Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Aus den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen
Ministers Gervais

er frühere luxemburgische Staatsminister Emmanuel Servais, der
von 1867 bis 1874 die Geschicke seines Vaterlandes unter be¬
sonders schwierigen Umstünden geleitet hat und am 17. Juni
1890 in Nauheim gestorben ist. hat schon 1879 eine Schrift ver¬
öffentlicht, die viel besprochen worden ist: I^s (Äanä Duelle as
IiuxembourA et 1s Iraite 6s Iivlläro8 An 11. viai 1867. In dieser Schrift
ist das Verhalten Luxemburgs während des deutschfranzösischen Kriegs und
in deu Verhandlungen mit Deutschland wegen des Betriebes der Wilhelm-
Luxemburgbahnen usw. aktenmäßig dargestellt und gerechtfertigt worden. Aber
Servais hat sich außerdem auch noch in einer Selbstbiographie, die er schon
1879 verfaßt hat, die aber erst jetzt veröffentlicht worden ist,") über den¬
selben Gegenstand ausführlicher und offenherziger ausgesprochen, als es in einer
Staatsschrift geschehen konnte. Aus diesen Denkwürdigkeiten erfahren wir
manches neue; insbesondre sehen wir hie und dn einen bisher unbekannten
Zusammenhang der Dinge.

Der verstorbne Oberpräsident A. Ernst v. Ernsthausen hat in seinen "Er¬
innerungen eines preußischen Beamten" erzählt, daß er im Januar 1871 nach
Versailles berufen worden sei und sich von dort im Auftrage des Bundes¬
kanzlers nach Luxemburg begeben habe, um dort eine Aufgabe zu erfüllen,
über die er keine nähern Mitteilungen macht. Daß es sich dabei um die Be¬
obachtung der Neutralität Luxemburgs gehandelt hat, ist allerdings von andrer
Seite bekannt geworden. Aus deu Erinnerungen von Servais erfahren wir nun
eine Menge von Einzelheiten. Wir geben sie am besten in zeitlicher Reihen¬
folge wieder, weil dadurch der innere Zusammenhang der Vorfülle deutlich
hervortritt, und lassen dabei Servais allein das Wort. Berichtigungen können
ja besser von unterrichteter Seite nachgebracht werden.

Servais übernahm das Ministerium am 3. Dezember 1867 als Nach¬
folger des Barons v. Torncico, mit dem er noch ans der Londoner Konferenz



*) ?udlioa,til>us do 1", Lsotlcm Instoi-i^us as 1'Instiwt ne I^vixvw-
Konr^, 4Z. Land, Z895. ^utobio^r^^es ceo teil U. innen-w. Lsrviüs, -"rieten winistrs ü'ZAat.


Aus den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen
Ministers Gervais

er frühere luxemburgische Staatsminister Emmanuel Servais, der
von 1867 bis 1874 die Geschicke seines Vaterlandes unter be¬
sonders schwierigen Umstünden geleitet hat und am 17. Juni
1890 in Nauheim gestorben ist. hat schon 1879 eine Schrift ver¬
öffentlicht, die viel besprochen worden ist: I^s (Äanä Duelle as
IiuxembourA et 1s Iraite 6s Iivlläro8 An 11. viai 1867. In dieser Schrift
ist das Verhalten Luxemburgs während des deutschfranzösischen Kriegs und
in deu Verhandlungen mit Deutschland wegen des Betriebes der Wilhelm-
Luxemburgbahnen usw. aktenmäßig dargestellt und gerechtfertigt worden. Aber
Servais hat sich außerdem auch noch in einer Selbstbiographie, die er schon
1879 verfaßt hat, die aber erst jetzt veröffentlicht worden ist,") über den¬
selben Gegenstand ausführlicher und offenherziger ausgesprochen, als es in einer
Staatsschrift geschehen konnte. Aus diesen Denkwürdigkeiten erfahren wir
manches neue; insbesondre sehen wir hie und dn einen bisher unbekannten
Zusammenhang der Dinge.

Der verstorbne Oberpräsident A. Ernst v. Ernsthausen hat in seinen „Er¬
innerungen eines preußischen Beamten" erzählt, daß er im Januar 1871 nach
Versailles berufen worden sei und sich von dort im Auftrage des Bundes¬
kanzlers nach Luxemburg begeben habe, um dort eine Aufgabe zu erfüllen,
über die er keine nähern Mitteilungen macht. Daß es sich dabei um die Be¬
obachtung der Neutralität Luxemburgs gehandelt hat, ist allerdings von andrer
Seite bekannt geworden. Aus deu Erinnerungen von Servais erfahren wir nun
eine Menge von Einzelheiten. Wir geben sie am besten in zeitlicher Reihen¬
folge wieder, weil dadurch der innere Zusammenhang der Vorfülle deutlich
hervortritt, und lassen dabei Servais allein das Wort. Berichtigungen können
ja besser von unterrichteter Seite nachgebracht werden.

Servais übernahm das Ministerium am 3. Dezember 1867 als Nach¬
folger des Barons v. Torncico, mit dem er noch ans der Londoner Konferenz



*) ?udlioa,til>us do 1», Lsotlcm Instoi-i^us as 1'Instiwt ne I^vixvw-
Konr^, 4Z. Land, Z895. ^utobio^r^^es ceo teil U. innen-w. Lsrviüs, -»rieten winistrs ü'ZAat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221835"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_221645/figures/grenzboten_341863_221645_221835_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen<lb/>
Ministers Gervais</head><lb/>
          <p xml:id="ID_574"> er frühere luxemburgische Staatsminister Emmanuel Servais, der<lb/>
von 1867 bis 1874 die Geschicke seines Vaterlandes unter be¬<lb/>
sonders schwierigen Umstünden geleitet hat und am 17. Juni<lb/>
1890 in Nauheim gestorben ist. hat schon 1879 eine Schrift ver¬<lb/>
öffentlicht, die viel besprochen worden ist: I^s (Äanä Duelle as<lb/>
IiuxembourA et 1s Iraite 6s Iivlläro8 An 11. viai 1867. In dieser Schrift<lb/>
ist das Verhalten Luxemburgs während des deutschfranzösischen Kriegs und<lb/>
in deu Verhandlungen mit Deutschland wegen des Betriebes der Wilhelm-<lb/>
Luxemburgbahnen usw. aktenmäßig dargestellt und gerechtfertigt worden. Aber<lb/>
Servais hat sich außerdem auch noch in einer Selbstbiographie, die er schon<lb/>
1879 verfaßt hat, die aber erst jetzt veröffentlicht worden ist,") über den¬<lb/>
selben Gegenstand ausführlicher und offenherziger ausgesprochen, als es in einer<lb/>
Staatsschrift geschehen konnte. Aus diesen Denkwürdigkeiten erfahren wir<lb/>
manches neue; insbesondre sehen wir hie und dn einen bisher unbekannten<lb/>
Zusammenhang der Dinge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_575"> Der verstorbne Oberpräsident A. Ernst v. Ernsthausen hat in seinen &#x201E;Er¬<lb/>
innerungen eines preußischen Beamten" erzählt, daß er im Januar 1871 nach<lb/>
Versailles berufen worden sei und sich von dort im Auftrage des Bundes¬<lb/>
kanzlers nach Luxemburg begeben habe, um dort eine Aufgabe zu erfüllen,<lb/>
über die er keine nähern Mitteilungen macht. Daß es sich dabei um die Be¬<lb/>
obachtung der Neutralität Luxemburgs gehandelt hat, ist allerdings von andrer<lb/>
Seite bekannt geworden. Aus deu Erinnerungen von Servais erfahren wir nun<lb/>
eine Menge von Einzelheiten. Wir geben sie am besten in zeitlicher Reihen¬<lb/>
folge wieder, weil dadurch der innere Zusammenhang der Vorfülle deutlich<lb/>
hervortritt, und lassen dabei Servais allein das Wort. Berichtigungen können<lb/>
ja besser von unterrichteter Seite nachgebracht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_576" next="#ID_577"> Servais übernahm das Ministerium am 3. Dezember 1867 als Nach¬<lb/>
folger des Barons v. Torncico, mit dem er noch ans der Londoner Konferenz</p><lb/>
          <note xml:id="FID_29" place="foot"> *) ?udlioa,til&gt;us do 1», Lsotlcm Instoi-i^us as 1'Instiwt ne I^vixvw-<lb/>
Konr^, 4Z. Land, Z895. ^utobio^r^^es ceo teil U. innen-w. Lsrviüs, -»rieten winistrs ü'ZAat.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0189] [Abbildung] Aus den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Gervais er frühere luxemburgische Staatsminister Emmanuel Servais, der von 1867 bis 1874 die Geschicke seines Vaterlandes unter be¬ sonders schwierigen Umstünden geleitet hat und am 17. Juni 1890 in Nauheim gestorben ist. hat schon 1879 eine Schrift ver¬ öffentlicht, die viel besprochen worden ist: I^s (Äanä Duelle as IiuxembourA et 1s Iraite 6s Iivlläro8 An 11. viai 1867. In dieser Schrift ist das Verhalten Luxemburgs während des deutschfranzösischen Kriegs und in deu Verhandlungen mit Deutschland wegen des Betriebes der Wilhelm- Luxemburgbahnen usw. aktenmäßig dargestellt und gerechtfertigt worden. Aber Servais hat sich außerdem auch noch in einer Selbstbiographie, die er schon 1879 verfaßt hat, die aber erst jetzt veröffentlicht worden ist,") über den¬ selben Gegenstand ausführlicher und offenherziger ausgesprochen, als es in einer Staatsschrift geschehen konnte. Aus diesen Denkwürdigkeiten erfahren wir manches neue; insbesondre sehen wir hie und dn einen bisher unbekannten Zusammenhang der Dinge. Der verstorbne Oberpräsident A. Ernst v. Ernsthausen hat in seinen „Er¬ innerungen eines preußischen Beamten" erzählt, daß er im Januar 1871 nach Versailles berufen worden sei und sich von dort im Auftrage des Bundes¬ kanzlers nach Luxemburg begeben habe, um dort eine Aufgabe zu erfüllen, über die er keine nähern Mitteilungen macht. Daß es sich dabei um die Be¬ obachtung der Neutralität Luxemburgs gehandelt hat, ist allerdings von andrer Seite bekannt geworden. Aus deu Erinnerungen von Servais erfahren wir nun eine Menge von Einzelheiten. Wir geben sie am besten in zeitlicher Reihen¬ folge wieder, weil dadurch der innere Zusammenhang der Vorfülle deutlich hervortritt, und lassen dabei Servais allein das Wort. Berichtigungen können ja besser von unterrichteter Seite nachgebracht werden. Servais übernahm das Ministerium am 3. Dezember 1867 als Nach¬ folger des Barons v. Torncico, mit dem er noch ans der Londoner Konferenz *) ?udlioa,til>us do 1», Lsotlcm Instoi-i^us as 1'Instiwt ne I^vixvw- Konr^, 4Z. Land, Z895. ^utobio^r^^es ceo teil U. innen-w. Lsrviüs, -»rieten winistrs ü'ZAat.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/189
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/189>, abgerufen am 21.11.2024.