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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Der neueste ^laut der Homerulepolitil

IN 1. September ist die längste und hartnäckigste Redeschlacht, die
je in dem britischen Hanse der Gemeinen, der "Mutter der Par¬
lamente," getobt hat, zu Ende gekommen. Mit vierunddreißig
Stimmen Mehrheit ist die Bill "für die bessere Regierung Ir¬
lands," gewöhnlich Hvmernlebill genannt, zum drittenmal gelesen
morden. Am 8. September haben die Lords derselben Bill mit der über¬
wältigenden Mehrheit von 419 gegen 41 Stimmen die zweite Lesung verweigert
und damit uach viertägiger Debatte das Werk wieder zerstört, das die "Ge¬
meinen" in zweiuudachtzig Tagen aufgebaut hatten. Trotzdem ist nicht zu
leugnen, daß der Kampf, den die irische Nationalpartei nun seit 1870 für die
Unabhängigkeit Irlands fuhrt, und in dem sie 1886 Gladstone und mit ihm
den größer" Teil der liberalen Partei zu Bundesgenossen gewann, jetzt in ein
neues, entscheidendes Stadium getreten ist. Daß das Unterhaus einer Bill,
die den Grundsatz "Irland eine Nation" verkörpert, in aller Form seine Sanktion
erteilt hat, verleiht der ganzen irischen Bewegung eine Bedeutung, deren Ein¬
druck nicht so leicht wieder zu verwischen sein wird. Die Erfüllung des Traums
der irischen Nativnalpnrtei scheint von nun an nur noch eine Frage der Zeit
zu sein; uoch jede große Bill, so trösten sich die Homeruler, die das Unter¬
haus angenommen und die die liberale Partei auf ihre Fahne geschrieben hatte,
ist zuguderletzt trotz alles Widerstrebens der "Lords" Gesetz geworden. Ihr
Beto kann mir aufschiebend wirken. Die Lords sind sich auch, wie die eben
beendigte Debatte zeigt, der Grenzen ihrer Macht vollkommen bewußt: ihr
Beto muß dein ausgesprochnen Wille" des Volkes weichen. Kann mau aber
behaupten, das; die Homerulebill diesen hinter sich habe? In der That hat
das Oberhaus ein vou der Mehrheit der Volksvertretung genehmigtes Gesetz


Gre"zi'oder IV 18V 1


Der neueste ^laut der Homerulepolitil

IN 1. September ist die längste und hartnäckigste Redeschlacht, die
je in dem britischen Hanse der Gemeinen, der „Mutter der Par¬
lamente," getobt hat, zu Ende gekommen. Mit vierunddreißig
Stimmen Mehrheit ist die Bill „für die bessere Regierung Ir¬
lands," gewöhnlich Hvmernlebill genannt, zum drittenmal gelesen
morden. Am 8. September haben die Lords derselben Bill mit der über¬
wältigenden Mehrheit von 419 gegen 41 Stimmen die zweite Lesung verweigert
und damit uach viertägiger Debatte das Werk wieder zerstört, das die „Ge¬
meinen" in zweiuudachtzig Tagen aufgebaut hatten. Trotzdem ist nicht zu
leugnen, daß der Kampf, den die irische Nationalpartei nun seit 1870 für die
Unabhängigkeit Irlands fuhrt, und in dem sie 1886 Gladstone und mit ihm
den größer» Teil der liberalen Partei zu Bundesgenossen gewann, jetzt in ein
neues, entscheidendes Stadium getreten ist. Daß das Unterhaus einer Bill,
die den Grundsatz „Irland eine Nation" verkörpert, in aller Form seine Sanktion
erteilt hat, verleiht der ganzen irischen Bewegung eine Bedeutung, deren Ein¬
druck nicht so leicht wieder zu verwischen sein wird. Die Erfüllung des Traums
der irischen Nativnalpnrtei scheint von nun an nur noch eine Frage der Zeit
zu sein; uoch jede große Bill, so trösten sich die Homeruler, die das Unter¬
haus angenommen und die die liberale Partei auf ihre Fahne geschrieben hatte,
ist zuguderletzt trotz alles Widerstrebens der „Lords" Gesetz geworden. Ihr
Beto kann mir aufschiebend wirken. Die Lords sind sich auch, wie die eben
beendigte Debatte zeigt, der Grenzen ihrer Macht vollkommen bewußt: ihr
Beto muß dein ausgesprochnen Wille» des Volkes weichen. Kann mau aber
behaupten, das; die Homerulebill diesen hinter sich habe? In der That hat
das Oberhaus ein vou der Mehrheit der Volksvertretung genehmigtes Gesetz


Gre»zi'oder IV 18V 1
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/9>, abgerufen am 27.06.2024.