Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs man dem Worte Entwehrung sein gutes Recht verschafft hat. Seither schrieb So weit die Vorzüge. Eingehender sind die Mängel zu behandeln. Sie 1. Schiefe oder doch ungenaue oder unklare Ausdrucksweise.^) Z 187 leidet an einer sinnstörenden Kürze. Er lautet: "Eine unerlaubte In K 549 wird bestimmt: "Wer eine Sache von einem Anderen zum unent¬ In § 704 ist der Unterschied zwischen Absatz 1 und 2 kaum verständlich. In Z 715 (Schadenersatz für entzogne oder verschlechterte Sachen) heißt ") Im preußischen Landrechte richtig: Entwehrung. Im sächsischen bürgerlichen Gesetz¬ buches im rheinischen Zivilrechte, in Österreich unrichtig: EntWährung. **) Die Rechtschreibung des Entwurfs ist bei den wörtlich cingezognen Stellen beibe-
hcilten worden. Sie ist zum Teil fehlerhaft, nicht bloß veraltet. Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs man dem Worte Entwehrung sein gutes Recht verschafft hat. Seither schrieb So weit die Vorzüge. Eingehender sind die Mängel zu behandeln. Sie 1. Schiefe oder doch ungenaue oder unklare Ausdrucksweise.^) Z 187 leidet an einer sinnstörenden Kürze. Er lautet: „Eine unerlaubte In K 549 wird bestimmt: „Wer eine Sache von einem Anderen zum unent¬ In § 704 ist der Unterschied zwischen Absatz 1 und 2 kaum verständlich. In Z 715 (Schadenersatz für entzogne oder verschlechterte Sachen) heißt ») Im preußischen Landrechte richtig: Entwehrung. Im sächsischen bürgerlichen Gesetz¬ buches im rheinischen Zivilrechte, in Österreich unrichtig: EntWährung. **) Die Rechtschreibung des Entwurfs ist bei den wörtlich cingezognen Stellen beibe-
hcilten worden. Sie ist zum Teil fehlerhaft, nicht bloß veraltet. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213831"/> <fw type="header" place="top"> Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs</fw><lb/> <p xml:id="ID_80" prev="#ID_79"> man dem Worte Entwehrung sein gutes Recht verschafft hat. Seither schrieb<lb/> man meiste'EntWährung. EntWährung bedeutet aber das Gegenteil von<lb/> Gewährung, also Versagung. Entwehrung dagegen bedeutet ursprünglich Ent¬<lb/> waffnung, verallgemeinert: Beraubung, Entsetzung, Entziehung (vergl. Grimms<lb/> Wörterbuch). In der Bedeutung von Entziehung allein ist das Wort im<lb/> heutigen Rechtsleben noch gebräuchlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_81"> So weit die Vorzüge. Eingehender sind die Mängel zu behandeln. Sie<lb/> sind von viererlei Art: 1. Schiefe oder doch ungenaue oder unklare Ausdrucks¬<lb/> weise; 2. Verstöße gegen die Sprachlehre; 3. Verstöße gegen den Sprach¬<lb/> gebrauch; 4. Sprachunschönheiten. Doch wird sich diese Scheidung bei der<lb/> Besprechung nicht immer durchführen lassen.</p><lb/> <div n="2"> <head> 1. Schiefe oder doch ungenaue oder unklare Ausdrucksweise.^)</head><lb/> <p xml:id="ID_82"> Z 187 leidet an einer sinnstörenden Kürze. Er lautet: „Eine unerlaubte<lb/> Handlung ist nicht vorhanden, wenn Jemand eine fremde Sache beschädigt oder<lb/> zerstört, um eine von dieser Sache drohende Gefahr von sich oder einem An¬<lb/> deren abzuwenden, sofern die Handlung zur Abwendung der Gefahr noth¬<lb/> wendig war und die Gefahr nicht vorsätzlich oder fahrlässig verursacht worden<lb/> ist." Beispiel: Der von einem Fremden gereizte Stier meines Gutsnachbars<lb/> will sich auf meine Kinder stürzen; ich schieße ihn nieder. Begehe ich damit<lb/> eine unerlaubte Handlung? Nach dem Gesetze: ja, denn die Gefahr ist fahr¬<lb/> lässig verursacht worden. Es muß also heißen: „und er (der Beschädigende<lb/> nämlich) die Gefahr nicht vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_83"> In K 549 wird bestimmt: „Wer eine Sache von einem Anderen zum unent¬<lb/> geltlichen Gebrauche empfangen hat, ist verpflichtet, die Sache (warum nicht:<lb/> sie?) uur vertragsmäßig zu gebrauchen." Verpflichtet aber ist er überhaupt<lb/> nicht zum Gebrauche; sein Recht soll begrenzt werden. (Die Bestimmung ist<lb/> übrigens entbehrlich, denn es ist selbstverständlich, daß die Benutzung nur ver¬<lb/> tragsmäßig erfolgen darf.)</p><lb/> <p xml:id="ID_84"> In § 704 ist der Unterschied zwischen Absatz 1 und 2 kaum verständlich.<lb/> Durch das, was die „Motive" zur Erläuterung beifügen, wird man nur<lb/> wenig klüger. Der Wechsel in der Ausdrucksweise („durch eine aus Vorsatz<lb/> oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung" — „aus Vorsatz oder<lb/> Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung") erschwert das Verständnis<lb/> noch mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> In Z 715 (Schadenersatz für entzogne oder verschlechterte Sachen) heißt<lb/> es: „Den Werth einer späteren Zeit kann der Gläubiger nnr geltend machen" u. s. w.<lb/> Es muß heißen: Einen spätern oder später eintretenden Wert.</p><lb/> <note xml:id="FID_6" place="foot"> ») Im preußischen Landrechte richtig: Entwehrung. Im sächsischen bürgerlichen Gesetz¬<lb/> buches im rheinischen Zivilrechte, in Österreich unrichtig: EntWährung.</note><lb/> <note xml:id="FID_7" place="foot"> **) Die Rechtschreibung des Entwurfs ist bei den wörtlich cingezognen Stellen beibe-<lb/> hcilten worden. Sie ist zum Teil fehlerhaft, nicht bloß veraltet.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs
man dem Worte Entwehrung sein gutes Recht verschafft hat. Seither schrieb
man meiste'EntWährung. EntWährung bedeutet aber das Gegenteil von
Gewährung, also Versagung. Entwehrung dagegen bedeutet ursprünglich Ent¬
waffnung, verallgemeinert: Beraubung, Entsetzung, Entziehung (vergl. Grimms
Wörterbuch). In der Bedeutung von Entziehung allein ist das Wort im
heutigen Rechtsleben noch gebräuchlich.
So weit die Vorzüge. Eingehender sind die Mängel zu behandeln. Sie
sind von viererlei Art: 1. Schiefe oder doch ungenaue oder unklare Ausdrucks¬
weise; 2. Verstöße gegen die Sprachlehre; 3. Verstöße gegen den Sprach¬
gebrauch; 4. Sprachunschönheiten. Doch wird sich diese Scheidung bei der
Besprechung nicht immer durchführen lassen.
1. Schiefe oder doch ungenaue oder unklare Ausdrucksweise.^)
Z 187 leidet an einer sinnstörenden Kürze. Er lautet: „Eine unerlaubte
Handlung ist nicht vorhanden, wenn Jemand eine fremde Sache beschädigt oder
zerstört, um eine von dieser Sache drohende Gefahr von sich oder einem An¬
deren abzuwenden, sofern die Handlung zur Abwendung der Gefahr noth¬
wendig war und die Gefahr nicht vorsätzlich oder fahrlässig verursacht worden
ist." Beispiel: Der von einem Fremden gereizte Stier meines Gutsnachbars
will sich auf meine Kinder stürzen; ich schieße ihn nieder. Begehe ich damit
eine unerlaubte Handlung? Nach dem Gesetze: ja, denn die Gefahr ist fahr¬
lässig verursacht worden. Es muß also heißen: „und er (der Beschädigende
nämlich) die Gefahr nicht vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat."
In K 549 wird bestimmt: „Wer eine Sache von einem Anderen zum unent¬
geltlichen Gebrauche empfangen hat, ist verpflichtet, die Sache (warum nicht:
sie?) uur vertragsmäßig zu gebrauchen." Verpflichtet aber ist er überhaupt
nicht zum Gebrauche; sein Recht soll begrenzt werden. (Die Bestimmung ist
übrigens entbehrlich, denn es ist selbstverständlich, daß die Benutzung nur ver¬
tragsmäßig erfolgen darf.)
In § 704 ist der Unterschied zwischen Absatz 1 und 2 kaum verständlich.
Durch das, was die „Motive" zur Erläuterung beifügen, wird man nur
wenig klüger. Der Wechsel in der Ausdrucksweise („durch eine aus Vorsatz
oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung" — „aus Vorsatz oder
Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung") erschwert das Verständnis
noch mehr.
In Z 715 (Schadenersatz für entzogne oder verschlechterte Sachen) heißt
es: „Den Werth einer späteren Zeit kann der Gläubiger nnr geltend machen" u. s. w.
Es muß heißen: Einen spätern oder später eintretenden Wert.
») Im preußischen Landrechte richtig: Entwehrung. Im sächsischen bürgerlichen Gesetz¬
buches im rheinischen Zivilrechte, in Österreich unrichtig: EntWährung.
**) Die Rechtschreibung des Entwurfs ist bei den wörtlich cingezognen Stellen beibe-
hcilten worden. Sie ist zum Teil fehlerhaft, nicht bloß veraltet.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |