Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches rührten, die ihm allnächtlich angelegt würden und wohl nicht allzu bequem sitzen Ich hatte genng von der Erziehungsmethode der Anstalt gehört und sehnte Wer will es leugnen, daß alles Lebende nur in Freiheit gedeihen kann? Aber die Zeitungen vom 1. Jmmcir 1895 berichteten! Die Berliner Gefäng¬ Bttdernachrichten. 1. Aus Heiligendamm. Beim gestrigen Tanben- Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Maßgebliches und Unmaßgebliches rührten, die ihm allnächtlich angelegt würden und wohl nicht allzu bequem sitzen Ich hatte genng von der Erziehungsmethode der Anstalt gehört und sehnte Wer will es leugnen, daß alles Lebende nur in Freiheit gedeihen kann? Aber die Zeitungen vom 1. Jmmcir 1895 berichteten! Die Berliner Gefäng¬ Bttdernachrichten. 1. Aus Heiligendamm. Beim gestrigen Tanben- Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220678"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1511" prev="#ID_1510"> rührten, die ihm allnächtlich angelegt würden und wohl nicht allzu bequem sitzen<lb/> würden. „K. hat, so erzählte der Führer weiter, von der Konferenz, die aus deu<lb/> Oberbeamten, dem Pastor und dem Lehrer besteht, dreißig Hiebe zudiktirt be¬<lb/> kommen, nach eingegangnen Bericht an die Oberbehörde noch dreißig Hiebe Ver¬<lb/> schärfung erhalten, also im ganzen sechzig Hiebe. Die Hiebe werden von einem<lb/> kräftigen Aufseher mit dem Knntschn — einer etwa anderthalb Meter langen und<lb/> anderthalb Centimeter dicken, aus Lederstreifen gestochenen Peitsche mit kurzem,<lb/> hölzernem Stil — auf das Gesäß erteilt, nachdem der Sträfling in vornüber-<lb/> gebengter Stellung an den Füßen, über den Rücken, an dem Nacken und an den<lb/> Handgelenken mit Riemen auf den »Bock« fest geschnürt ist und vorher eine Hose<lb/> von dünnem Leinenstoff angezogen hat. Der Bock ist ein tischartiges Gestell, das<lb/> je nach der Größe des Sträflings höher oder niedriger gestellt werden kann, und<lb/> statt der hölzernen Platte mit starkem Leder überzogen ist, das an der Stelle, wo<lb/> der Leib anfliegt, nach unten gebogen oder abgerundet ist. Bei der Vollziehung<lb/> der Strafe tritt bereits uach dem fünften kräftigen Hiebe das Blut hervor. ..."</p><lb/> <p xml:id="ID_1512"> Ich hatte genng von der Erziehungsmethode der Anstalt gehört und sehnte<lb/> mich, nachdem ich die beiden Marterwerkzeuge, Bock und Kantschu, in Augenschein<lb/> genommen hatte, wieder nach frischer Luft und Sonnenschein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1513"> Wer will es leugnen, daß alles Lebende nur in Freiheit gedeihen kann?<lb/> Einen wild und verkehrt wachsenden Baum kann man Wohl beschneiden, aber ihm<lb/> die Freiheit, ihm Luft und Sonnenschein nehmen, heißt, ihn töten. Mit dem<lb/> Menschen ist es nicht anders. Durch körperliche Züchtigung, durch barbarische Mittel<lb/> wird kein erwachsener Mensch innerlich gebessert, höchstens kann man ihm sklavische<lb/> Furcht einjagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1514"> Aber die Zeitungen vom 1. Jmmcir 1895 berichteten! Die Berliner Gefäng¬<lb/> nisse sind schon wieder einmal überfüllt, und die Überführung von Gefangnen aus<lb/> Berlin in die Provinz hat von neuem begonnen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bttdernachrichten. 1. Aus Heiligendamm.</head> <p xml:id="ID_1515"> Beim gestrigen Tanben-<lb/> schießen errang Prinz Max zu Hohenlohe-Oehringen den von Sr. K. H. gestifteten<lb/> Ehrenpreis, bestehend in einer Krysiall-Sektkaraffe mit Goldfassung. Am Preis-<lb/> schießeu nahmen teil: Graf Tschirschky-Renard, Graf Hahn-Basedow, Herr v. Thiele-<lb/> Winkler-Vvllrathsrnhe, Prinz Max zu Hohenlohe, Herr v. Langen. Einsatz 3V M.<lb/> 6 Tauben. (Mecklenburger Nachrichten, 4. August.) Frische geschossene Tauben<lb/> empfiehlt ir Stück 30 Psge. Ed. Reuß, Steinstraße 4. Geschossene Tauben per<lb/> Stück 30 Psge. E. Wendt Co. (Rostocker Zeitung, 5. August.) — 2. Aus Ost¬<lb/> ende. Wollen Sie inmitten einer feinen Gesellschaft Zerstreuung suchen, wie man<lb/> solche selten antrifft, so brauchen Sie nur uach Ostende, der reizenden Badestadt<lb/> Belgiens, zu gehen. Sie finden daselbst alle möglichen Attraktionen, selbst die¬<lb/> jenigen wie in Monte-Carlo, die durch den Orelo ein La-M-ü offerirt werden.<lb/> Derselbe ist unter die 'hohe Aufsicht des Gemeinderath gestellt und wird jeden<lb/> Abend durch die zahlreichen Mitglieder stark besucht, die sich von den Ermüdungen<lb/> eines im freien zugebrachten Tages in dessen eleganten Salons auszuruhen wünschen.<lb/> Die Stunden fließen daselbst rasch dahin und wenn zuweilen bei Tagesanbruch (!)<lb/> geschlossen wird, zieht sich die Menge mit Bedanern zurück und jedermann giebt<lb/> sich Rendezvous für deu kommenden Tag. (Dresdner Journal, 9. August.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
rührten, die ihm allnächtlich angelegt würden und wohl nicht allzu bequem sitzen
würden. „K. hat, so erzählte der Führer weiter, von der Konferenz, die aus deu
Oberbeamten, dem Pastor und dem Lehrer besteht, dreißig Hiebe zudiktirt be¬
kommen, nach eingegangnen Bericht an die Oberbehörde noch dreißig Hiebe Ver¬
schärfung erhalten, also im ganzen sechzig Hiebe. Die Hiebe werden von einem
kräftigen Aufseher mit dem Knntschn — einer etwa anderthalb Meter langen und
anderthalb Centimeter dicken, aus Lederstreifen gestochenen Peitsche mit kurzem,
hölzernem Stil — auf das Gesäß erteilt, nachdem der Sträfling in vornüber-
gebengter Stellung an den Füßen, über den Rücken, an dem Nacken und an den
Handgelenken mit Riemen auf den »Bock« fest geschnürt ist und vorher eine Hose
von dünnem Leinenstoff angezogen hat. Der Bock ist ein tischartiges Gestell, das
je nach der Größe des Sträflings höher oder niedriger gestellt werden kann, und
statt der hölzernen Platte mit starkem Leder überzogen ist, das an der Stelle, wo
der Leib anfliegt, nach unten gebogen oder abgerundet ist. Bei der Vollziehung
der Strafe tritt bereits uach dem fünften kräftigen Hiebe das Blut hervor. ..."
Ich hatte genng von der Erziehungsmethode der Anstalt gehört und sehnte
mich, nachdem ich die beiden Marterwerkzeuge, Bock und Kantschu, in Augenschein
genommen hatte, wieder nach frischer Luft und Sonnenschein.
Wer will es leugnen, daß alles Lebende nur in Freiheit gedeihen kann?
Einen wild und verkehrt wachsenden Baum kann man Wohl beschneiden, aber ihm
die Freiheit, ihm Luft und Sonnenschein nehmen, heißt, ihn töten. Mit dem
Menschen ist es nicht anders. Durch körperliche Züchtigung, durch barbarische Mittel
wird kein erwachsener Mensch innerlich gebessert, höchstens kann man ihm sklavische
Furcht einjagen.
Aber die Zeitungen vom 1. Jmmcir 1895 berichteten! Die Berliner Gefäng¬
nisse sind schon wieder einmal überfüllt, und die Überführung von Gefangnen aus
Berlin in die Provinz hat von neuem begonnen.
Bttdernachrichten. 1. Aus Heiligendamm. Beim gestrigen Tanben-
schießen errang Prinz Max zu Hohenlohe-Oehringen den von Sr. K. H. gestifteten
Ehrenpreis, bestehend in einer Krysiall-Sektkaraffe mit Goldfassung. Am Preis-
schießeu nahmen teil: Graf Tschirschky-Renard, Graf Hahn-Basedow, Herr v. Thiele-
Winkler-Vvllrathsrnhe, Prinz Max zu Hohenlohe, Herr v. Langen. Einsatz 3V M.
6 Tauben. (Mecklenburger Nachrichten, 4. August.) Frische geschossene Tauben
empfiehlt ir Stück 30 Psge. Ed. Reuß, Steinstraße 4. Geschossene Tauben per
Stück 30 Psge. E. Wendt Co. (Rostocker Zeitung, 5. August.) — 2. Aus Ost¬
ende. Wollen Sie inmitten einer feinen Gesellschaft Zerstreuung suchen, wie man
solche selten antrifft, so brauchen Sie nur uach Ostende, der reizenden Badestadt
Belgiens, zu gehen. Sie finden daselbst alle möglichen Attraktionen, selbst die¬
jenigen wie in Monte-Carlo, die durch den Orelo ein La-M-ü offerirt werden.
Derselbe ist unter die 'hohe Aufsicht des Gemeinderath gestellt und wird jeden
Abend durch die zahlreichen Mitglieder stark besucht, die sich von den Ermüdungen
eines im freien zugebrachten Tages in dessen eleganten Salons auszuruhen wünschen.
Die Stunden fließen daselbst rasch dahin und wenn zuweilen bei Tagesanbruch (!)
geschlossen wird, zieht sich die Menge mit Bedanern zurück und jedermann giebt
sich Rendezvous für deu kommenden Tag. (Dresdner Journal, 9. August.)
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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