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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands Lage

le Grenzboten haben wieder einmal Recht gehabt. In dem Artikel
"Die Knochen eines pommerschen Grenadiers" betonten wir, daß
es angesichts der fortschreitenden Zersetzung des türkischen Reichs
notwendig sei, ein deutsches Geschwader ins Mittelmeer zu senden,
und daß die deutsche Negierung den Sultan über ihre starke
Mißbilligung der armenischen Metzeleien nicht im Unklaren lassen dürfe. Beides
ist inzwischen geschehen. Das Geschwader ist unterwegs, obgleich es leider nur
aus ungepanzerten Kreuzerfregatten besteht, da unsre Marine eben nicht über
eine genügende Anzahl geeigneter Schiffe zum Außendienst zu verfügen scheint,
Und in Konstantinopel hat Herr von Saurma-Jeltsch sehr entschiedne Er¬
klärungen abgegeben, mit denen, wie es scheint, die Sendung des türkischen
Abgesandten Grumbkow Pascha nach Berlin in Verbindung steht. Inzwischen
verharrt die deutsche Presse ihrer Mehrzahl nach diesen Dingen gegenüber in
der kurzsichtigen, thörichten und schlaffen Haltung wie bisher, wenige rühm¬
liche Ausnahmen abgerechnet, wie die Preußischen Jahrbücher, die in ihrem
Oktoberhefte genau den Standpunkt einnehmen, wie die Grenzboten in jenem
Artikel. Ju allen Tonarten werden die Armenier als eine nichtswürdige
Bande von Vombenwerfern hingestellt, denen ganz recht geschehen sei, wenn
die schwer gereizten, gutmütigen Türken ihnen ein bischen übel mitgespielt
hätten, und der Friede wird wieder einmal als der Güter höchstes gepriesen,
der schwer gefährdet werde, wenn man die braven Türken durch Verwendung
für ihre christlichen Unterthanen etwa zu einem allgemeinen Christenmassakre reize.

Vor etwa siebzig Jahren -- es ist freilich für die Kenntnisse unsrer Durch¬
schnittspresse etwas lange her --, als sich die Griechen, die schwerlich viel höher
standen als die Armenier, gegen die Türken erhoben, da scholl ein Schrei der


Grenzboten IV 1S96 14


Deutschlands Lage

le Grenzboten haben wieder einmal Recht gehabt. In dem Artikel
„Die Knochen eines pommerschen Grenadiers" betonten wir, daß
es angesichts der fortschreitenden Zersetzung des türkischen Reichs
notwendig sei, ein deutsches Geschwader ins Mittelmeer zu senden,
und daß die deutsche Negierung den Sultan über ihre starke
Mißbilligung der armenischen Metzeleien nicht im Unklaren lassen dürfe. Beides
ist inzwischen geschehen. Das Geschwader ist unterwegs, obgleich es leider nur
aus ungepanzerten Kreuzerfregatten besteht, da unsre Marine eben nicht über
eine genügende Anzahl geeigneter Schiffe zum Außendienst zu verfügen scheint,
Und in Konstantinopel hat Herr von Saurma-Jeltsch sehr entschiedne Er¬
klärungen abgegeben, mit denen, wie es scheint, die Sendung des türkischen
Abgesandten Grumbkow Pascha nach Berlin in Verbindung steht. Inzwischen
verharrt die deutsche Presse ihrer Mehrzahl nach diesen Dingen gegenüber in
der kurzsichtigen, thörichten und schlaffen Haltung wie bisher, wenige rühm¬
liche Ausnahmen abgerechnet, wie die Preußischen Jahrbücher, die in ihrem
Oktoberhefte genau den Standpunkt einnehmen, wie die Grenzboten in jenem
Artikel. Ju allen Tonarten werden die Armenier als eine nichtswürdige
Bande von Vombenwerfern hingestellt, denen ganz recht geschehen sei, wenn
die schwer gereizten, gutmütigen Türken ihnen ein bischen übel mitgespielt
hätten, und der Friede wird wieder einmal als der Güter höchstes gepriesen,
der schwer gefährdet werde, wenn man die braven Türken durch Verwendung
für ihre christlichen Unterthanen etwa zu einem allgemeinen Christenmassakre reize.

Vor etwa siebzig Jahren — es ist freilich für die Kenntnisse unsrer Durch¬
schnittspresse etwas lange her —, als sich die Griechen, die schwerlich viel höher
standen als die Armenier, gegen die Türken erhoben, da scholl ein Schrei der


Grenzboten IV 1S96 14
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[0113] [Abbildung] Deutschlands Lage le Grenzboten haben wieder einmal Recht gehabt. In dem Artikel „Die Knochen eines pommerschen Grenadiers" betonten wir, daß es angesichts der fortschreitenden Zersetzung des türkischen Reichs notwendig sei, ein deutsches Geschwader ins Mittelmeer zu senden, und daß die deutsche Negierung den Sultan über ihre starke Mißbilligung der armenischen Metzeleien nicht im Unklaren lassen dürfe. Beides ist inzwischen geschehen. Das Geschwader ist unterwegs, obgleich es leider nur aus ungepanzerten Kreuzerfregatten besteht, da unsre Marine eben nicht über eine genügende Anzahl geeigneter Schiffe zum Außendienst zu verfügen scheint, Und in Konstantinopel hat Herr von Saurma-Jeltsch sehr entschiedne Er¬ klärungen abgegeben, mit denen, wie es scheint, die Sendung des türkischen Abgesandten Grumbkow Pascha nach Berlin in Verbindung steht. Inzwischen verharrt die deutsche Presse ihrer Mehrzahl nach diesen Dingen gegenüber in der kurzsichtigen, thörichten und schlaffen Haltung wie bisher, wenige rühm¬ liche Ausnahmen abgerechnet, wie die Preußischen Jahrbücher, die in ihrem Oktoberhefte genau den Standpunkt einnehmen, wie die Grenzboten in jenem Artikel. Ju allen Tonarten werden die Armenier als eine nichtswürdige Bande von Vombenwerfern hingestellt, denen ganz recht geschehen sei, wenn die schwer gereizten, gutmütigen Türken ihnen ein bischen übel mitgespielt hätten, und der Friede wird wieder einmal als der Güter höchstes gepriesen, der schwer gefährdet werde, wenn man die braven Türken durch Verwendung für ihre christlichen Unterthanen etwa zu einem allgemeinen Christenmassakre reize. Vor etwa siebzig Jahren — es ist freilich für die Kenntnisse unsrer Durch¬ schnittspresse etwas lange her —, als sich die Griechen, die schwerlich viel höher standen als die Armenier, gegen die Türken erhoben, da scholl ein Schrei der Grenzboten IV 1S96 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/113>, abgerufen am 05.01.2025.