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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beurteilung der Bodenreformbestrebungen

in Grenzboten haben Recht daran gethan, in der Frage der
Bvdenbesitzreform nach einem Vertreter der amerikanisch-englischen
Richtung auch einem Anhänger der deutschen Bewegung das
Wort zu geben. Unter den zahllosen Fragen, aus denen sich
die soziale Frage zusammensetzt, ist die, die sich mit der Lage
des Bauernstandes beschäftigt, nicht die geringste. Daß in einem Lande, wo
unter siebzehn Millionen Erwerbstätigen mehr als acht Millionen den Acker¬
bau oder ein verwandtes Gewerbe treiben, wo man den Wert des Grund
und Bodens auf etwa hundert Milliarden Mark, dagegen den der Fabriken
". f. w. auf etwa sieben Milliarde" geschätzt hat, das Wohl des ganzen Volkes
mit dem Bauernstande steht und fällt, darüber sind alle einig. Auch darin
stimmen die meisten überein, daß die Wellen der Not, die augenblicklich die
deutsche Landwirtschaft umgiebt, von Jahr zu Jahr höher gestiegen sind und
die halbunterwühlten Deiche vollends zu durchbrechen, das Ganze zu über¬
fluten drohen. Viele erklären sich bereit, zu helfen, aber über das Wie gehen
die Ansichten aus einander.

In einem solchen Augenblick erscheint es mehr als jemals geboten, die
Fragen, um die es sich handelt, und von deren Lösung man die Gesundung
des gefährlich erkrankten gesellschaftlichen Körpers erwartet, aller wissenschaft¬
lichen Trockenheit zu entkleiden. Bor kurzem wurde in einem angesehnen
Blatte gegen die gelehrten Nationalökonomen der Vorwurf erhoben, daß sie
die Ergebnisse ihrer Forschungen zu selten in einer Form vortrügen, durch
die der Gegenstand für unser an harte Denkkost nicht mehr gewöhntes Pu-^
blikum an Geschmack und Verdaulichkeit gewinne. Dieser Vorwurf ist im
allgemeinen nicht unberechtigt; selbst wer aus einem andern gelehrten Fache,
mis Jurist, Historiker oder Theologe, an volkswirtschaftliche Studien hinan-


Grenzbote" 111 18W 67


Zur Beurteilung der Bodenreformbestrebungen

in Grenzboten haben Recht daran gethan, in der Frage der
Bvdenbesitzreform nach einem Vertreter der amerikanisch-englischen
Richtung auch einem Anhänger der deutschen Bewegung das
Wort zu geben. Unter den zahllosen Fragen, aus denen sich
die soziale Frage zusammensetzt, ist die, die sich mit der Lage
des Bauernstandes beschäftigt, nicht die geringste. Daß in einem Lande, wo
unter siebzehn Millionen Erwerbstätigen mehr als acht Millionen den Acker¬
bau oder ein verwandtes Gewerbe treiben, wo man den Wert des Grund
und Bodens auf etwa hundert Milliarden Mark, dagegen den der Fabriken
». f. w. auf etwa sieben Milliarde» geschätzt hat, das Wohl des ganzen Volkes
mit dem Bauernstande steht und fällt, darüber sind alle einig. Auch darin
stimmen die meisten überein, daß die Wellen der Not, die augenblicklich die
deutsche Landwirtschaft umgiebt, von Jahr zu Jahr höher gestiegen sind und
die halbunterwühlten Deiche vollends zu durchbrechen, das Ganze zu über¬
fluten drohen. Viele erklären sich bereit, zu helfen, aber über das Wie gehen
die Ansichten aus einander.

In einem solchen Augenblick erscheint es mehr als jemals geboten, die
Fragen, um die es sich handelt, und von deren Lösung man die Gesundung
des gefährlich erkrankten gesellschaftlichen Körpers erwartet, aller wissenschaft¬
lichen Trockenheit zu entkleiden. Bor kurzem wurde in einem angesehnen
Blatte gegen die gelehrten Nationalökonomen der Vorwurf erhoben, daß sie
die Ergebnisse ihrer Forschungen zu selten in einer Form vortrügen, durch
die der Gegenstand für unser an harte Denkkost nicht mehr gewöhntes Pu-^
blikum an Geschmack und Verdaulichkeit gewinne. Dieser Vorwurf ist im
allgemeinen nicht unberechtigt; selbst wer aus einem andern gelehrten Fache,
mis Jurist, Historiker oder Theologe, an volkswirtschaftliche Studien hinan-


Grenzbote» 111 18W 67
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/537>, abgerufen am 23.11.2024.