Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.wird er dabei doch stets deutsch bleiben, auch sein Kosmopolitismus wird eine Im großen und ganzen braucht man, meiner bescheidnen Meinung nach, Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Behörden und der Mittelstand/ In einem Stück sind die Sozial- wird er dabei doch stets deutsch bleiben, auch sein Kosmopolitismus wird eine Im großen und ganzen braucht man, meiner bescheidnen Meinung nach, Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Behörden und der Mittelstand/ In einem Stück sind die Sozial- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215870"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_388" prev="#ID_387"> wird er dabei doch stets deutsch bleiben, auch sein Kosmopolitismus wird eine<lb/> deutsche Färbung tragen, und so kann man sich wohl in dieser Hinsicht be¬<lb/> ruhigen. So lange das deutsche Volk eigne Lebenskraft hat, wird es auch<lb/> deutsche Dichter haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_389"> Im großen und ganzen braucht man, meiner bescheidnen Meinung nach,<lb/> mit der jüngsten Entwicklung der deutschen Litteratur und mit ihrem gegen¬<lb/> wärtigen Stande nicht unzufrieden zu sein. Daß sie eine aufsteigende ist,<lb/> unterliegt schon aus rein logischen Gründen keinem Zweifel; wenn man unten<lb/> im Keller angelangt ist — und das war man, bildlich und wörtlich —, so<lb/> muß man natürlich wieder empor. Ob wir freilich so bald wieder ein<lb/> wirkliches Genie — auf einen Goethe müssen wir wohl von vornherein<lb/> verzichten — erhalten werden, möchte ich nicht ohne weiteres bejahen,<lb/> und daß alles, was uns die Entwicklung bringen wird, gerade gut sein<lb/> werde, dürfte auch der Kühnste nicht behaupten. Leben, Bewegung, Mut, auch<lb/> wirklich künstlerisches Streben ist aber sichtlich wieder da, und die bessern<lb/> Talente haben auch schon begriffen, daß es mit der Darstellung der Wirk¬<lb/> lichkeit, der Illustrirung von Einzelfällen nicht gethan ist, daß wir wieder<lb/> zum Typischen empor müssen, daß uns der oft bespöttelte „große Stil," der<lb/> auch im kleinsten zu Tage treten kann, nicht völlig verloren gehen darf. Jede<lb/> Dichtung, die dauern soll, muß sud sxseis ksterui geschaffen sein; so schufen<lb/> aber uicht bloß Shakespeare und Goethe, sondern anch noch Kleist, Hebbel<lb/> und Otto Ludwig, und mit diesen den unterbrochner Zusammenhang wieder<lb/> herzustellen, dürfte vielleicht das nächste Ziel der nun über den Sturm und<lb/> Drang hinansgekommenen deutschen Dichtung der Gegenwart sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <p xml:id="ID_390" next="#ID_391"> Die Behörden und der Mittelstand/ In einem Stück sind die Sozial-<lb/> demokraten und ihre Gegner einig: dnß nur die Vernichtung des Mittelstandes<lb/> ihren Plänen zur Verwirklichung verhelfen könnte. Deswegen begrüßen sie jedes<lb/> Anzeichen von dem Niedergange des Mittelstandes mit Freude», während bei den<lb/> einsichtigen und ehrlich patriotischen unter ihren Gegnern die Erhaltung und Kräf¬<lb/> tigung des Mittelstandes schon seit langem die Losung ist. Was thun nun die<lb/> Behörden, was thut der Staat für diesen Zweck? Abgesehen von den Bemühungen<lb/> um Neugründung kleinbäuerlicher Besitzungen im ostelbischen Preußen, die die höchste<lb/> Anerkennung verdienen, deren Erfolg aber nur ein Tropfen ans einen Heisler Stein<lb/> ist — nichts. Vielleicht können die Behörden auch gar nichts dazu thun, viel-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0146]
wird er dabei doch stets deutsch bleiben, auch sein Kosmopolitismus wird eine
deutsche Färbung tragen, und so kann man sich wohl in dieser Hinsicht be¬
ruhigen. So lange das deutsche Volk eigne Lebenskraft hat, wird es auch
deutsche Dichter haben.
Im großen und ganzen braucht man, meiner bescheidnen Meinung nach,
mit der jüngsten Entwicklung der deutschen Litteratur und mit ihrem gegen¬
wärtigen Stande nicht unzufrieden zu sein. Daß sie eine aufsteigende ist,
unterliegt schon aus rein logischen Gründen keinem Zweifel; wenn man unten
im Keller angelangt ist — und das war man, bildlich und wörtlich —, so
muß man natürlich wieder empor. Ob wir freilich so bald wieder ein
wirkliches Genie — auf einen Goethe müssen wir wohl von vornherein
verzichten — erhalten werden, möchte ich nicht ohne weiteres bejahen,
und daß alles, was uns die Entwicklung bringen wird, gerade gut sein
werde, dürfte auch der Kühnste nicht behaupten. Leben, Bewegung, Mut, auch
wirklich künstlerisches Streben ist aber sichtlich wieder da, und die bessern
Talente haben auch schon begriffen, daß es mit der Darstellung der Wirk¬
lichkeit, der Illustrirung von Einzelfällen nicht gethan ist, daß wir wieder
zum Typischen empor müssen, daß uns der oft bespöttelte „große Stil," der
auch im kleinsten zu Tage treten kann, nicht völlig verloren gehen darf. Jede
Dichtung, die dauern soll, muß sud sxseis ksterui geschaffen sein; so schufen
aber uicht bloß Shakespeare und Goethe, sondern anch noch Kleist, Hebbel
und Otto Ludwig, und mit diesen den unterbrochner Zusammenhang wieder
herzustellen, dürfte vielleicht das nächste Ziel der nun über den Sturm und
Drang hinansgekommenen deutschen Dichtung der Gegenwart sein.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Behörden und der Mittelstand/ In einem Stück sind die Sozial-
demokraten und ihre Gegner einig: dnß nur die Vernichtung des Mittelstandes
ihren Plänen zur Verwirklichung verhelfen könnte. Deswegen begrüßen sie jedes
Anzeichen von dem Niedergange des Mittelstandes mit Freude», während bei den
einsichtigen und ehrlich patriotischen unter ihren Gegnern die Erhaltung und Kräf¬
tigung des Mittelstandes schon seit langem die Losung ist. Was thun nun die
Behörden, was thut der Staat für diesen Zweck? Abgesehen von den Bemühungen
um Neugründung kleinbäuerlicher Besitzungen im ostelbischen Preußen, die die höchste
Anerkennung verdienen, deren Erfolg aber nur ein Tropfen ans einen Heisler Stein
ist — nichts. Vielleicht können die Behörden auch gar nichts dazu thun, viel-
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