Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Litteratur Deutsche Kümpfe von L>. von Treitschke. Neue Folqe. Schriften zur Tagespolitik. Leipzig, Hirzel, t8"" Nur mit tiefer Wehmut kaun man diesen schlimm Band in die Hand nehmen, Litteratur Deutsche Kümpfe von L>. von Treitschke. Neue Folqe. Schriften zur Tagespolitik. Leipzig, Hirzel, t8»» Nur mit tiefer Wehmut kaun man diesen schlimm Band in die Hand nehmen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0541" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224125"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <div n="2"> <head> Deutsche Kümpfe von L>. von Treitschke. Neue Folqe. Schriften zur Tagespolitik. Leipzig,<lb/> Hirzel, t8»»</head><lb/> <p xml:id="ID_1631"> Nur mit tiefer Wehmut kaun man diesen schlimm Band in die Hand nehmen,<lb/> denn er ist das Vermächtnis eines unvergeßlichen und unersetzlichen Toten. Zu¬<lb/> sammengefaßt sind darin ini ganzen neunundzwanzig Stücke aus den Jahren 1879<lb/> bis 1892, Aufsätze und Reden, die meist in den Preußischen Jahrbüchern er¬<lb/> schienen sind; manches ist auch bis jetzt ungedruckt geblieben, wie die Antwort, die<lb/> Treitschke am 19. November 1880 auf eine Studentenhnldignng gab, als er wegen<lb/> seiner Haltung in der Judenfrage öffentlich angegriffen worden war. Seitdem er<lb/> am 25. Juni 1889 aus eben diesem Grunde „Abschied" von den Preußischen<lb/> Jahrbüchern genommen hatte, an deren Leitung er seit dem Sommer 13(>6 be¬<lb/> teiligt gewesen war, hat er seine Stimme nur noch selten erhoben, fiir seine Freunde<lb/> und das Vaterland viel zu selten: es folgen jenem „Abschied" nur noch zwei Stücke.<lb/> In den hier mitgeteilten Aufsätzen und Reden aber verfolgt Treitschke alle wich¬<lb/> tigen deutschen Zeitfragen und Zeitereignisse, die auswärtige wie die innere Politik,<lb/> immer mit derselben mannhaften, stolzen, ehrlichen Gesinnung, immer mit klarem,<lb/> zuweilen geradezu prophetischem Blick, immer mit der Wärme des Patrioten, dem<lb/> es etwas Heiliges ist ums Vaterland, und der niemals irgend jemand schmeichelt,<lb/> weder einem Menschen noch einer Partei. Nach außen tritt er immer für ein<lb/> gutes Einvernehmen mit Rußland ein, anch nach der Gründung des Dreibundes,<lb/> und ist der entschiedenste Gegner Englands, dessen unnatürliche Vorherrschaft auf<lb/> dem Weltmeer und in der Weltwirtschaft zu breche» eine Aufgabe der Zukunft sei,<lb/> und nachdem er schon 1864 auf die Unmöglichkeit für ein großes Volk, sich auf<lb/> Europa zu beschränken, zum mitleidigen Entsetzen des altklugen Liberalismus aus¬<lb/> gesprochen, 1883 die unbedingte Notwendigkeit einer Kolonialpolitik für Deutschland<lb/> betont hat, begrüßt er zustimmend und freudig ihre Anfänge im Jahre 1334. Mit<lb/> tiefer Besorgnis erfüllt ihn der rasche Verfall des Reichstags, das Überwuchern<lb/> des Pnrteifnnntismus, der Sozialdemokratie, des Judentums, des Ultramontanis-<lb/> mus, des Platten Banausentums, der Staats- und bildungsfeindlichen Mächte, aber<lb/> unerschüttert hält er ihnen entgegen die Hoheit des Staats und der Nation, die<lb/> Freiheit der Wissenschaft (anch gegenüber der Presse), die nationale Gesinnung der<lb/> gebildeten Jngend, auf der seine beste Hoffnung beruhte. Die Perlen der Samm¬<lb/> lung von unvergänglichen Werte sind die Rede zum fünfundzwanzigjährigen<lb/> Regieruugsjubiläums Kaiser Wilhelms I. am 4. Januar 188L und der Aufsatz<lb/> "Zwei Kaiser" von 1888 mit der wundervollen Charakteristik Wilhelms I., seines<lb/> ^'eblingshelden. Im höchsten Maße gerade jetzt wieder beachtenswert sind aber anch die<lb/> chrer Zeit viel erörterten „Bemerkungen über unser Ghmuasialwesen" 1383 und<lb/> die „Zukunft des deutschen Gymnasiums" 1390, herzstärkende Worte noch heute<lb/> 5ur alle, die die Grundlagen unsrer höhern Bildung gegen alle bnrbarisirende Ver-<lb/> stcichung schützen wollen. Überhaupt, wer hoffärtig meint, die Grundanschauungen<lb/> ^eitschkcs seien ein überwundner Standpunkt, der ist in einem schweren Irrtum.<lb/> Zieles vou dem, was in diesem Bande steht, klingt, als wäre es für den heutigen<lb/> geschrieben, uur allzusehr fehlt es uns an Männern seines Gepräges, an vollen,<lb/> uugebrochnen Naturen, und in der grünenden Jugend ist leider von einem Nach¬<lb/> wuchs, der ihm auch nur das Wasser reichte, noch keine Spur zu entdecken. Um<lb/> >v notwendiger ist es, uns diesen Mann immer wieder zu vergegenwärtigen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0541]
Litteratur
Deutsche Kümpfe von L>. von Treitschke. Neue Folqe. Schriften zur Tagespolitik. Leipzig,
Hirzel, t8»»
Nur mit tiefer Wehmut kaun man diesen schlimm Band in die Hand nehmen,
denn er ist das Vermächtnis eines unvergeßlichen und unersetzlichen Toten. Zu¬
sammengefaßt sind darin ini ganzen neunundzwanzig Stücke aus den Jahren 1879
bis 1892, Aufsätze und Reden, die meist in den Preußischen Jahrbüchern er¬
schienen sind; manches ist auch bis jetzt ungedruckt geblieben, wie die Antwort, die
Treitschke am 19. November 1880 auf eine Studentenhnldignng gab, als er wegen
seiner Haltung in der Judenfrage öffentlich angegriffen worden war. Seitdem er
am 25. Juni 1889 aus eben diesem Grunde „Abschied" von den Preußischen
Jahrbüchern genommen hatte, an deren Leitung er seit dem Sommer 13(>6 be¬
teiligt gewesen war, hat er seine Stimme nur noch selten erhoben, fiir seine Freunde
und das Vaterland viel zu selten: es folgen jenem „Abschied" nur noch zwei Stücke.
In den hier mitgeteilten Aufsätzen und Reden aber verfolgt Treitschke alle wich¬
tigen deutschen Zeitfragen und Zeitereignisse, die auswärtige wie die innere Politik,
immer mit derselben mannhaften, stolzen, ehrlichen Gesinnung, immer mit klarem,
zuweilen geradezu prophetischem Blick, immer mit der Wärme des Patrioten, dem
es etwas Heiliges ist ums Vaterland, und der niemals irgend jemand schmeichelt,
weder einem Menschen noch einer Partei. Nach außen tritt er immer für ein
gutes Einvernehmen mit Rußland ein, anch nach der Gründung des Dreibundes,
und ist der entschiedenste Gegner Englands, dessen unnatürliche Vorherrschaft auf
dem Weltmeer und in der Weltwirtschaft zu breche» eine Aufgabe der Zukunft sei,
und nachdem er schon 1864 auf die Unmöglichkeit für ein großes Volk, sich auf
Europa zu beschränken, zum mitleidigen Entsetzen des altklugen Liberalismus aus¬
gesprochen, 1883 die unbedingte Notwendigkeit einer Kolonialpolitik für Deutschland
betont hat, begrüßt er zustimmend und freudig ihre Anfänge im Jahre 1334. Mit
tiefer Besorgnis erfüllt ihn der rasche Verfall des Reichstags, das Überwuchern
des Pnrteifnnntismus, der Sozialdemokratie, des Judentums, des Ultramontanis-
mus, des Platten Banausentums, der Staats- und bildungsfeindlichen Mächte, aber
unerschüttert hält er ihnen entgegen die Hoheit des Staats und der Nation, die
Freiheit der Wissenschaft (anch gegenüber der Presse), die nationale Gesinnung der
gebildeten Jngend, auf der seine beste Hoffnung beruhte. Die Perlen der Samm¬
lung von unvergänglichen Werte sind die Rede zum fünfundzwanzigjährigen
Regieruugsjubiläums Kaiser Wilhelms I. am 4. Januar 188L und der Aufsatz
"Zwei Kaiser" von 1888 mit der wundervollen Charakteristik Wilhelms I., seines
^'eblingshelden. Im höchsten Maße gerade jetzt wieder beachtenswert sind aber anch die
chrer Zeit viel erörterten „Bemerkungen über unser Ghmuasialwesen" 1383 und
die „Zukunft des deutschen Gymnasiums" 1390, herzstärkende Worte noch heute
5ur alle, die die Grundlagen unsrer höhern Bildung gegen alle bnrbarisirende Ver-
stcichung schützen wollen. Überhaupt, wer hoffärtig meint, die Grundanschauungen
^eitschkcs seien ein überwundner Standpunkt, der ist in einem schweren Irrtum.
Zieles vou dem, was in diesem Bande steht, klingt, als wäre es für den heutigen
geschrieben, uur allzusehr fehlt es uns an Männern seines Gepräges, an vollen,
uugebrochnen Naturen, und in der grünenden Jugend ist leider von einem Nach¬
wuchs, der ihm auch nur das Wasser reichte, noch keine Spur zu entdecken. Um
>v notwendiger ist es, uns diesen Mann immer wieder zu vergegenwärtigen.
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