Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.ZNIN Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten Ein ähnlicher, an manchen Orten üblicher, aber veralteter Nusdrnck der Ju¬ Bei einer Stelle der besprochnen Schrift ist mir doch in den Sinn ge¬ Zum Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten Linn Stutzer von mer unsrer hervorragendsten Historiker, Ottokar Lorenz in Jena, ZNIN Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten Ein ähnlicher, an manchen Orten üblicher, aber veralteter Nusdrnck der Ju¬ Bei einer Stelle der besprochnen Schrift ist mir doch in den Sinn ge¬ Zum Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten Linn Stutzer von mer unsrer hervorragendsten Historiker, Ottokar Lorenz in Jena, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215855"/> <fw type="header" place="top"> ZNIN Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten</fw><lb/> <p xml:id="ID_353" prev="#ID_352"> Ein ähnlicher, an manchen Orten üblicher, aber veralteter Nusdrnck der Ju¬<lb/> ristensprache ist: „in Entstehung der Güte." Das soll heißen: da eine güt¬<lb/> liche Einigung nicht zu stände gekommen ist. Wirklich wurde früher das Wort<lb/> „entstehen" in dem verneinenden Sinne wie sehlen, mangeln, ausbleiben, ver¬<lb/> sagen gebraucht. Heute aber versteht es niemand mehr in diesem Sinne; und<lb/> so ist der Ausdruck „in Entstehung der Güte" unverständliches Juristendeutsch.<lb/> Konnte mau willkürlich alte Ausdrücke wieder beleben, so könnte man auch<lb/> die Worte „Kummer" und „kümmern" wieder in die Rechtssprüche einführen,<lb/> die in frühern Jahrhunderten so viel bedeuteten wie Arrest, mit Arrest be¬<lb/> legen. Es wird aber nicht angehen, weil wir eben heute unter Kummer etwas<lb/> ganz andres verstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_354"> Bei einer Stelle der besprochnen Schrift ist mir doch in den Sinn ge¬<lb/> kommen, daß uns Juristen allen der Zopf hinten hängt. Der Verfasser hat<lb/> gewiß durch seine Schrift zeigen wollen, daß man auch als Jurist ein rich¬<lb/> tiges Deutsch schreiben könne. Auf S. 9 schreibt er nun: „Erklärlich wird<lb/> dies dadurch, daß zur Zeit der Absetzung des Urteils die Entscheidung" u. s. w.<lb/> Ist nnn „Absetzung des Urteils" richtiges Deutsch? Ich glaube, es ist nur<lb/> Juristendeutsch, insbesondre preußisches Juristeudeutsch. Denn von andern<lb/> als preußischen Juristen habe ich den Ausdruck niemals gehört. Woher stammt<lb/> er? Vielleicht aus der Druckerei. So wie der Schreiber eine Schrift abschreibt,<lb/> so sagt man vom Setzer, daß er das Manuskript absetze. Hier ist der Aus¬<lb/> druck richtig gebraucht und ganz verständlich. In der Juristensprache aber ist<lb/> er ein Mischling. Im gewöhnlichen Deutsch sagt man: ein Urteil wird ab¬<lb/> gefaßt oder aufgesetzt. Schiebt man nnn beide Wörter ineinander, so erhält<lb/> man: ab—gesetzt. Jedenfalls sollte, wenn einmal mit dem Juristendentsch<lb/> aufgeräumt werden soll, auch dieses unverständliche Wort ans den Index gesetzt<lb/> werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zum Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten<lb/><note type="byline"> Linn Stutzer</note> von </head><lb/> <p xml:id="ID_355" next="#ID_356"> mer unsrer hervorragendsten Historiker, Ottokar Lorenz in Jena,<lb/> hat sich in Heft 21 und 22 dieser Zeitschrift, infolge der Be¬<lb/> schlüsse der Historikerversammlung in München, über Zweck und<lb/> Betrieb des Geschichtsunterrichts an den Universitäten wie an<lb/> den höhern Lehranstalten ausgesprochen. Für die pädagogische<lb/> Seite hat er uach seiner eignen Erklärung „durchaus kein Interesse." Manche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0131]
ZNIN Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten
Ein ähnlicher, an manchen Orten üblicher, aber veralteter Nusdrnck der Ju¬
ristensprache ist: „in Entstehung der Güte." Das soll heißen: da eine güt¬
liche Einigung nicht zu stände gekommen ist. Wirklich wurde früher das Wort
„entstehen" in dem verneinenden Sinne wie sehlen, mangeln, ausbleiben, ver¬
sagen gebraucht. Heute aber versteht es niemand mehr in diesem Sinne; und
so ist der Ausdruck „in Entstehung der Güte" unverständliches Juristendeutsch.
Konnte mau willkürlich alte Ausdrücke wieder beleben, so könnte man auch
die Worte „Kummer" und „kümmern" wieder in die Rechtssprüche einführen,
die in frühern Jahrhunderten so viel bedeuteten wie Arrest, mit Arrest be¬
legen. Es wird aber nicht angehen, weil wir eben heute unter Kummer etwas
ganz andres verstehen.
Bei einer Stelle der besprochnen Schrift ist mir doch in den Sinn ge¬
kommen, daß uns Juristen allen der Zopf hinten hängt. Der Verfasser hat
gewiß durch seine Schrift zeigen wollen, daß man auch als Jurist ein rich¬
tiges Deutsch schreiben könne. Auf S. 9 schreibt er nun: „Erklärlich wird
dies dadurch, daß zur Zeit der Absetzung des Urteils die Entscheidung" u. s. w.
Ist nnn „Absetzung des Urteils" richtiges Deutsch? Ich glaube, es ist nur
Juristendeutsch, insbesondre preußisches Juristeudeutsch. Denn von andern
als preußischen Juristen habe ich den Ausdruck niemals gehört. Woher stammt
er? Vielleicht aus der Druckerei. So wie der Schreiber eine Schrift abschreibt,
so sagt man vom Setzer, daß er das Manuskript absetze. Hier ist der Aus¬
druck richtig gebraucht und ganz verständlich. In der Juristensprache aber ist
er ein Mischling. Im gewöhnlichen Deutsch sagt man: ein Urteil wird ab¬
gefaßt oder aufgesetzt. Schiebt man nnn beide Wörter ineinander, so erhält
man: ab—gesetzt. Jedenfalls sollte, wenn einmal mit dem Juristendentsch
aufgeräumt werden soll, auch dieses unverständliche Wort ans den Index gesetzt
werden.
Zum Geschichtsunterricht an den höhern Lehranstalten
Linn Stutzer von
mer unsrer hervorragendsten Historiker, Ottokar Lorenz in Jena,
hat sich in Heft 21 und 22 dieser Zeitschrift, infolge der Be¬
schlüsse der Historikerversammlung in München, über Zweck und
Betrieb des Geschichtsunterrichts an den Universitäten wie an
den höhern Lehranstalten ausgesprochen. Für die pädagogische
Seite hat er uach seiner eignen Erklärung „durchaus kein Interesse." Manche
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |