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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Lharles Aingsley als Dichter und Sozialrcformer

der Gedanke getrieben habe, den wissenschaftlichen Wert seines Werkes zu er¬
höhen, sondern auch der Wunsch, die große transatlantische Republik dem
Verständnis und Urteil der Deutschen näher zu bringen; daher sei das Buch
nicht bloß sür Fachleute, sondern für alle bestimmt, die dem Lande ein ein¬
gehendes Studium widmen wollen. Er habe es immer als einen großen Vor¬
zug der Engländer empfunden, daß sie die Bereinigten Staaten mit der
behaglichen Vertrautheit Nächstverwandter beurteilen. "So nahe können wir
nicht heran-, wohl aber zu einem klarern Blick und einem vielleicht handlichem
Urteil kommen. Beide find jedem notwendig, der die wirtschaftlichen und
Politischen Entwicklungen der Gegenwart überhaupt verstehen will. Es läßt
sich sogar behaupten, daß sich heute an dem Verständnis für das, was in
Nordamerika vor sich geht und sich vorbereitet, das politische Verständnis
eines Volkes überhaupt messen lasse. Wir müssen sorgen, daß Deutschland,
das aus seiner Kenntnis der Vereinigten Staaten schon viel Nutzen gezogen
hat, in dieser Kenntnis von keinem Volke übertroffen werde." Wir wünschen
lebhaft, daß das Buch zur Erreichung dieses Zieles beitrage.




Charles Kingsley
als Dichter und Sozialreformer
von Lrnst Groth 1

eelsorger und Sportsman, Aristokrat und Bolksreduer, Land-
pfarrer und Kommunist, Geschichtschreiber und Naturforscher,
Universitätslehrer und Romanschriftsteller, Kunstkenner und Ge¬
sundheitsreformer, Sozialpvlitiker und lyrischer Dichter, das
sind ungefähr die Rollen, die Charles Kingsley in England in
seinein verhältnismäßig kurzen Leben gespielt hat.

Kein Wunder, daß die litterarische Kritik bis jetzt nicht recht gewußt
hat, was sie mit dieser vielgestaltigen Erscheinung, die jeder Einreihung in
irgend eine "Schule" spottet, anfangen sollte. Noch am richtigsten gewürdigt
haben ihn in Deutschland die Volkswirtschaftslehrer, wie Brentano und Schulze-
Gävernitz, die ihn als Schüler Carlhles, als Anhänger und Fürsprecher
der Chartisten und als Gründer des christlichen Sozialismus in England
behandelt haben. Auch unsre Theologen haben ihm ihre Aufmerksamkeit
zugewandt und ihn bald als bedeutenden Kanzelredner, bald als Verfasser
eines lehrreichen und fesselnden Romans aus der ersten Zeit des Christentums,


Lharles Aingsley als Dichter und Sozialrcformer

der Gedanke getrieben habe, den wissenschaftlichen Wert seines Werkes zu er¬
höhen, sondern auch der Wunsch, die große transatlantische Republik dem
Verständnis und Urteil der Deutschen näher zu bringen; daher sei das Buch
nicht bloß sür Fachleute, sondern für alle bestimmt, die dem Lande ein ein¬
gehendes Studium widmen wollen. Er habe es immer als einen großen Vor¬
zug der Engländer empfunden, daß sie die Bereinigten Staaten mit der
behaglichen Vertrautheit Nächstverwandter beurteilen. „So nahe können wir
nicht heran-, wohl aber zu einem klarern Blick und einem vielleicht handlichem
Urteil kommen. Beide find jedem notwendig, der die wirtschaftlichen und
Politischen Entwicklungen der Gegenwart überhaupt verstehen will. Es läßt
sich sogar behaupten, daß sich heute an dem Verständnis für das, was in
Nordamerika vor sich geht und sich vorbereitet, das politische Verständnis
eines Volkes überhaupt messen lasse. Wir müssen sorgen, daß Deutschland,
das aus seiner Kenntnis der Vereinigten Staaten schon viel Nutzen gezogen
hat, in dieser Kenntnis von keinem Volke übertroffen werde." Wir wünschen
lebhaft, daß das Buch zur Erreichung dieses Zieles beitrage.




Charles Kingsley
als Dichter und Sozialreformer
von Lrnst Groth 1

eelsorger und Sportsman, Aristokrat und Bolksreduer, Land-
pfarrer und Kommunist, Geschichtschreiber und Naturforscher,
Universitätslehrer und Romanschriftsteller, Kunstkenner und Ge¬
sundheitsreformer, Sozialpvlitiker und lyrischer Dichter, das
sind ungefähr die Rollen, die Charles Kingsley in England in
seinein verhältnismäßig kurzen Leben gespielt hat.

Kein Wunder, daß die litterarische Kritik bis jetzt nicht recht gewußt
hat, was sie mit dieser vielgestaltigen Erscheinung, die jeder Einreihung in
irgend eine „Schule" spottet, anfangen sollte. Noch am richtigsten gewürdigt
haben ihn in Deutschland die Volkswirtschaftslehrer, wie Brentano und Schulze-
Gävernitz, die ihn als Schüler Carlhles, als Anhänger und Fürsprecher
der Chartisten und als Gründer des christlichen Sozialismus in England
behandelt haben. Auch unsre Theologen haben ihm ihre Aufmerksamkeit
zugewandt und ihn bald als bedeutenden Kanzelredner, bald als Verfasser
eines lehrreichen und fesselnden Romans aus der ersten Zeit des Christentums,


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[0319] Lharles Aingsley als Dichter und Sozialrcformer der Gedanke getrieben habe, den wissenschaftlichen Wert seines Werkes zu er¬ höhen, sondern auch der Wunsch, die große transatlantische Republik dem Verständnis und Urteil der Deutschen näher zu bringen; daher sei das Buch nicht bloß sür Fachleute, sondern für alle bestimmt, die dem Lande ein ein¬ gehendes Studium widmen wollen. Er habe es immer als einen großen Vor¬ zug der Engländer empfunden, daß sie die Bereinigten Staaten mit der behaglichen Vertrautheit Nächstverwandter beurteilen. „So nahe können wir nicht heran-, wohl aber zu einem klarern Blick und einem vielleicht handlichem Urteil kommen. Beide find jedem notwendig, der die wirtschaftlichen und Politischen Entwicklungen der Gegenwart überhaupt verstehen will. Es läßt sich sogar behaupten, daß sich heute an dem Verständnis für das, was in Nordamerika vor sich geht und sich vorbereitet, das politische Verständnis eines Volkes überhaupt messen lasse. Wir müssen sorgen, daß Deutschland, das aus seiner Kenntnis der Vereinigten Staaten schon viel Nutzen gezogen hat, in dieser Kenntnis von keinem Volke übertroffen werde." Wir wünschen lebhaft, daß das Buch zur Erreichung dieses Zieles beitrage. Charles Kingsley als Dichter und Sozialreformer von Lrnst Groth 1 eelsorger und Sportsman, Aristokrat und Bolksreduer, Land- pfarrer und Kommunist, Geschichtschreiber und Naturforscher, Universitätslehrer und Romanschriftsteller, Kunstkenner und Ge¬ sundheitsreformer, Sozialpvlitiker und lyrischer Dichter, das sind ungefähr die Rollen, die Charles Kingsley in England in seinein verhältnismäßig kurzen Leben gespielt hat. Kein Wunder, daß die litterarische Kritik bis jetzt nicht recht gewußt hat, was sie mit dieser vielgestaltigen Erscheinung, die jeder Einreihung in irgend eine „Schule" spottet, anfangen sollte. Noch am richtigsten gewürdigt haben ihn in Deutschland die Volkswirtschaftslehrer, wie Brentano und Schulze- Gävernitz, die ihn als Schüler Carlhles, als Anhänger und Fürsprecher der Chartisten und als Gründer des christlichen Sozialismus in England behandelt haben. Auch unsre Theologen haben ihm ihre Aufmerksamkeit zugewandt und ihn bald als bedeutenden Kanzelredner, bald als Verfasser eines lehrreichen und fesselnden Romans aus der ersten Zeit des Christentums,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/319>, abgerufen am 23.11.2024.