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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Da5 Petroleum
v Theodor Vuimchen on
1^. Die Karolinger und neuere Gauner

" allen Blättern liest man jetzt Artikel, die sich mit dem drohenden
Weltmonopol des Petroleums beschäftigen. Einiges davon ist
wertvoll, das meiste aber wird, wie es scheint, nur von zweierlei
Leuten geschrieben. Erstens von solchen, die selber von der Sache
gar nichts verstehen, aber, wie über andre sehr wichtige Fragen,
auch hierüber schreiben; von diesen kann zwar weder Kenner noch Laie das
geringste lernen, aber sie wirken ja nicht gerade gefährlich. Gemeinschüdlich
dagegen ist die zweite Sorte; das sind die, die Wohl etwas von der Sache ver¬
stehen, ihre Wissenschaft aber nur dazu benutzen, das Publikum irre zu führen:
sie machen einfache Dinge abstrus, wie Carlhle sagt, sie brauen einen großen,
dichten Nebel zusammen, in dem der vertrauende Beschauer schließlich gar nicht
mehr zu erkennen vermag, worauf es ankommt.

Soeben habe ich einen solchen Artikel gelesen: Die große Bedeutung des
Petroleums sür die zivilisirte Welt -- die Standard-Ölkvmpagnie und ihre
überlegne Leitung -- die ihr zu dankenden technischen Fortschritte -- Petroleum
einst: Fässer, Lastwagen, grundlose Landwege, Segelschiffe, hohe Preise; Pe¬
troleum jetzt: Röhrenleitungen von vielen taufenden von Kilometern Länge,
Tankdampfer über den Ozean und die Flüsse hinauf bis in das Innere von
Deutschland, Tankwagen durch die Straßen der Städte bis in den Behälter
des Krämers, und jahrzehntelang unglaublich niedrige Preise trotz wesentlich
erhöhten Verbrauchs und verminderten Ölvorräten über der Erde -- aller¬
dings fast alle Konkurrenz umgebracht -- die Gefahr nicht zu leugnen, daß
die wirtschaftliche Macht mißbraucht werden könnte -- Gerüchte, daß sich Ru߬
land und Amerika in die Herrschaft der Welt teilen wollen, der russische Finanz-
minister aber vorläufig der Retter der Welt -- das Monopol wohl nicht zu
befürchten. Die Bohrthätigkcit in Pennsylvanien hat durch die hohen Preise,
die wir kürzlich eine Zeit lang hatten, an Ausdehnung gewonnen, deshalb
sind die Preise ja auch schon wieder gefallen. Immerhin verdient die Ange¬
legenheit die Aufmerksamkeit des Publikums und der Negierung. Rossi be-




Da5 Petroleum
v Theodor Vuimchen on
1^. Die Karolinger und neuere Gauner

» allen Blättern liest man jetzt Artikel, die sich mit dem drohenden
Weltmonopol des Petroleums beschäftigen. Einiges davon ist
wertvoll, das meiste aber wird, wie es scheint, nur von zweierlei
Leuten geschrieben. Erstens von solchen, die selber von der Sache
gar nichts verstehen, aber, wie über andre sehr wichtige Fragen,
auch hierüber schreiben; von diesen kann zwar weder Kenner noch Laie das
geringste lernen, aber sie wirken ja nicht gerade gefährlich. Gemeinschüdlich
dagegen ist die zweite Sorte; das sind die, die Wohl etwas von der Sache ver¬
stehen, ihre Wissenschaft aber nur dazu benutzen, das Publikum irre zu führen:
sie machen einfache Dinge abstrus, wie Carlhle sagt, sie brauen einen großen,
dichten Nebel zusammen, in dem der vertrauende Beschauer schließlich gar nicht
mehr zu erkennen vermag, worauf es ankommt.

Soeben habe ich einen solchen Artikel gelesen: Die große Bedeutung des
Petroleums sür die zivilisirte Welt — die Standard-Ölkvmpagnie und ihre
überlegne Leitung — die ihr zu dankenden technischen Fortschritte — Petroleum
einst: Fässer, Lastwagen, grundlose Landwege, Segelschiffe, hohe Preise; Pe¬
troleum jetzt: Röhrenleitungen von vielen taufenden von Kilometern Länge,
Tankdampfer über den Ozean und die Flüsse hinauf bis in das Innere von
Deutschland, Tankwagen durch die Straßen der Städte bis in den Behälter
des Krämers, und jahrzehntelang unglaublich niedrige Preise trotz wesentlich
erhöhten Verbrauchs und verminderten Ölvorräten über der Erde — aller¬
dings fast alle Konkurrenz umgebracht — die Gefahr nicht zu leugnen, daß
die wirtschaftliche Macht mißbraucht werden könnte — Gerüchte, daß sich Ru߬
land und Amerika in die Herrschaft der Welt teilen wollen, der russische Finanz-
minister aber vorläufig der Retter der Welt — das Monopol wohl nicht zu
befürchten. Die Bohrthätigkcit in Pennsylvanien hat durch die hohen Preise,
die wir kürzlich eine Zeit lang hatten, an Ausdehnung gewonnen, deshalb
sind die Preise ja auch schon wieder gefallen. Immerhin verdient die Ange¬
legenheit die Aufmerksamkeit des Publikums und der Negierung. Rossi be-


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[0317] [Abbildung] Da5 Petroleum v Theodor Vuimchen on 1^. Die Karolinger und neuere Gauner » allen Blättern liest man jetzt Artikel, die sich mit dem drohenden Weltmonopol des Petroleums beschäftigen. Einiges davon ist wertvoll, das meiste aber wird, wie es scheint, nur von zweierlei Leuten geschrieben. Erstens von solchen, die selber von der Sache gar nichts verstehen, aber, wie über andre sehr wichtige Fragen, auch hierüber schreiben; von diesen kann zwar weder Kenner noch Laie das geringste lernen, aber sie wirken ja nicht gerade gefährlich. Gemeinschüdlich dagegen ist die zweite Sorte; das sind die, die Wohl etwas von der Sache ver¬ stehen, ihre Wissenschaft aber nur dazu benutzen, das Publikum irre zu führen: sie machen einfache Dinge abstrus, wie Carlhle sagt, sie brauen einen großen, dichten Nebel zusammen, in dem der vertrauende Beschauer schließlich gar nicht mehr zu erkennen vermag, worauf es ankommt. Soeben habe ich einen solchen Artikel gelesen: Die große Bedeutung des Petroleums sür die zivilisirte Welt — die Standard-Ölkvmpagnie und ihre überlegne Leitung — die ihr zu dankenden technischen Fortschritte — Petroleum einst: Fässer, Lastwagen, grundlose Landwege, Segelschiffe, hohe Preise; Pe¬ troleum jetzt: Röhrenleitungen von vielen taufenden von Kilometern Länge, Tankdampfer über den Ozean und die Flüsse hinauf bis in das Innere von Deutschland, Tankwagen durch die Straßen der Städte bis in den Behälter des Krämers, und jahrzehntelang unglaublich niedrige Preise trotz wesentlich erhöhten Verbrauchs und verminderten Ölvorräten über der Erde — aller¬ dings fast alle Konkurrenz umgebracht — die Gefahr nicht zu leugnen, daß die wirtschaftliche Macht mißbraucht werden könnte — Gerüchte, daß sich Ru߬ land und Amerika in die Herrschaft der Welt teilen wollen, der russische Finanz- minister aber vorläufig der Retter der Welt — das Monopol wohl nicht zu befürchten. Die Bohrthätigkcit in Pennsylvanien hat durch die hohen Preise, die wir kürzlich eine Zeit lang hatten, an Ausdehnung gewonnen, deshalb sind die Preise ja auch schon wieder gefallen. Immerhin verdient die Ange¬ legenheit die Aufmerksamkeit des Publikums und der Negierung. Rossi be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/317>, abgerufen am 27.06.2024.