, sind doch die
Arbeiter! Es ist doch eine Arbeiterversicherung, und noch dazu eine, durch die
teilweise viel weiter gehende Rechte der Arbeiter auf Schadloshaltung durch die
Unternehmer bei Unglücksfällen abgelöst und beseitigt worden sind! Und wer ver¬
waltet diese Interessen? Die Arbeiter selbst? Keineswegs — gerade die andre
Partei, die Unternehmer! Von einer Selbstverwaltung in der Unfallversicherung sollte
man deshalb, wenigstens in Regierungskrisen, zu sprechen aufhören, und man sollte
sich endlich eingestehen, daß, wenn in irgend einem Zweige der Arbeiterversicherung,
dann gerade i» der Unfallversicherung der Staat felbst die Verantwortlichkeit der Ver¬
waltung übernehmen müßte, schlimmstenfalls Arbeiter und Unternehmer zusammen,
aber nun und nimmermehr die Arbeitgeber allein. Wenn die Aufbringung der Kosten
durch angemessene Anlage der Selbstverwaltung der Unternehmer überlassen wird,
und sie dadurch ein materielles Interesse an der Unfallverhütung gewinnen, so ist
das ganz vortrefflich, aber darüber hinaus dürfen sie selbst gar nichts zu verwalten
haben, wenn man nicht in unverantwortlicher Weise der Sozialdemokratie immer mehr
Wasser auf ihre Mühle gießen lassen will. In dem oben angeführten Aufsatz der
Grenzboten ist schon darauf hingewiesen, wie sich diese falsche Selbstverwaltung be¬
sonders bald im Heilverfahren der Unfallverletzten rächen müsse. Wir bezweifeln
grundsätzlich jede sozialdemokratische Beschuldigung des bcrufsgeuosseuschaftlicheu Heil¬
verfahrens, bis sie uns schwarz ans weiß nachgewiesen ist, aber anch den Reklamen
der Berufsgenossenschaften gegenüber sind wir vorsichtig, und auch bei ihnen erwarten
wir in allen Fällen den strikten Beweis. Aber dafür braucht doch niemand mehr
einen Beweis zu bringen, daß selbst bei der gerechtesten Verwaltung ein nur von
den Unternehmern beherrschtes Heilverfahren das Mißtrauen der Arbeiter immer gegen
sich haben muß, weil eben ein solches Verfahren immer in außerordentlich hohem
Grade die Gefahr des Mißbrauchs in sich birgt. Hiergegen helfen alle Versicherungen
nichts, wie mild, splendid und vornehm das Verhalten der Unternehmer in diesen
Geldsachen sei, selbst wenn solche Versicherungen vom Regiernugstisch ausgehen.
"
Die Hauptzugkraft hat das Schlagwort „Selbstverwaltung in der beliebten
Gegenüberstellung zur „Büreaukratie." Wir wissen nicht, ob der Verfasser des
Gesetzentwurfs auch in diesem Sinne für die Selbstverwaltung der Berufsgenossen-
schaften schwärmt, aber Recht hat er dann auf keinen Fall. Es giebt eine ganz
böse Art von Büreaukratie auch in der Selbstverwaltung, das ist die Schreiber-
Wirtschaft, und daß sie in den Berufsgenossenschaften leicht einreißen kann, das
liegt auf der Hand. Den Vorständen dieser Körperschaften soll mit dieser Be¬
merkung kein Vorwurf gemacht werden, aber wenn man fortfährt, die Berufs-
genossenschaften und alles, was an ihnen ist, als lloli no tauxorö zu behandeln,
dann werden mich in dieser Beziehung noch recht unangenehme Vorwürfe lant
werden. Wir halten die Arbeiterversicherung für ein Riesenwerk ^des sozialen
Fortschritts, aber eben deshalb verlangen wir, daß man es dem Volke nicht ver¬
leiden läßt, weder durch Nörgeleien der Sozialdemokratie, noch durch llberhebung,
Selbstgefälligkeit und Reklame der Berufsgenossenschaften.
Aus der Kommission für Arbeiterstatistik. Erfreulicherweise hat man
sich mit der Veröffentlichung der Protokolle über die Verhandlungen der Kommission
für Arbciterstatistik am 9. und 11. Januar in Sachen der Konfektionsindustrie
etwas mehr beeilt als gewöhnlich. Sie sind noch im Januar im Reichstage verteilt
wenden (Drucksachen der Kommission für Arbeiterstatistik. Verhandlungen Ur. 12).
Die Entschließungen der Kommission laufen darnach nur auf die Festlegung von
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