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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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im Bewußtsein seiner Kräfte sicher und unaufhaltsam vorwärts strebte, in dein
nichts stockte, nichts verloren ging in haltlosen Schwanken, in planloser Viel¬
geschäftigkeit oder in sinnloser Vergeudung. Wenn nun in den letzten Reden
die alte Forderung des Fürsten neugewandt wiederkehrt, daß in allen Organen,
die das Volk hat, in den Landtagen der Einzelstaaten, im Reichstag, überall
laut und öffentlich gesprochen werden soll über die Lebensinteressen der Nation,
damit sich nicht in büreaukratischer Schablone einengt, was frische Bewegung
des Volkes sein soll -- man wird in diesen Reden das gleiche große Erschauen
einer deutschen Nation erkennen, das früh in seiner schöpferischen politischen
Phantasie erschien, und dem unsre nationale Existenz entstammt. Eine deutsche
Nation in frischer Bewegung aller Kräfte sich selbst begreifend nnter den Völkern
und wachend über ihr Leben. Nur eins wurde anders. So lange er das
Bewußtsein Deutschlands war, nahm er uns einen Teil der Arbeit ab. Jetzt
müssen wir selber wachen. Jetzt gilt es, im Bewußtsein des Volkes verwirk¬
lichen, was in Bismarcks Thaten angelegt war.

So spricht es uns aus der kleinen Notiz der Hamburger Nachrichten wie
ein Hauch von dem Geiste Bismarcks an. Man wird erkennen, an welche
Adresse sie gerichtet ist. Mau wird fragen, ob eine Beziehung in dein Worte
liegt, daß auch für weniger einsichtige Politiker klar sein müsse, wie die Legende
die Intimität Frankreichs und Rußlands fördern werde. Es ist die Stimme, an
der Europa gehangen, die wie ein Sturm die Wipfel der Nationen durchweht
und gebeugt hat. Wie ist sie nun in den fernsten Blättern des Waldes fast
nur ein Lispeln, an dem mancher achtlos vorübergeht! Wer aber Größe in
der Seele trägt, wer für die Äußerungen eines vollen Lebens das feine Gehör
bewahrt, dem ist es die offenbarende Stimme noch wie einst, und er ver¬
nimmt das verklingende Wehen einer großen Zeit.




Kanonier ^chimansky
Line Iveihnachtsgeschichte

Feldwebel Rührte kannte sie alle ganz genenn er blickte mit zu-
saimnengelniffnen Augenbrauen die Front der aufmarschierten Kom^
Pagnie hinunter und holte seine Lieblinge, einen nach dein andern,
gleichsam mit den Angen aus den Gliedern heraus, ,W-^v sind denn nun meine Freunde, die zehn Höllenhunde, die morgen,
an heiligen Abend auf Wache ziehen? Mal vortreten!

Daedle doch noch ein Mann! rief er, als nur neun vortraten. Schwerenvt,
es war doch noch einer von den Brüdern zur Strafwciche bestimmt, die wegen der
Schlägerei mit den Füsilieren gemeldet waren. >


im Bewußtsein seiner Kräfte sicher und unaufhaltsam vorwärts strebte, in dein
nichts stockte, nichts verloren ging in haltlosen Schwanken, in planloser Viel¬
geschäftigkeit oder in sinnloser Vergeudung. Wenn nun in den letzten Reden
die alte Forderung des Fürsten neugewandt wiederkehrt, daß in allen Organen,
die das Volk hat, in den Landtagen der Einzelstaaten, im Reichstag, überall
laut und öffentlich gesprochen werden soll über die Lebensinteressen der Nation,
damit sich nicht in büreaukratischer Schablone einengt, was frische Bewegung
des Volkes sein soll — man wird in diesen Reden das gleiche große Erschauen
einer deutschen Nation erkennen, das früh in seiner schöpferischen politischen
Phantasie erschien, und dem unsre nationale Existenz entstammt. Eine deutsche
Nation in frischer Bewegung aller Kräfte sich selbst begreifend nnter den Völkern
und wachend über ihr Leben. Nur eins wurde anders. So lange er das
Bewußtsein Deutschlands war, nahm er uns einen Teil der Arbeit ab. Jetzt
müssen wir selber wachen. Jetzt gilt es, im Bewußtsein des Volkes verwirk¬
lichen, was in Bismarcks Thaten angelegt war.

So spricht es uns aus der kleinen Notiz der Hamburger Nachrichten wie
ein Hauch von dem Geiste Bismarcks an. Man wird erkennen, an welche
Adresse sie gerichtet ist. Mau wird fragen, ob eine Beziehung in dein Worte
liegt, daß auch für weniger einsichtige Politiker klar sein müsse, wie die Legende
die Intimität Frankreichs und Rußlands fördern werde. Es ist die Stimme, an
der Europa gehangen, die wie ein Sturm die Wipfel der Nationen durchweht
und gebeugt hat. Wie ist sie nun in den fernsten Blättern des Waldes fast
nur ein Lispeln, an dem mancher achtlos vorübergeht! Wer aber Größe in
der Seele trägt, wer für die Äußerungen eines vollen Lebens das feine Gehör
bewahrt, dem ist es die offenbarende Stimme noch wie einst, und er ver¬
nimmt das verklingende Wehen einer großen Zeit.




Kanonier ^chimansky
Line Iveihnachtsgeschichte

Feldwebel Rührte kannte sie alle ganz genenn er blickte mit zu-
saimnengelniffnen Augenbrauen die Front der aufmarschierten Kom^
Pagnie hinunter und holte seine Lieblinge, einen nach dein andern,
gleichsam mit den Angen aus den Gliedern heraus, ,W-^v sind denn nun meine Freunde, die zehn Höllenhunde, die morgen,
an heiligen Abend auf Wache ziehen? Mal vortreten!

Daedle doch noch ein Mann! rief er, als nur neun vortraten. Schwerenvt,
es war doch noch einer von den Brüdern zur Strafwciche bestimmt, die wegen der
Schlägerei mit den Füsilieren gemeldet waren. >


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[0643] im Bewußtsein seiner Kräfte sicher und unaufhaltsam vorwärts strebte, in dein nichts stockte, nichts verloren ging in haltlosen Schwanken, in planloser Viel¬ geschäftigkeit oder in sinnloser Vergeudung. Wenn nun in den letzten Reden die alte Forderung des Fürsten neugewandt wiederkehrt, daß in allen Organen, die das Volk hat, in den Landtagen der Einzelstaaten, im Reichstag, überall laut und öffentlich gesprochen werden soll über die Lebensinteressen der Nation, damit sich nicht in büreaukratischer Schablone einengt, was frische Bewegung des Volkes sein soll — man wird in diesen Reden das gleiche große Erschauen einer deutschen Nation erkennen, das früh in seiner schöpferischen politischen Phantasie erschien, und dem unsre nationale Existenz entstammt. Eine deutsche Nation in frischer Bewegung aller Kräfte sich selbst begreifend nnter den Völkern und wachend über ihr Leben. Nur eins wurde anders. So lange er das Bewußtsein Deutschlands war, nahm er uns einen Teil der Arbeit ab. Jetzt müssen wir selber wachen. Jetzt gilt es, im Bewußtsein des Volkes verwirk¬ lichen, was in Bismarcks Thaten angelegt war. So spricht es uns aus der kleinen Notiz der Hamburger Nachrichten wie ein Hauch von dem Geiste Bismarcks an. Man wird erkennen, an welche Adresse sie gerichtet ist. Mau wird fragen, ob eine Beziehung in dein Worte liegt, daß auch für weniger einsichtige Politiker klar sein müsse, wie die Legende die Intimität Frankreichs und Rußlands fördern werde. Es ist die Stimme, an der Europa gehangen, die wie ein Sturm die Wipfel der Nationen durchweht und gebeugt hat. Wie ist sie nun in den fernsten Blättern des Waldes fast nur ein Lispeln, an dem mancher achtlos vorübergeht! Wer aber Größe in der Seele trägt, wer für die Äußerungen eines vollen Lebens das feine Gehör bewahrt, dem ist es die offenbarende Stimme noch wie einst, und er ver¬ nimmt das verklingende Wehen einer großen Zeit. Kanonier ^chimansky Line Iveihnachtsgeschichte Feldwebel Rührte kannte sie alle ganz genenn er blickte mit zu- saimnengelniffnen Augenbrauen die Front der aufmarschierten Kom^ Pagnie hinunter und holte seine Lieblinge, einen nach dein andern, gleichsam mit den Angen aus den Gliedern heraus, ,W-^v sind denn nun meine Freunde, die zehn Höllenhunde, die morgen, an heiligen Abend auf Wache ziehen? Mal vortreten! Daedle doch noch ein Mann! rief er, als nur neun vortraten. Schwerenvt, es war doch noch einer von den Brüdern zur Strafwciche bestimmt, die wegen der Schlägerei mit den Füsilieren gemeldet waren. >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/643>, abgerufen am 27.06.2024.