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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Da zog der Kollege ein kleines Beutelchen mit etwas Geld aus der Brust-
tasche, und indem er unser Schweigen unterbrach, fragte er mich: Könnte ich
das nicht der Freiheitsstatue da drüben an ihren ausgestreckten Arm hängen?

Das würde schwer sein, erwiderte ich. Der Arm ist so groß und so hoch,
daß das Publikum auf Wendeltreppen darin auf und ab geht. So klein das
Sümmchen auch ist, ich würde raten, unter amtlicher Niederlegung einer
Stiftungsurkunde für die Republik Mexiko einen Fonds daraus zu bilden für
die durch die Nickelrevolution Geschädigten.

Ob man das jetzt Wohl erlaubte? fragte er.

Gewiß, Gonzales ist längst nicht mehr am Ruder, und sein Gegner Por-
firio Dinz würde sich freuen, damit einen der schlechten Streiche der voran¬
gegangenen Regierung festzunageln.

Gut, so sei das der Kern zu einem Jnvalidenfonds in Mexico. Was man
sich doch alles für drei Mark dreißig Pfennige leisten kann! Der "Nickelfonds"
soll er heißen.

Sie waren ja nicht auf die Vezahluug angewiesen, erwiderte ich, aber die
vielen des Geldes oft recht bedürftigen Kandidaten der Medizin, die mit Dran-
setzung ihres Lebens jener Aufforderung gefolgt waren, wie werden die sich
zurückgestoßen gefühlt haben dnrch diese Behandlung des ärztlichen Standes?

Einige davon beschlossen, sofort umzusatteln und ein andres Fach zu er¬
greifen, sagte er, andre und nicht wenige schüttelten den Staub von ihren
Pantoffeln, wie man jetzt in Deutschland sagt, und suchten die neue Welt auf.

Das ist auch ein Gewinn, erwiderte ich, sie haben die alte Welt verloren
und finden dafür eine neue -- alles durch die drei Mark dreißig!




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Mecklenburger in Friedrichsruh.

Zwischen der Hauptwahl und
der Stichwahl -- denn so kann man unter den heutigen Verhältnissen bei der
übergroßen Zahl von Stichwahlen schon sagen -- waren Wohl über dreitausend
Mecklenburger in Friedrichsruh zusammengekommen, um dem Fürsten Bismarck eine
Huldigung darzubringen. Am 15. Juni war, wie es in den Zeitungen immer
heißt, die "Wahlschlacht" gewesen, an der sich auch die Mecklenburger als konser¬
vative, freisinnige, sozialdemokratische und andre Hilfstruppen beteiligt hatten, und
am folgenden Sonntag, am 18. Juni, hatten sich aus allen Teilen des Landes,
aus Dorf und Stadt, Anhänger verschiedner Parteien und Angehörige aller Stände
einmütig vor dem einfachen Herrenhause im Snchsenwalde zusammengefunden, um
allen kleinen Partei- und Jnteressenhader dort zu vergessen.


Da zog der Kollege ein kleines Beutelchen mit etwas Geld aus der Brust-
tasche, und indem er unser Schweigen unterbrach, fragte er mich: Könnte ich
das nicht der Freiheitsstatue da drüben an ihren ausgestreckten Arm hängen?

Das würde schwer sein, erwiderte ich. Der Arm ist so groß und so hoch,
daß das Publikum auf Wendeltreppen darin auf und ab geht. So klein das
Sümmchen auch ist, ich würde raten, unter amtlicher Niederlegung einer
Stiftungsurkunde für die Republik Mexiko einen Fonds daraus zu bilden für
die durch die Nickelrevolution Geschädigten.

Ob man das jetzt Wohl erlaubte? fragte er.

Gewiß, Gonzales ist längst nicht mehr am Ruder, und sein Gegner Por-
firio Dinz würde sich freuen, damit einen der schlechten Streiche der voran¬
gegangenen Regierung festzunageln.

Gut, so sei das der Kern zu einem Jnvalidenfonds in Mexico. Was man
sich doch alles für drei Mark dreißig Pfennige leisten kann! Der „Nickelfonds"
soll er heißen.

Sie waren ja nicht auf die Vezahluug angewiesen, erwiderte ich, aber die
vielen des Geldes oft recht bedürftigen Kandidaten der Medizin, die mit Dran-
setzung ihres Lebens jener Aufforderung gefolgt waren, wie werden die sich
zurückgestoßen gefühlt haben dnrch diese Behandlung des ärztlichen Standes?

Einige davon beschlossen, sofort umzusatteln und ein andres Fach zu er¬
greifen, sagte er, andre und nicht wenige schüttelten den Staub von ihren
Pantoffeln, wie man jetzt in Deutschland sagt, und suchten die neue Welt auf.

Das ist auch ein Gewinn, erwiderte ich, sie haben die alte Welt verloren
und finden dafür eine neue — alles durch die drei Mark dreißig!




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Mecklenburger in Friedrichsruh.

Zwischen der Hauptwahl und
der Stichwahl — denn so kann man unter den heutigen Verhältnissen bei der
übergroßen Zahl von Stichwahlen schon sagen — waren Wohl über dreitausend
Mecklenburger in Friedrichsruh zusammengekommen, um dem Fürsten Bismarck eine
Huldigung darzubringen. Am 15. Juni war, wie es in den Zeitungen immer
heißt, die „Wahlschlacht" gewesen, an der sich auch die Mecklenburger als konser¬
vative, freisinnige, sozialdemokratische und andre Hilfstruppen beteiligt hatten, und
am folgenden Sonntag, am 18. Juni, hatten sich aus allen Teilen des Landes,
aus Dorf und Stadt, Anhänger verschiedner Parteien und Angehörige aller Stände
einmütig vor dem einfachen Herrenhause im Snchsenwalde zusammengefunden, um
allen kleinen Partei- und Jnteressenhader dort zu vergessen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/96>, abgerufen am 23.11.2024.