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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Schwarzes Bret

Weiter sein als ein Mensch, der die Hülse der fremden Sprache mit leisem Scheerchen
von einem ausländischen Werke bloß abtrennt, sodaß es auf einmal als das,
was es ist, den Einheimischen erkennbar dasteht. Freilich erreicht er diese Idee
schon deshalb nicht, weil er nicht bloß nehmen, sondern auch geben und, wie der
Nhinoplast, eine fremde Hülse, sowie er die alte wegnimmt, substituiren, mithin ein
andres Sprachelement oder Verdunklungsprinzip einmischen muß. Aber lossteuern
muß er immer ans jene Idee." Ein erquickender Tropfen fremden Geistes in der
gelehrten Öde dieser "Studien" !




Schwarzes Bret

Die neumodische Unsitte der Offiziere, auf Vüchcrtiteln ihre Vornamen zu verschweigen,
geht fröhlich weiter. Soeben ist die Geschichte des sächsischen Infanterieregiments Ur. 107
-- der "Hnndertsiebner," wie man sie in Leipzig nennt -- erschienen, und auf dem Titel¬
blatte fleht: von Wagner, Sekondeleutnant u,s, w. Wir wiederholein in bibliographischen
Hilfsmitteln und in Bibliothckskatalogen sind solche Bücher so gut wie nicht vorhanden-
Wer das wünscht und beabsichtigt, der mache die Mode mit. Schließlich wird doch auch hier
die Vernunft wieder siegen.




Auf dem Umschlage des in unserm letzten Hefte erwähnten Führers durch Leipzig hat
sich auch ein "Kaufhaus größten sestes" empfohlen, das mit "Damen-, Herren- und Kinder-
moden (Moden!), Wäsche, Leinenwaren und Möbelstoffen" handelt. Am Kopfe der Em¬
pfehlung steht: "An Sonn- und christlichen Feiertagen vollständig geschlossen." Was soll
das heißen? Glaubt etwa der Geschäftsinhaber, wenn er vou Feiertagen schlechthin spräche,
so könnte man am Ende andre als christliche darunter verstehen? Ist Leipzig eine jüdische
oder eine türkische Stadt? Da hört doch wirklich alles auf.




Eine köstliche neue Volksetymologie liest man auf dem Burgberg in Loschwitz bei
Dresden; dort steht angeschlagen: "Zu den Abortemcnts für Herren!" Wenn das Umdrehen
erlebt hätte, wie würde der sich gefreut habe"! Wir wollen aber ja nicht darüber spotten,
denn in Leipzig betonen sämtliche Baugcwcrkeu (Maurermeister, Zimmermeister u. s. w.) den
Abort auf der zweiten Silbe, als ob er vom lateinischen u.bortv.8 herkäme. Kaum glaublich,
aber Thatsache! Wahre Thatsache, würden die Juristen sagen.




Herrn Dr. W. -- Sie haben Recht, es war ein 1-rxsus aals-mi, den der Setzer hätte
berichtigen können. Der "Wirrwarr," von dem der Einsender sprach, hatte uns selbst mit
angesteckt. Natürlich ist die Blutwärme mit 37 Grad nach Celsius angegeben; nach Roaumur
beträgt sie ja keine dreißig.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Schwarzes Bret

Weiter sein als ein Mensch, der die Hülse der fremden Sprache mit leisem Scheerchen
von einem ausländischen Werke bloß abtrennt, sodaß es auf einmal als das,
was es ist, den Einheimischen erkennbar dasteht. Freilich erreicht er diese Idee
schon deshalb nicht, weil er nicht bloß nehmen, sondern auch geben und, wie der
Nhinoplast, eine fremde Hülse, sowie er die alte wegnimmt, substituiren, mithin ein
andres Sprachelement oder Verdunklungsprinzip einmischen muß. Aber lossteuern
muß er immer ans jene Idee." Ein erquickender Tropfen fremden Geistes in der
gelehrten Öde dieser „Studien" !




Schwarzes Bret

Die neumodische Unsitte der Offiziere, auf Vüchcrtiteln ihre Vornamen zu verschweigen,
geht fröhlich weiter. Soeben ist die Geschichte des sächsischen Infanterieregiments Ur. 107
— der „Hnndertsiebner," wie man sie in Leipzig nennt — erschienen, und auf dem Titel¬
blatte fleht: von Wagner, Sekondeleutnant u,s, w. Wir wiederholein in bibliographischen
Hilfsmitteln und in Bibliothckskatalogen sind solche Bücher so gut wie nicht vorhanden-
Wer das wünscht und beabsichtigt, der mache die Mode mit. Schließlich wird doch auch hier
die Vernunft wieder siegen.




Auf dem Umschlage des in unserm letzten Hefte erwähnten Führers durch Leipzig hat
sich auch ein „Kaufhaus größten sestes" empfohlen, das mit „Damen-, Herren- und Kinder-
moden (Moden!), Wäsche, Leinenwaren und Möbelstoffen" handelt. Am Kopfe der Em¬
pfehlung steht: „An Sonn- und christlichen Feiertagen vollständig geschlossen." Was soll
das heißen? Glaubt etwa der Geschäftsinhaber, wenn er vou Feiertagen schlechthin spräche,
so könnte man am Ende andre als christliche darunter verstehen? Ist Leipzig eine jüdische
oder eine türkische Stadt? Da hört doch wirklich alles auf.




Eine köstliche neue Volksetymologie liest man auf dem Burgberg in Loschwitz bei
Dresden; dort steht angeschlagen: „Zu den Abortemcnts für Herren!" Wenn das Umdrehen
erlebt hätte, wie würde der sich gefreut habe»! Wir wollen aber ja nicht darüber spotten,
denn in Leipzig betonen sämtliche Baugcwcrkeu (Maurermeister, Zimmermeister u. s. w.) den
Abort auf der zweiten Silbe, als ob er vom lateinischen u.bortv.8 herkäme. Kaum glaublich,
aber Thatsache! Wahre Thatsache, würden die Juristen sagen.




Herrn Dr. W. — Sie haben Recht, es war ein 1-rxsus aals-mi, den der Setzer hätte
berichtigen können. Der „Wirrwarr," von dem der Einsender sprach, hatte uns selbst mit
angesteckt. Natürlich ist die Blutwärme mit 37 Grad nach Celsius angegeben; nach Roaumur
beträgt sie ja keine dreißig.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0296] Schwarzes Bret Weiter sein als ein Mensch, der die Hülse der fremden Sprache mit leisem Scheerchen von einem ausländischen Werke bloß abtrennt, sodaß es auf einmal als das, was es ist, den Einheimischen erkennbar dasteht. Freilich erreicht er diese Idee schon deshalb nicht, weil er nicht bloß nehmen, sondern auch geben und, wie der Nhinoplast, eine fremde Hülse, sowie er die alte wegnimmt, substituiren, mithin ein andres Sprachelement oder Verdunklungsprinzip einmischen muß. Aber lossteuern muß er immer ans jene Idee." Ein erquickender Tropfen fremden Geistes in der gelehrten Öde dieser „Studien" ! Schwarzes Bret Die neumodische Unsitte der Offiziere, auf Vüchcrtiteln ihre Vornamen zu verschweigen, geht fröhlich weiter. Soeben ist die Geschichte des sächsischen Infanterieregiments Ur. 107 — der „Hnndertsiebner," wie man sie in Leipzig nennt — erschienen, und auf dem Titel¬ blatte fleht: von Wagner, Sekondeleutnant u,s, w. Wir wiederholein in bibliographischen Hilfsmitteln und in Bibliothckskatalogen sind solche Bücher so gut wie nicht vorhanden- Wer das wünscht und beabsichtigt, der mache die Mode mit. Schließlich wird doch auch hier die Vernunft wieder siegen. Auf dem Umschlage des in unserm letzten Hefte erwähnten Führers durch Leipzig hat sich auch ein „Kaufhaus größten sestes" empfohlen, das mit „Damen-, Herren- und Kinder- moden (Moden!), Wäsche, Leinenwaren und Möbelstoffen" handelt. Am Kopfe der Em¬ pfehlung steht: „An Sonn- und christlichen Feiertagen vollständig geschlossen." Was soll das heißen? Glaubt etwa der Geschäftsinhaber, wenn er vou Feiertagen schlechthin spräche, so könnte man am Ende andre als christliche darunter verstehen? Ist Leipzig eine jüdische oder eine türkische Stadt? Da hört doch wirklich alles auf. Eine köstliche neue Volksetymologie liest man auf dem Burgberg in Loschwitz bei Dresden; dort steht angeschlagen: „Zu den Abortemcnts für Herren!" Wenn das Umdrehen erlebt hätte, wie würde der sich gefreut habe»! Wir wollen aber ja nicht darüber spotten, denn in Leipzig betonen sämtliche Baugcwcrkeu (Maurermeister, Zimmermeister u. s. w.) den Abort auf der zweiten Silbe, als ob er vom lateinischen u.bortv.8 herkäme. Kaum glaublich, aber Thatsache! Wahre Thatsache, würden die Juristen sagen. Herrn Dr. W. — Sie haben Recht, es war ein 1-rxsus aals-mi, den der Setzer hätte berichtigen können. Der „Wirrwarr," von dem der Einsender sprach, hatte uns selbst mit angesteckt. Natürlich ist die Blutwärme mit 37 Grad nach Celsius angegeben; nach Roaumur beträgt sie ja keine dreißig. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/296>, abgerufen am 23.11.2024.