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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

Komödie, als dem Sieger des Tages der Kranz aufgesetzt wurde? Nein, aus den
leuchtenden Augen der Knaben sprach es anders, als sie ihren Helden ans den
Schultern zur Krönung trugen; es klang anders ans dem "Deutschland, Deutsch¬
land über alles," das aus den Hunderten von jungen Kehlen scholl -- mein Sextaner
darunter --, nachdem bei der Preisverteilung unser lieber Rektor ein markiges
Wort zu seinen Jungen gesprochen hatte. Da sprang ein Funke in die jungen
Herzen, der fortglimmen wird; das fühlte man: die feiern ihr Sedan weiter; sie
werden wissen, was sie zu thun haben, wenn ihre Zeit nach ihnen fragt, und dies
matte Geschlecht, das Sedan nicht mehr feiern kann, dahin sein wird.

Überall in Deutschland regt es sich, Volksfeste zu schaffen, die den nationalen
Geist nähren und Begeisterung für große Ziele entflammen sollen, denn es gilt
auch für Deutschland noch, einen Preis zu erringen, den höchsten, den es noch
nicht hat. Und hier läßt man das eingehen, was doch der natürliche Keim eines
großen Volksfestes hätte sein können, hätte man ihn nur richtig gepflegt. "Olym¬
pische Spiele," womöglich internationale, vielleicht in Verbindung gebracht mit den
Bestrebungen zur "Hebung der Messe," ja -- aber dem Ehrentage Deutschlands --
ist er denn das nicht mehr? -- gönnt mau, sich uach fünfundzwanzig Jahren aus¬
zuleiern, und überläßt es den Veteranen, den Schulen und einzelnen Vereinen,
ob sie auf eigne Faust die Erinnerung wachhalten und den Arm zum Handeln
stähl I. G. en wollen. O Leipzig!




Litteratur

Skizzen aus dem Pfarrhause in Mnstland. Von C. E, van Koetsveld. Aus dem
Holländischen übersetzt von Dr. O. Kohlschmidt. Leipzig, Friedrich Jans", 18!)v

Von einem Buche, das uns Jahrzehnte nach seinem ersten Erscheinen in einer
Übersetzung geboten wird, darf man wohl annehmen, daß es sich als dauernd
wertvoll erwiesen hat. Der nun verstorbne Verfasser, der sich als Prediger
wie als Gelehrter in Holland einen bleibenden Namen geschaffen hat. ist besonders
durch seine Auslegung der Gleichnisse Jesu mich in Deutschland bekannt geworden.
Derselbe Verlag, der uns vor kurzem von diesem Werke eine Volksausgabe ge¬
boten hat, macht uus um mit den Skizzen aus dem Mastlander Pfarrhause be¬
kannt, die Koetsveld als junger Pfarrer beim Scheiden von dem Orte seiner ersten
Wirksamkeit geschrieben hat. und die heute zum festen Bestand des holländischen
Hmisbücherschatzes gehören.

Hinter dem schlichten Titel wird niemand mehr suchen, als er verspricht,
mancher aber vielleicht weniger, als dahinter zu finden ist. Gewaltige Schicksale
haben nicht an die Thür des Mastlauder Pfarrhauses gepocht, und Stürme großer
Leidenschaften haben seine Bewohner und Umwohner nicht erregt. Aber wer den
Blick und die Hand hat, ins volle Menschenleben hineinzugreifen, auch wo es
seinen Gang so stille geht wie in einem holländischen Dörfchen, der hat es noch
immer interessant gefunden und andern interessant gemacht. Und Koetsveld hat


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Komödie, als dem Sieger des Tages der Kranz aufgesetzt wurde? Nein, aus den
leuchtenden Augen der Knaben sprach es anders, als sie ihren Helden ans den
Schultern zur Krönung trugen; es klang anders ans dem „Deutschland, Deutsch¬
land über alles," das aus den Hunderten von jungen Kehlen scholl — mein Sextaner
darunter —, nachdem bei der Preisverteilung unser lieber Rektor ein markiges
Wort zu seinen Jungen gesprochen hatte. Da sprang ein Funke in die jungen
Herzen, der fortglimmen wird; das fühlte man: die feiern ihr Sedan weiter; sie
werden wissen, was sie zu thun haben, wenn ihre Zeit nach ihnen fragt, und dies
matte Geschlecht, das Sedan nicht mehr feiern kann, dahin sein wird.

Überall in Deutschland regt es sich, Volksfeste zu schaffen, die den nationalen
Geist nähren und Begeisterung für große Ziele entflammen sollen, denn es gilt
auch für Deutschland noch, einen Preis zu erringen, den höchsten, den es noch
nicht hat. Und hier läßt man das eingehen, was doch der natürliche Keim eines
großen Volksfestes hätte sein können, hätte man ihn nur richtig gepflegt. „Olym¬
pische Spiele," womöglich internationale, vielleicht in Verbindung gebracht mit den
Bestrebungen zur „Hebung der Messe," ja — aber dem Ehrentage Deutschlands —
ist er denn das nicht mehr? — gönnt mau, sich uach fünfundzwanzig Jahren aus¬
zuleiern, und überläßt es den Veteranen, den Schulen und einzelnen Vereinen,
ob sie auf eigne Faust die Erinnerung wachhalten und den Arm zum Handeln
stähl I. G. en wollen. O Leipzig!




Litteratur

Skizzen aus dem Pfarrhause in Mnstland. Von C. E, van Koetsveld. Aus dem
Holländischen übersetzt von Dr. O. Kohlschmidt. Leipzig, Friedrich Jans«, 18!)v

Von einem Buche, das uns Jahrzehnte nach seinem ersten Erscheinen in einer
Übersetzung geboten wird, darf man wohl annehmen, daß es sich als dauernd
wertvoll erwiesen hat. Der nun verstorbne Verfasser, der sich als Prediger
wie als Gelehrter in Holland einen bleibenden Namen geschaffen hat. ist besonders
durch seine Auslegung der Gleichnisse Jesu mich in Deutschland bekannt geworden.
Derselbe Verlag, der uns vor kurzem von diesem Werke eine Volksausgabe ge¬
boten hat, macht uus um mit den Skizzen aus dem Mastlander Pfarrhause be¬
kannt, die Koetsveld als junger Pfarrer beim Scheiden von dem Orte seiner ersten
Wirksamkeit geschrieben hat. und die heute zum festen Bestand des holländischen
Hmisbücherschatzes gehören.

Hinter dem schlichten Titel wird niemand mehr suchen, als er verspricht,
mancher aber vielleicht weniger, als dahinter zu finden ist. Gewaltige Schicksale
haben nicht an die Thür des Mastlauder Pfarrhauses gepocht, und Stürme großer
Leidenschaften haben seine Bewohner und Umwohner nicht erregt. Aber wer den
Blick und die Hand hat, ins volle Menschenleben hineinzugreifen, auch wo es
seinen Gang so stille geht wie in einem holländischen Dörfchen, der hat es noch
immer interessant gefunden und andern interessant gemacht. Und Koetsveld hat


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[0535] Litteratur Komödie, als dem Sieger des Tages der Kranz aufgesetzt wurde? Nein, aus den leuchtenden Augen der Knaben sprach es anders, als sie ihren Helden ans den Schultern zur Krönung trugen; es klang anders ans dem „Deutschland, Deutsch¬ land über alles," das aus den Hunderten von jungen Kehlen scholl — mein Sextaner darunter —, nachdem bei der Preisverteilung unser lieber Rektor ein markiges Wort zu seinen Jungen gesprochen hatte. Da sprang ein Funke in die jungen Herzen, der fortglimmen wird; das fühlte man: die feiern ihr Sedan weiter; sie werden wissen, was sie zu thun haben, wenn ihre Zeit nach ihnen fragt, und dies matte Geschlecht, das Sedan nicht mehr feiern kann, dahin sein wird. Überall in Deutschland regt es sich, Volksfeste zu schaffen, die den nationalen Geist nähren und Begeisterung für große Ziele entflammen sollen, denn es gilt auch für Deutschland noch, einen Preis zu erringen, den höchsten, den es noch nicht hat. Und hier läßt man das eingehen, was doch der natürliche Keim eines großen Volksfestes hätte sein können, hätte man ihn nur richtig gepflegt. „Olym¬ pische Spiele," womöglich internationale, vielleicht in Verbindung gebracht mit den Bestrebungen zur „Hebung der Messe," ja — aber dem Ehrentage Deutschlands — ist er denn das nicht mehr? — gönnt mau, sich uach fünfundzwanzig Jahren aus¬ zuleiern, und überläßt es den Veteranen, den Schulen und einzelnen Vereinen, ob sie auf eigne Faust die Erinnerung wachhalten und den Arm zum Handeln stähl I. G. en wollen. O Leipzig! Litteratur Skizzen aus dem Pfarrhause in Mnstland. Von C. E, van Koetsveld. Aus dem Holländischen übersetzt von Dr. O. Kohlschmidt. Leipzig, Friedrich Jans«, 18!)v Von einem Buche, das uns Jahrzehnte nach seinem ersten Erscheinen in einer Übersetzung geboten wird, darf man wohl annehmen, daß es sich als dauernd wertvoll erwiesen hat. Der nun verstorbne Verfasser, der sich als Prediger wie als Gelehrter in Holland einen bleibenden Namen geschaffen hat. ist besonders durch seine Auslegung der Gleichnisse Jesu mich in Deutschland bekannt geworden. Derselbe Verlag, der uns vor kurzem von diesem Werke eine Volksausgabe ge¬ boten hat, macht uus um mit den Skizzen aus dem Mastlander Pfarrhause be¬ kannt, die Koetsveld als junger Pfarrer beim Scheiden von dem Orte seiner ersten Wirksamkeit geschrieben hat. und die heute zum festen Bestand des holländischen Hmisbücherschatzes gehören. Hinter dem schlichten Titel wird niemand mehr suchen, als er verspricht, mancher aber vielleicht weniger, als dahinter zu finden ist. Gewaltige Schicksale haben nicht an die Thür des Mastlauder Pfarrhauses gepocht, und Stürme großer Leidenschaften haben seine Bewohner und Umwohner nicht erregt. Aber wer den Blick und die Hand hat, ins volle Menschenleben hineinzugreifen, auch wo es seinen Gang so stille geht wie in einem holländischen Dörfchen, der hat es noch immer interessant gefunden und andern interessant gemacht. Und Koetsveld hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/535>, abgerufen am 01.09.2024.