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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Der heutige Gffizierersatz

n jüngster Zeit haben sich -- wohl angeregt durch die öftern
Ankündigungen einer bevorstehenden Erhöhung der Offizier¬
gehalte -- Tageszeitungen wie Flugschriften mehrfach mit der
Ergänzung und wissenschaftlichen Vorbildung des Offizierkorps
beschäftigt. Es ist das eine sehr erfreuliche Thatsache, denn sie
bedeutet einen Fortschritt. Obgleich das deutsche Reich unter den übrigen
Großmächten unzweifelhaft am meisten den Namen eines Mlitärstaats ver¬
dient, ist doch bei uns von den Einrichtungen des Heeres in der Öffentlichkeit
"ur selten die Rede. Über Paraden und große Truppenübungen werden zwar
regelmäßig Berichte gebracht, die in ihrer Eintönigkeit einander meist auss
Haar gleichen; ab und zu wird wohl auch ein grausiger Mißhandlungsfall
Licht gezogen, oder die Sommerhitze macht dem um bessern Stoff ver¬
legner Zeilenschreiber Mut, das alte Klagelied von der ungerechten Bevor¬
zugung des Adels von neuem anzustimmen. Aber von sachlichen Betrachtungen
über militärische Fragen bekommt das große Publikum fast nichts zu lesen --
wunderbar genng in einem Staate, dessen Bewohner sich voll Stolz rühmen, ein
^oll in Waffen zu sein! Die Hauptschuld daran, daß so viele falsche Ansichten
über militärische Verhältnisse in Umlauf kommen, daß es meist gehässige Federn
sind, die die öffentliche Meinung zu beeinflussen suchen, mag die überaus ängst¬
liche Zurückhaltung der Behörden tragen. Dinge, deren Geheimhaltung das
Dienstinteresse erfordert, sollen gewiß nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden,
"ber falsch wäre es doch, solche Fragen mit dem Schleier des Geheimnisses
on verhüllen, deren Lösung mit den Interessen des gesamten Volkes aufs engste
verknüpft ist. Die Ergänzung unsers Offizierkorps ist ohne Zweifel eine solche
Frage. Über ihren gegenwärtigen Stand giebt eine kürzlich erschienene kleine
Schrift: Ersatz und Heranbildung des deutschen Offizierkorps (Magde-


Grenzbotm IV I8S6 n,^


Der heutige Gffizierersatz

n jüngster Zeit haben sich — wohl angeregt durch die öftern
Ankündigungen einer bevorstehenden Erhöhung der Offizier¬
gehalte — Tageszeitungen wie Flugschriften mehrfach mit der
Ergänzung und wissenschaftlichen Vorbildung des Offizierkorps
beschäftigt. Es ist das eine sehr erfreuliche Thatsache, denn sie
bedeutet einen Fortschritt. Obgleich das deutsche Reich unter den übrigen
Großmächten unzweifelhaft am meisten den Namen eines Mlitärstaats ver¬
dient, ist doch bei uns von den Einrichtungen des Heeres in der Öffentlichkeit
"ur selten die Rede. Über Paraden und große Truppenübungen werden zwar
regelmäßig Berichte gebracht, die in ihrer Eintönigkeit einander meist auss
Haar gleichen; ab und zu wird wohl auch ein grausiger Mißhandlungsfall
Licht gezogen, oder die Sommerhitze macht dem um bessern Stoff ver¬
legner Zeilenschreiber Mut, das alte Klagelied von der ungerechten Bevor¬
zugung des Adels von neuem anzustimmen. Aber von sachlichen Betrachtungen
über militärische Fragen bekommt das große Publikum fast nichts zu lesen —
wunderbar genng in einem Staate, dessen Bewohner sich voll Stolz rühmen, ein
^oll in Waffen zu sein! Die Hauptschuld daran, daß so viele falsche Ansichten
über militärische Verhältnisse in Umlauf kommen, daß es meist gehässige Federn
sind, die die öffentliche Meinung zu beeinflussen suchen, mag die überaus ängst¬
liche Zurückhaltung der Behörden tragen. Dinge, deren Geheimhaltung das
Dienstinteresse erfordert, sollen gewiß nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden,
"ber falsch wäre es doch, solche Fragen mit dem Schleier des Geheimnisses
on verhüllen, deren Lösung mit den Interessen des gesamten Volkes aufs engste
verknüpft ist. Die Ergänzung unsers Offizierkorps ist ohne Zweifel eine solche
Frage. Über ihren gegenwärtigen Stand giebt eine kürzlich erschienene kleine
Schrift: Ersatz und Heranbildung des deutschen Offizierkorps (Magde-


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[0449] [Abbildung] Der heutige Gffizierersatz n jüngster Zeit haben sich — wohl angeregt durch die öftern Ankündigungen einer bevorstehenden Erhöhung der Offizier¬ gehalte — Tageszeitungen wie Flugschriften mehrfach mit der Ergänzung und wissenschaftlichen Vorbildung des Offizierkorps beschäftigt. Es ist das eine sehr erfreuliche Thatsache, denn sie bedeutet einen Fortschritt. Obgleich das deutsche Reich unter den übrigen Großmächten unzweifelhaft am meisten den Namen eines Mlitärstaats ver¬ dient, ist doch bei uns von den Einrichtungen des Heeres in der Öffentlichkeit "ur selten die Rede. Über Paraden und große Truppenübungen werden zwar regelmäßig Berichte gebracht, die in ihrer Eintönigkeit einander meist auss Haar gleichen; ab und zu wird wohl auch ein grausiger Mißhandlungsfall Licht gezogen, oder die Sommerhitze macht dem um bessern Stoff ver¬ legner Zeilenschreiber Mut, das alte Klagelied von der ungerechten Bevor¬ zugung des Adels von neuem anzustimmen. Aber von sachlichen Betrachtungen über militärische Fragen bekommt das große Publikum fast nichts zu lesen — wunderbar genng in einem Staate, dessen Bewohner sich voll Stolz rühmen, ein ^oll in Waffen zu sein! Die Hauptschuld daran, daß so viele falsche Ansichten über militärische Verhältnisse in Umlauf kommen, daß es meist gehässige Federn sind, die die öffentliche Meinung zu beeinflussen suchen, mag die überaus ängst¬ liche Zurückhaltung der Behörden tragen. Dinge, deren Geheimhaltung das Dienstinteresse erfordert, sollen gewiß nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden, "ber falsch wäre es doch, solche Fragen mit dem Schleier des Geheimnisses on verhüllen, deren Lösung mit den Interessen des gesamten Volkes aufs engste verknüpft ist. Die Ergänzung unsers Offizierkorps ist ohne Zweifel eine solche Frage. Über ihren gegenwärtigen Stand giebt eine kürzlich erschienene kleine Schrift: Ersatz und Heranbildung des deutschen Offizierkorps (Magde- Grenzbotm IV I8S6 n,^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/449>, abgerufen am 05.01.2025.