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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts
v p. Lhr. Henrici on

as Verfahren, das bisher bei der Besetzung von Neichsgerichts-
stellen beobachtet worden ist, beruht nicht auf gesetzlicher Grund¬
lage. Die Ernennungen erfolgen natürlich durch den Kaiser auf
Grund eines Beschlusses des Bundesrath. Aber diesem Beschlusse
geht voraus, daß einer der Bundesstaaten zu einem Vorschlage
mifgefordert wird. Und von diesem Vorschlage wird nur abgewichen, wenn
sich dagegen ernstliche Bedenken geltend machen. Nur wenn die Besetzung
einer Stelle mit einem Neichsbeamten in Aussicht steht, mag vielleicht von
jener Aufforderung Abstand genommen werden.

Daß schon bei der ersten Besetzung des Reichsgerichts so verfahren
worden ist, nachdem man sich über die Zahl der Stellen verständigt hatte,
für die den einzelnen Bundesstaaten ein Vorschlagsrecht einzuräumen sei,
glaube ich mit Grund annehmen zu dürfen; wie ich denn auch aus guter
Quelle erfahren habe, daß bei einer Vermehrung der Mitgliederzahl des
Reichsgerichts darüber verhandelt wird, welchen der Bundesstaaten für die neu
hinzukommenden Stellen das Vorschlagsrecht zustehen solle.

Schon 1884 wurde in der Kölnischen Zeitung (vom 10. Oktober) in
einem Aufsatze, der die fünfjährige Thätigkeit des Reichsgerichts einer Kritik
unterzog, darauf hingewiesen, wie ungeeignet dies Verfahren sei, eine Bürg¬
schaft dafür zu bieten, daß dein Reichsgericht auch wirklich die besten zur Ver¬
fügung stehenden Kräfte zugeführt werden. Ausführlicher habe ich dann selbst,
damals (1885) Senatspräsident im Reichsgericht, die Frage in meiner kleinen
Schrift "Das deutsche Reichsgericht" (besondrer Abdruck aus dem vierund¬
zwanzigsten Band von Iherings Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen


Grenzboten IV 1896 W


Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts
v p. Lhr. Henrici on

as Verfahren, das bisher bei der Besetzung von Neichsgerichts-
stellen beobachtet worden ist, beruht nicht auf gesetzlicher Grund¬
lage. Die Ernennungen erfolgen natürlich durch den Kaiser auf
Grund eines Beschlusses des Bundesrath. Aber diesem Beschlusse
geht voraus, daß einer der Bundesstaaten zu einem Vorschlage
mifgefordert wird. Und von diesem Vorschlage wird nur abgewichen, wenn
sich dagegen ernstliche Bedenken geltend machen. Nur wenn die Besetzung
einer Stelle mit einem Neichsbeamten in Aussicht steht, mag vielleicht von
jener Aufforderung Abstand genommen werden.

Daß schon bei der ersten Besetzung des Reichsgerichts so verfahren
worden ist, nachdem man sich über die Zahl der Stellen verständigt hatte,
für die den einzelnen Bundesstaaten ein Vorschlagsrecht einzuräumen sei,
glaube ich mit Grund annehmen zu dürfen; wie ich denn auch aus guter
Quelle erfahren habe, daß bei einer Vermehrung der Mitgliederzahl des
Reichsgerichts darüber verhandelt wird, welchen der Bundesstaaten für die neu
hinzukommenden Stellen das Vorschlagsrecht zustehen solle.

Schon 1884 wurde in der Kölnischen Zeitung (vom 10. Oktober) in
einem Aufsatze, der die fünfjährige Thätigkeit des Reichsgerichts einer Kritik
unterzog, darauf hingewiesen, wie ungeeignet dies Verfahren sei, eine Bürg¬
schaft dafür zu bieten, daß dein Reichsgericht auch wirklich die besten zur Ver¬
fügung stehenden Kräfte zugeführt werden. Ausführlicher habe ich dann selbst,
damals (1885) Senatspräsident im Reichsgericht, die Frage in meiner kleinen
Schrift „Das deutsche Reichsgericht" (besondrer Abdruck aus dem vierund¬
zwanzigsten Band von Iherings Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen


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[0497] [Abbildung] Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts v p. Lhr. Henrici on as Verfahren, das bisher bei der Besetzung von Neichsgerichts- stellen beobachtet worden ist, beruht nicht auf gesetzlicher Grund¬ lage. Die Ernennungen erfolgen natürlich durch den Kaiser auf Grund eines Beschlusses des Bundesrath. Aber diesem Beschlusse geht voraus, daß einer der Bundesstaaten zu einem Vorschlage mifgefordert wird. Und von diesem Vorschlage wird nur abgewichen, wenn sich dagegen ernstliche Bedenken geltend machen. Nur wenn die Besetzung einer Stelle mit einem Neichsbeamten in Aussicht steht, mag vielleicht von jener Aufforderung Abstand genommen werden. Daß schon bei der ersten Besetzung des Reichsgerichts so verfahren worden ist, nachdem man sich über die Zahl der Stellen verständigt hatte, für die den einzelnen Bundesstaaten ein Vorschlagsrecht einzuräumen sei, glaube ich mit Grund annehmen zu dürfen; wie ich denn auch aus guter Quelle erfahren habe, daß bei einer Vermehrung der Mitgliederzahl des Reichsgerichts darüber verhandelt wird, welchen der Bundesstaaten für die neu hinzukommenden Stellen das Vorschlagsrecht zustehen solle. Schon 1884 wurde in der Kölnischen Zeitung (vom 10. Oktober) in einem Aufsatze, der die fünfjährige Thätigkeit des Reichsgerichts einer Kritik unterzog, darauf hingewiesen, wie ungeeignet dies Verfahren sei, eine Bürg¬ schaft dafür zu bieten, daß dein Reichsgericht auch wirklich die besten zur Ver¬ fügung stehenden Kräfte zugeführt werden. Ausführlicher habe ich dann selbst, damals (1885) Senatspräsident im Reichsgericht, die Frage in meiner kleinen Schrift „Das deutsche Reichsgericht" (besondrer Abdruck aus dem vierund¬ zwanzigsten Band von Iherings Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen Grenzboten IV 1896 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/497>, abgerufen am 04.01.2025.