Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Feldzugsbriefe
3. Aus dem deutsch-französischen Ariege
1

Wcmdsbeck, den 27/8. 70


Lieber Onkel,

ente Abend um halb zwölf Uhr gehe ich mit meiner Eskadron von
Altona aus mit der Bahn nach Homburg in der Pfalz. Die Fahrt
wird wohl siebzig Stunden dauern, dn wir, d. h. die ganze siebzehnte
Division, über Berlin gehen. Am 4. September soll dort ein
neues Korps unter dem Großherzog von Mecklenburg gebildet
werden, wir und eine Landwehrdivision. Wozu mau uns denn
gebrauchen wird, ist mir noch nicht klar. Ich würde mich freuen, wenn ich um
I . September vielleicht in Homburg i. d. Pf. einen Brief von dir vorfände.

Die Verluste sind ganz enorm, sehr viele alte Bekannte von mir sind gefallen,
doch hört man auch zum Glück manchen Totgesagten wieder als nur leicht ver¬
wundet nennen, so Ernst Unger, den ich schon recht beklagt hatte.

Kurz vordem wir die Ordre zum Ausrücken bekamen, habe ich meine alte Fuchs¬
stute für achtzig Friedrichsdor, was sie mich vor acht Jahren kostete, an den Herzog
von Altenburg verkauft; er war am andern Tage bei mir, um sich für das ihm
gebrachte Opfer zu bedanken. Hatte ich gewußt, daß wir so bald folgen würden,
hätte ich sie behalten. Obwohl in Friedenszeiten das Pferd mit sechzig Friedrichsdor
bezahlt gewesen wäre, so hat man mir doch von vielen Seiten gesagt, daß ich sie
nicht unter hundert hätte fortgehen sollen. Ich habe aus Planitz eine kleine fünf¬
jährige Fuchsstute vom Remus, die, angeritten, leidlich auf Kandare geht. Mein
Hvlderncß ist aber ganz sicher, und auf Sadowa kann ich mich auch verlassen, ob¬
wohl sie etwas heftig ist. Der alte Abdul Pascha wird wohl schon im Feuer
gewesen sein. Fran von H. schrieb hierher an ihres Mannes Bruder, sie hätte
den alten Hengst mit Wehmut scheiden sehen.


2

Biwnk bei Coureelle Chcmssy, zwei Meilen vor Metz,
3. Sept. 70

Lieber Onkel. Dienstag, den 30. vier Uhr nachmittags hatten nur unsre
Eisenbahnfahrt vollendet und kamen von Homburg aus nach Zweibrücken ins
Quartier. Am 31. Habkirchen an der Blies; durch eine Brücke verbunden mit
dein französischen Ufer, wo in Frauenberg unsre erste Eskadron lag. Am 1. Sep¬
tember mit Hurra über die Brücke und Grenze gegangen, den französischen Adler
begrüßt, nach Fvlschweiler ins Quartier. Gestern hierher ins Biwnk. Lehmboden,
etwas Regen, nachts kalt, schlechter Hafer. Pferde sind gesund. Sadowa reite




Feldzugsbriefe
3. Aus dem deutsch-französischen Ariege
1

Wcmdsbeck, den 27/8. 70


Lieber Onkel,

ente Abend um halb zwölf Uhr gehe ich mit meiner Eskadron von
Altona aus mit der Bahn nach Homburg in der Pfalz. Die Fahrt
wird wohl siebzig Stunden dauern, dn wir, d. h. die ganze siebzehnte
Division, über Berlin gehen. Am 4. September soll dort ein
neues Korps unter dem Großherzog von Mecklenburg gebildet
werden, wir und eine Landwehrdivision. Wozu mau uns denn
gebrauchen wird, ist mir noch nicht klar. Ich würde mich freuen, wenn ich um
I . September vielleicht in Homburg i. d. Pf. einen Brief von dir vorfände.

Die Verluste sind ganz enorm, sehr viele alte Bekannte von mir sind gefallen,
doch hört man auch zum Glück manchen Totgesagten wieder als nur leicht ver¬
wundet nennen, so Ernst Unger, den ich schon recht beklagt hatte.

Kurz vordem wir die Ordre zum Ausrücken bekamen, habe ich meine alte Fuchs¬
stute für achtzig Friedrichsdor, was sie mich vor acht Jahren kostete, an den Herzog
von Altenburg verkauft; er war am andern Tage bei mir, um sich für das ihm
gebrachte Opfer zu bedanken. Hatte ich gewußt, daß wir so bald folgen würden,
hätte ich sie behalten. Obwohl in Friedenszeiten das Pferd mit sechzig Friedrichsdor
bezahlt gewesen wäre, so hat man mir doch von vielen Seiten gesagt, daß ich sie
nicht unter hundert hätte fortgehen sollen. Ich habe aus Planitz eine kleine fünf¬
jährige Fuchsstute vom Remus, die, angeritten, leidlich auf Kandare geht. Mein
Hvlderncß ist aber ganz sicher, und auf Sadowa kann ich mich auch verlassen, ob¬
wohl sie etwas heftig ist. Der alte Abdul Pascha wird wohl schon im Feuer
gewesen sein. Fran von H. schrieb hierher an ihres Mannes Bruder, sie hätte
den alten Hengst mit Wehmut scheiden sehen.


2

Biwnk bei Coureelle Chcmssy, zwei Meilen vor Metz,
3. Sept. 70

Lieber Onkel. Dienstag, den 30. vier Uhr nachmittags hatten nur unsre
Eisenbahnfahrt vollendet und kamen von Homburg aus nach Zweibrücken ins
Quartier. Am 31. Habkirchen an der Blies; durch eine Brücke verbunden mit
dein französischen Ufer, wo in Frauenberg unsre erste Eskadron lag. Am 1. Sep¬
tember mit Hurra über die Brücke und Grenze gegangen, den französischen Adler
begrüßt, nach Fvlschweiler ins Quartier. Gestern hierher ins Biwnk. Lehmboden,
etwas Regen, nachts kalt, schlechter Hafer. Pferde sind gesund. Sadowa reite


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214576"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_214455/figures/grenzboten_341857_214455_214576_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Feldzugsbriefe<lb/>
3. Aus dem deutsch-französischen Ariege</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 1</head><lb/>
            <p xml:id="ID_445"> Wcmdsbeck, den 27/8. 70</p><lb/>
            <note type="salute"> Lieber Onkel,</note><lb/>
            <p xml:id="ID_446"> ente Abend um halb zwölf Uhr gehe ich mit meiner Eskadron von<lb/>
Altona aus mit der Bahn nach Homburg in der Pfalz. Die Fahrt<lb/>
wird wohl siebzig Stunden dauern, dn wir, d. h. die ganze siebzehnte<lb/>
Division, über Berlin gehen. Am 4. September soll dort ein<lb/>
neues Korps unter dem Großherzog von Mecklenburg gebildet<lb/>
werden, wir und eine Landwehrdivision. Wozu mau uns denn<lb/>
gebrauchen wird, ist mir noch nicht klar. Ich würde mich freuen, wenn ich um<lb/>
I . September vielleicht in Homburg i. d. Pf. einen Brief von dir vorfände.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_447"> Die Verluste sind ganz enorm, sehr viele alte Bekannte von mir sind gefallen,<lb/>
doch hört man auch zum Glück manchen Totgesagten wieder als nur leicht ver¬<lb/>
wundet nennen, so Ernst Unger, den ich schon recht beklagt hatte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_448"> Kurz vordem wir die Ordre zum Ausrücken bekamen, habe ich meine alte Fuchs¬<lb/>
stute für achtzig Friedrichsdor, was sie mich vor acht Jahren kostete, an den Herzog<lb/>
von Altenburg verkauft; er war am andern Tage bei mir, um sich für das ihm<lb/>
gebrachte Opfer zu bedanken. Hatte ich gewußt, daß wir so bald folgen würden,<lb/>
hätte ich sie behalten. Obwohl in Friedenszeiten das Pferd mit sechzig Friedrichsdor<lb/>
bezahlt gewesen wäre, so hat man mir doch von vielen Seiten gesagt, daß ich sie<lb/>
nicht unter hundert hätte fortgehen sollen. Ich habe aus Planitz eine kleine fünf¬<lb/>
jährige Fuchsstute vom Remus, die, angeritten, leidlich auf Kandare geht. Mein<lb/>
Hvlderncß ist aber ganz sicher, und auf Sadowa kann ich mich auch verlassen, ob¬<lb/>
wohl sie etwas heftig ist. Der alte Abdul Pascha wird wohl schon im Feuer<lb/>
gewesen sein. Fran von H. schrieb hierher an ihres Mannes Bruder, sie hätte<lb/>
den alten Hengst mit Wehmut scheiden sehen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 2</head><lb/>
            <p xml:id="ID_449"> Biwnk bei Coureelle Chcmssy, zwei Meilen vor Metz,<lb/>
3. Sept. 70</p><lb/>
            <p xml:id="ID_450" next="#ID_451"> Lieber Onkel. Dienstag, den 30. vier Uhr nachmittags hatten nur unsre<lb/>
Eisenbahnfahrt vollendet und kamen von Homburg aus nach Zweibrücken ins<lb/>
Quartier. Am 31. Habkirchen an der Blies; durch eine Brücke verbunden mit<lb/>
dein französischen Ufer, wo in Frauenberg unsre erste Eskadron lag. Am 1. Sep¬<lb/>
tember mit Hurra über die Brücke und Grenze gegangen, den französischen Adler<lb/>
begrüßt, nach Fvlschweiler ins Quartier. Gestern hierher ins Biwnk. Lehmboden,<lb/>
etwas Regen, nachts kalt, schlechter Hafer.  Pferde sind gesund.  Sadowa reite</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] [Abbildung] Feldzugsbriefe 3. Aus dem deutsch-französischen Ariege 1 Wcmdsbeck, den 27/8. 70 Lieber Onkel, ente Abend um halb zwölf Uhr gehe ich mit meiner Eskadron von Altona aus mit der Bahn nach Homburg in der Pfalz. Die Fahrt wird wohl siebzig Stunden dauern, dn wir, d. h. die ganze siebzehnte Division, über Berlin gehen. Am 4. September soll dort ein neues Korps unter dem Großherzog von Mecklenburg gebildet werden, wir und eine Landwehrdivision. Wozu mau uns denn gebrauchen wird, ist mir noch nicht klar. Ich würde mich freuen, wenn ich um I . September vielleicht in Homburg i. d. Pf. einen Brief von dir vorfände. Die Verluste sind ganz enorm, sehr viele alte Bekannte von mir sind gefallen, doch hört man auch zum Glück manchen Totgesagten wieder als nur leicht ver¬ wundet nennen, so Ernst Unger, den ich schon recht beklagt hatte. Kurz vordem wir die Ordre zum Ausrücken bekamen, habe ich meine alte Fuchs¬ stute für achtzig Friedrichsdor, was sie mich vor acht Jahren kostete, an den Herzog von Altenburg verkauft; er war am andern Tage bei mir, um sich für das ihm gebrachte Opfer zu bedanken. Hatte ich gewußt, daß wir so bald folgen würden, hätte ich sie behalten. Obwohl in Friedenszeiten das Pferd mit sechzig Friedrichsdor bezahlt gewesen wäre, so hat man mir doch von vielen Seiten gesagt, daß ich sie nicht unter hundert hätte fortgehen sollen. Ich habe aus Planitz eine kleine fünf¬ jährige Fuchsstute vom Remus, die, angeritten, leidlich auf Kandare geht. Mein Hvlderncß ist aber ganz sicher, und auf Sadowa kann ich mich auch verlassen, ob¬ wohl sie etwas heftig ist. Der alte Abdul Pascha wird wohl schon im Feuer gewesen sein. Fran von H. schrieb hierher an ihres Mannes Bruder, sie hätte den alten Hengst mit Wehmut scheiden sehen. 2 Biwnk bei Coureelle Chcmssy, zwei Meilen vor Metz, 3. Sept. 70 Lieber Onkel. Dienstag, den 30. vier Uhr nachmittags hatten nur unsre Eisenbahnfahrt vollendet und kamen von Homburg aus nach Zweibrücken ins Quartier. Am 31. Habkirchen an der Blies; durch eine Brücke verbunden mit dein französischen Ufer, wo in Frauenberg unsre erste Eskadron lag. Am 1. Sep¬ tember mit Hurra über die Brücke und Grenze gegangen, den französischen Adler begrüßt, nach Fvlschweiler ins Quartier. Gestern hierher ins Biwnk. Lehmboden, etwas Regen, nachts kalt, schlechter Hafer. Pferde sind gesund. Sadowa reite

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/120
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/120>, abgerufen am 29.06.2024.