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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Anteil bis auf 1250 Mark weiter, wurde aber schleunigst Vorsitzender des Auf-
sichtsrcits, bezieht als solcher einen namhaften Gewinnanteil, verfügt täglich über
zwei Logensitze -- beherrscht eine ganze Welt von Interessen.

Auch den jetzigen Direktor Witte-Wild zieht Blumenreich in den Bereich seiner
Betrachtungen. Er erklärt ihn für einen guten Regisseur, aber schlechten Geschäfts¬
mann -- die Zukunft wird lehren, ob er Recht hat. Alles in allem genommen,
entrollt die Schrift ein zweifellos höchst interessantes, aber mich schreckenerregendes
Sittengemälde unsrer Zeit. Sie ist, wie man leicht zu erkennen vermag, mit dem
Herzblute eines in seinen kühnsten Hoffnungen getäuschten Mannes geschrieben, der,
unmittelbar vor dem Ziele seiner sehnsuchtsvollen, jahrelangen Träume und Wünsche
stehend, herabgerissen wurde in das wesenlose Nichts. Sie macht darum auch deu
Eindruck der Glaubwürdigkeit, und gerade dieser Umstand läßt die Schilderungen
und Charakterskizzen um so schärfer, abschreckender hervortrete". Da Herr Blumen¬
reich erklärt, seine Ansprüche auf dem Rechtswege zu verfolgen, und die angegriffnen
Mitglieder des Aufsichtsrats die Beleidigungsklage erhoben haben, so wird wohl
die Schrift und die Gründung des Theaters des Westens noch Gegenstand weiterer
H. Hk. Erörterungen bilden.


Kurze Autwort auf eine lange Quasselei.

Wie ich aus der mir zu¬
geschickte" Ur. 237 der Leipziger Volkszeitung ersehe, nimmt mirs Herr Franz
Mehring übel, daß ich seine Kritik meiner Volkswirtschaftslehre nicht mit einer
Antikritik beantwortet habe. Da überschätzt er denn doch meine Gutmütigkeit ganz
bedeutend; es fällt mir nicht ein, mich mit einem Manne in eine wissenschaftliche
Diskussion einzulassen, der seinen Lesern unter anderm vorredet, daß ich weder
Marx noch Nvdbertns kennte. Übrigens sind die Grenzboten nicht der Ort für
die Spitzfindigkeiten der marxistischen Scholastik. Wie weit meiner Ansicht nach
die marxische Wertlehre, die ich uach Mehring nicht verstehe, Geltung beanspruchen
darf, habe ich in der vorjährigen Ur. 27 S. 24 ff. darzustellen versucht, und da
wir das Ende des Streits um den Wert wohl nicht erleben werden, so wird sich
ja auch in Zukunft noch mancher Anlaß darbieten, auf deu Gegenstand zurück¬
Karl Ientsch zukommen, aber Mehringsche Ungezogenheiten sind kein Anlaß.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Will), Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Anteil bis auf 1250 Mark weiter, wurde aber schleunigst Vorsitzender des Auf-
sichtsrcits, bezieht als solcher einen namhaften Gewinnanteil, verfügt täglich über
zwei Logensitze — beherrscht eine ganze Welt von Interessen.

Auch den jetzigen Direktor Witte-Wild zieht Blumenreich in den Bereich seiner
Betrachtungen. Er erklärt ihn für einen guten Regisseur, aber schlechten Geschäfts¬
mann — die Zukunft wird lehren, ob er Recht hat. Alles in allem genommen,
entrollt die Schrift ein zweifellos höchst interessantes, aber mich schreckenerregendes
Sittengemälde unsrer Zeit. Sie ist, wie man leicht zu erkennen vermag, mit dem
Herzblute eines in seinen kühnsten Hoffnungen getäuschten Mannes geschrieben, der,
unmittelbar vor dem Ziele seiner sehnsuchtsvollen, jahrelangen Träume und Wünsche
stehend, herabgerissen wurde in das wesenlose Nichts. Sie macht darum auch deu
Eindruck der Glaubwürdigkeit, und gerade dieser Umstand läßt die Schilderungen
und Charakterskizzen um so schärfer, abschreckender hervortrete». Da Herr Blumen¬
reich erklärt, seine Ansprüche auf dem Rechtswege zu verfolgen, und die angegriffnen
Mitglieder des Aufsichtsrats die Beleidigungsklage erhoben haben, so wird wohl
die Schrift und die Gründung des Theaters des Westens noch Gegenstand weiterer
H. Hk. Erörterungen bilden.


Kurze Autwort auf eine lange Quasselei.

Wie ich aus der mir zu¬
geschickte» Ur. 237 der Leipziger Volkszeitung ersehe, nimmt mirs Herr Franz
Mehring übel, daß ich seine Kritik meiner Volkswirtschaftslehre nicht mit einer
Antikritik beantwortet habe. Da überschätzt er denn doch meine Gutmütigkeit ganz
bedeutend; es fällt mir nicht ein, mich mit einem Manne in eine wissenschaftliche
Diskussion einzulassen, der seinen Lesern unter anderm vorredet, daß ich weder
Marx noch Nvdbertns kennte. Übrigens sind die Grenzboten nicht der Ort für
die Spitzfindigkeiten der marxistischen Scholastik. Wie weit meiner Ansicht nach
die marxische Wertlehre, die ich uach Mehring nicht verstehe, Geltung beanspruchen
darf, habe ich in der vorjährigen Ur. 27 S. 24 ff. darzustellen versucht, und da
wir das Ende des Streits um den Wert wohl nicht erleben werden, so wird sich
ja auch in Zukunft noch mancher Anlaß darbieten, auf deu Gegenstand zurück¬
Karl Ientsch zukommen, aber Mehringsche Ungezogenheiten sind kein Anlaß.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Will), Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/208>, abgerufen am 05.01.2025.