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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur
Immanuel Kant und die preußische Zensur. Nebst kleinern Beitrügen zur Lebens¬
geschichte Kants. Nach den Akten im Königlichen Geheimen Staatsarchiv zu Berlin. Von
i>r, Emil Fromm, Bibliothekar der Stadt Aachen. Hamburg und Leipzig, Leopold
Boß, 1894

Diese Schrift bringt eine aktenmäßige Darstellung der Mißhelligkeiten, in die
der große Philosoph durch die Veröffentlichung seiner "Religion in den Grenzen
der reinen Vernunft" unter dem neuen Wöllnerschen Regiment nach dem Re¬
gierungsantritt Friedrich Wilhelms II. geriet. Kant selbst hat noch (in der Bor¬
rede zum Streit der Fakultäten, 1798) eine historische Darstellung des Streites
mit wörtlicher Mitteilung der hauptsächlichen Schriftstücke geben können. Seitdem
ist die Sache öfter behandelt worden, zuletzt durch Dilthey im "Archiv für Ge¬
schichte der Philosophie," Bd. III. Auch das Aktenmaterial, sowie alle hierauf
bezüglichen Kantiana dürften nachgerade vollständig veröffentlicht sein. Dem Ver¬
fasser blieb also nur eine zusammenfassende Darstellung mit ausführlicherer Be¬
nutzung der Akten übrig, die er zum Teil als Jubiläumsschrift zum hundertjährigen
Gedenkjahr des Erscheinens der Schrift über Religion und zugleich zum dreihundcrt-
fünfzigjährigeu Bestehen der Königsberger Universität aufgefaßt wissen will. In
einem Falle wird die bestehende Auffassung und zwar zu Gunsten der preußischen
Zensoren berichtigt: daß nämlich die aufreizende "Predigt über 2. Timoth. 4, 17"
in der Berliner Monatsschrift vor dem Verbote der Kantischen Abhandlung er¬
schien und dazu wesentlich mitgewirkt haben könnte. Die Beilagen bringen ge¬
nauere Mitteilungen über Kants Bewerbung um eine Unterbibliothekarstelle, über
seine Kollegien, ihren Abschluß (Sommer 1796) und seine Gehaltsverhältnisse.


Sagen aus dem Lande Braunschweig. Gesammelt von Th. Vöges. Brannschwein, Benno
Goeritz, 1896

Die schlichte, treuherzige und knappe Form, in der hier über dreihundert noch un¬
gedruckte braunschweigische Sagen erzählt werden, ist ein Muster dafür, wie Sagen
erzählt werden sollen. Und dabei verzichtet der Stil des Buchs doch nicht ganz
auf individuelle Züge: ganz leise merkt man es an der größern oder geringern
Nüchternheit, an einer kleinen Dosis Urteil und Witz, an einer gelinden Neigung
zu mvrcilisirender Breite, wo etwa ein Dorfschullehrer, wo ein Mann aus dem
Volke, wie ein Hirt, ein Bahnwärter, ein Gastwirt, und wo etwa eine Frau eine
Geschichte beigesteuert hat. Welch ein erquickender, reiner Genuß auch für den
Erwachsenen, die Welt der Riesen und Zwerge, der Hexen und Teufelsbnuuer
wieder einmal um sich spielen zu sehen, sich wieder einmal von der Poesie der
Kreuzwege, der alten Burgen und Kirchen umweben zu lassen und vom wilden
Jäger, vom verwunschnem Burgfräulein und von dem Hund mit den glühenden
Augen erzählen zu hören!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur
Immanuel Kant und die preußische Zensur. Nebst kleinern Beitrügen zur Lebens¬
geschichte Kants. Nach den Akten im Königlichen Geheimen Staatsarchiv zu Berlin. Von
i>r, Emil Fromm, Bibliothekar der Stadt Aachen. Hamburg und Leipzig, Leopold
Boß, 1894

Diese Schrift bringt eine aktenmäßige Darstellung der Mißhelligkeiten, in die
der große Philosoph durch die Veröffentlichung seiner „Religion in den Grenzen
der reinen Vernunft" unter dem neuen Wöllnerschen Regiment nach dem Re¬
gierungsantritt Friedrich Wilhelms II. geriet. Kant selbst hat noch (in der Bor¬
rede zum Streit der Fakultäten, 1798) eine historische Darstellung des Streites
mit wörtlicher Mitteilung der hauptsächlichen Schriftstücke geben können. Seitdem
ist die Sache öfter behandelt worden, zuletzt durch Dilthey im „Archiv für Ge¬
schichte der Philosophie," Bd. III. Auch das Aktenmaterial, sowie alle hierauf
bezüglichen Kantiana dürften nachgerade vollständig veröffentlicht sein. Dem Ver¬
fasser blieb also nur eine zusammenfassende Darstellung mit ausführlicherer Be¬
nutzung der Akten übrig, die er zum Teil als Jubiläumsschrift zum hundertjährigen
Gedenkjahr des Erscheinens der Schrift über Religion und zugleich zum dreihundcrt-
fünfzigjährigeu Bestehen der Königsberger Universität aufgefaßt wissen will. In
einem Falle wird die bestehende Auffassung und zwar zu Gunsten der preußischen
Zensoren berichtigt: daß nämlich die aufreizende „Predigt über 2. Timoth. 4, 17"
in der Berliner Monatsschrift vor dem Verbote der Kantischen Abhandlung er¬
schien und dazu wesentlich mitgewirkt haben könnte. Die Beilagen bringen ge¬
nauere Mitteilungen über Kants Bewerbung um eine Unterbibliothekarstelle, über
seine Kollegien, ihren Abschluß (Sommer 1796) und seine Gehaltsverhältnisse.


Sagen aus dem Lande Braunschweig. Gesammelt von Th. Vöges. Brannschwein, Benno
Goeritz, 1896

Die schlichte, treuherzige und knappe Form, in der hier über dreihundert noch un¬
gedruckte braunschweigische Sagen erzählt werden, ist ein Muster dafür, wie Sagen
erzählt werden sollen. Und dabei verzichtet der Stil des Buchs doch nicht ganz
auf individuelle Züge: ganz leise merkt man es an der größern oder geringern
Nüchternheit, an einer kleinen Dosis Urteil und Witz, an einer gelinden Neigung
zu mvrcilisirender Breite, wo etwa ein Dorfschullehrer, wo ein Mann aus dem
Volke, wie ein Hirt, ein Bahnwärter, ein Gastwirt, und wo etwa eine Frau eine
Geschichte beigesteuert hat. Welch ein erquickender, reiner Genuß auch für den
Erwachsenen, die Welt der Riesen und Zwerge, der Hexen und Teufelsbnuuer
wieder einmal um sich spielen zu sehen, sich wieder einmal von der Poesie der
Kreuzwege, der alten Burgen und Kirchen umweben zu lassen und vom wilden
Jäger, vom verwunschnem Burgfräulein und von dem Hund mit den glühenden
Augen erzählen zu hören!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0208] Litteratur Immanuel Kant und die preußische Zensur. Nebst kleinern Beitrügen zur Lebens¬ geschichte Kants. Nach den Akten im Königlichen Geheimen Staatsarchiv zu Berlin. Von i>r, Emil Fromm, Bibliothekar der Stadt Aachen. Hamburg und Leipzig, Leopold Boß, 1894 Diese Schrift bringt eine aktenmäßige Darstellung der Mißhelligkeiten, in die der große Philosoph durch die Veröffentlichung seiner „Religion in den Grenzen der reinen Vernunft" unter dem neuen Wöllnerschen Regiment nach dem Re¬ gierungsantritt Friedrich Wilhelms II. geriet. Kant selbst hat noch (in der Bor¬ rede zum Streit der Fakultäten, 1798) eine historische Darstellung des Streites mit wörtlicher Mitteilung der hauptsächlichen Schriftstücke geben können. Seitdem ist die Sache öfter behandelt worden, zuletzt durch Dilthey im „Archiv für Ge¬ schichte der Philosophie," Bd. III. Auch das Aktenmaterial, sowie alle hierauf bezüglichen Kantiana dürften nachgerade vollständig veröffentlicht sein. Dem Ver¬ fasser blieb also nur eine zusammenfassende Darstellung mit ausführlicherer Be¬ nutzung der Akten übrig, die er zum Teil als Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Gedenkjahr des Erscheinens der Schrift über Religion und zugleich zum dreihundcrt- fünfzigjährigeu Bestehen der Königsberger Universität aufgefaßt wissen will. In einem Falle wird die bestehende Auffassung und zwar zu Gunsten der preußischen Zensoren berichtigt: daß nämlich die aufreizende „Predigt über 2. Timoth. 4, 17" in der Berliner Monatsschrift vor dem Verbote der Kantischen Abhandlung er¬ schien und dazu wesentlich mitgewirkt haben könnte. Die Beilagen bringen ge¬ nauere Mitteilungen über Kants Bewerbung um eine Unterbibliothekarstelle, über seine Kollegien, ihren Abschluß (Sommer 1796) und seine Gehaltsverhältnisse. Sagen aus dem Lande Braunschweig. Gesammelt von Th. Vöges. Brannschwein, Benno Goeritz, 1896 Die schlichte, treuherzige und knappe Form, in der hier über dreihundert noch un¬ gedruckte braunschweigische Sagen erzählt werden, ist ein Muster dafür, wie Sagen erzählt werden sollen. Und dabei verzichtet der Stil des Buchs doch nicht ganz auf individuelle Züge: ganz leise merkt man es an der größern oder geringern Nüchternheit, an einer kleinen Dosis Urteil und Witz, an einer gelinden Neigung zu mvrcilisirender Breite, wo etwa ein Dorfschullehrer, wo ein Mann aus dem Volke, wie ein Hirt, ein Bahnwärter, ein Gastwirt, und wo etwa eine Frau eine Geschichte beigesteuert hat. Welch ein erquickender, reiner Genuß auch für den Erwachsenen, die Welt der Riesen und Zwerge, der Hexen und Teufelsbnuuer wieder einmal um sich spielen zu sehen, sich wieder einmal von der Poesie der Kreuzwege, der alten Burgen und Kirchen umweben zu lassen und vom wilden Jäger, vom verwunschnem Burgfräulein und von dem Hund mit den glühenden Augen erzählen zu hören! Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/208>, abgerufen am 24.08.2024.