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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Gewiß! I'out va, bien, Wut og, trss bisn!

Sind das sonderbare Kcinze. sagen die Soldaten, als der Franzose mit vielen
Höflichkeiten von dannen getänzelt ist.

Sonderbare Kauze? ruft einer, der eben mit einer Tute Schnupftaback vom
Marketender heinikommt. Verwünschte Gauner sinds! Hat er mich nicht mit den,
halben Franken fortgeschickt, als ich ihm eben in deu Garten folgen wollte? Und
ich lasse mich auch wahrhaftig aus Gutmütigkeit fortschicken! Während dessen hat
er einen Schatz im Garten ausgegraben. Jetzt lacht er sich ins Fäustchen!

So wars aber gar nicht gewesen. Ausgegrabeu hatte der Franzose nichts,
wie ein Augenzeuge nachher aussagte. Nur in seinem Garten umgesehen hatte er
sich. Der war uun freilich von den Soldaten wie alle übrigen Gärten des
Belagerungsgttrtels schon vor Monaten um und um gewühlt worden, bis sie sich
dabei beruhigt hatten, hier liege nichts verscharrt. Jetzt war das Gegenteil klar;
aber wer will, wo Bäume, Stauden und Gemüse über einem solchen Fleckchen
Erde die harmlosesten Mienen machen, den Ort des Verstecks genau herausfinden?
Mags drum sein, war denn auch schließlich das Ende neuen Überlegens. Und
so bleibt der Schatz wohl, wo er liegt, bis Aulnay wieder von seinen rechtmäßigen
Besitzern bewohnt sein wird.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Bundes von der Woche.

Die zweite Februarwoche begann mit dem Protest
von 69 großen Städten Preußens gegen das Lehrerbesoldungsgesetz nud der Grün¬
dling eines preußischen Städtetages. Erfreulich ist die dadurch eingetretene Ver¬
schärfung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land freilich nicht, aber man kann
es den Magistraten nicht verargen, daß sie sich endlich einmal zur Abwehr der
agrarischen Angriffe ans die Interessen der städtischen Bevölkerung aufraffen. Wäre
es ihnen nicht'um bloße Abwehr, sondern um einen Angriff zu thun, so würden
sie sich im Vergleich mit dem Bunde der Landwirte sehr ungeschickt benommen
haben, denn sowohl in den Reden und Resolutionen wie in der an den Landtag
gerichteten Petition kommt nichts vor, was mit agitatorischer Kraft zu packen ge¬
eignet wäre. Nicht einmal das von Teos gesammelte Material, auf das, nachdem
es die Nationalzcitung abgedruckt hatte, die Berliner Korrespondenz einen mi߬
lungnen Angriff unternommen hat. haben sie verwertet. Teos ergänzt dieses Ma¬
terial in Ur. 20 der sozialen Praxis. Die Verwendung der Staatszuschüsse auf
dem Lande erinnert einigermaßen an die Schulz-Wecken. So hat einmal ein süd¬
deutscher Dorfschulze die Worte "zu Schulzwecken" gelesen und sich von dem Ertrage
einer Schulstiftuug Wecken backen lassen. In Ostelbien sind es nicht die Schulzen,
sondern die Rittergutsbesitzer, die so schön lesen können.

Die Jnterpellation Heyl wegen der Zustände in der Konfektion und Wäsche¬
fabrikation am 12. hat uns das seltne Schauspiel einer vollkommnen Einigkeit
aller Reichstagsfraktionen nnter sich und mit der Regierung beschert. Der Sozial¬
demokrat Fischer benahm sich dabei höchst ungeschickt und unpolitisch; anstatt sich


Grenzboten I 1396 50
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Gewiß! I'out va, bien, Wut og, trss bisn!

Sind das sonderbare Kcinze. sagen die Soldaten, als der Franzose mit vielen
Höflichkeiten von dannen getänzelt ist.

Sonderbare Kauze? ruft einer, der eben mit einer Tute Schnupftaback vom
Marketender heinikommt. Verwünschte Gauner sinds! Hat er mich nicht mit den,
halben Franken fortgeschickt, als ich ihm eben in deu Garten folgen wollte? Und
ich lasse mich auch wahrhaftig aus Gutmütigkeit fortschicken! Während dessen hat
er einen Schatz im Garten ausgegraben. Jetzt lacht er sich ins Fäustchen!

So wars aber gar nicht gewesen. Ausgegrabeu hatte der Franzose nichts,
wie ein Augenzeuge nachher aussagte. Nur in seinem Garten umgesehen hatte er
sich. Der war uun freilich von den Soldaten wie alle übrigen Gärten des
Belagerungsgttrtels schon vor Monaten um und um gewühlt worden, bis sie sich
dabei beruhigt hatten, hier liege nichts verscharrt. Jetzt war das Gegenteil klar;
aber wer will, wo Bäume, Stauden und Gemüse über einem solchen Fleckchen
Erde die harmlosesten Mienen machen, den Ort des Verstecks genau herausfinden?
Mags drum sein, war denn auch schließlich das Ende neuen Überlegens. Und
so bleibt der Schatz wohl, wo er liegt, bis Aulnay wieder von seinen rechtmäßigen
Besitzern bewohnt sein wird.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Bundes von der Woche.

Die zweite Februarwoche begann mit dem Protest
von 69 großen Städten Preußens gegen das Lehrerbesoldungsgesetz nud der Grün¬
dling eines preußischen Städtetages. Erfreulich ist die dadurch eingetretene Ver¬
schärfung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land freilich nicht, aber man kann
es den Magistraten nicht verargen, daß sie sich endlich einmal zur Abwehr der
agrarischen Angriffe ans die Interessen der städtischen Bevölkerung aufraffen. Wäre
es ihnen nicht'um bloße Abwehr, sondern um einen Angriff zu thun, so würden
sie sich im Vergleich mit dem Bunde der Landwirte sehr ungeschickt benommen
haben, denn sowohl in den Reden und Resolutionen wie in der an den Landtag
gerichteten Petition kommt nichts vor, was mit agitatorischer Kraft zu packen ge¬
eignet wäre. Nicht einmal das von Teos gesammelte Material, auf das, nachdem
es die Nationalzcitung abgedruckt hatte, die Berliner Korrespondenz einen mi߬
lungnen Angriff unternommen hat. haben sie verwertet. Teos ergänzt dieses Ma¬
terial in Ur. 20 der sozialen Praxis. Die Verwendung der Staatszuschüsse auf
dem Lande erinnert einigermaßen an die Schulz-Wecken. So hat einmal ein süd¬
deutscher Dorfschulze die Worte „zu Schulzwecken" gelesen und sich von dem Ertrage
einer Schulstiftuug Wecken backen lassen. In Ostelbien sind es nicht die Schulzen,
sondern die Rittergutsbesitzer, die so schön lesen können.

Die Jnterpellation Heyl wegen der Zustände in der Konfektion und Wäsche¬
fabrikation am 12. hat uns das seltne Schauspiel einer vollkommnen Einigkeit
aller Reichstagsfraktionen nnter sich und mit der Regierung beschert. Der Sozial¬
demokrat Fischer benahm sich dabei höchst ungeschickt und unpolitisch; anstatt sich


Grenzboten I 1396 50
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/401>, abgerufen am 01.09.2024.