Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs Walter Gensel von on den mehr als viernndeinhalbhundert kritischen Federn, die Die Sprache des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs Walter Gensel von on den mehr als viernndeinhalbhundert kritischen Federn, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213826"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Sprache<lb/> des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs<lb/><note type="byline"> Walter Gensel</note> von </head><lb/> <p xml:id="ID_57" next="#ID_58"> on den mehr als viernndeinhalbhundert kritischen Federn, die<lb/> der im Jahre 1888 veröffentlichte Entwurf eines bürgerlichen<lb/> Gesetzbuchs für das deutsche Reich in Bewegung gesetzt hat,<lb/> haben sich nicht wenige auch mit der Sprache dieses Gesetz¬<lb/> gebungswerkes beschäftigt. Und wie es meist Rechtslehrer sind,<lb/> die den Entwurf mit Keulen totgeschlagen — zu haben glauben (Felix Decbr,<lb/> Gierke, Menger u, a.), so sind es vor andern auch wieder Rechtslehrer, die<lb/> an seiner Sprache kein gutes Haar lassen. Prof. Vetter in Heidelberg sagt:<lb/> „Überall wird das Abstrakte bevorzugt vor dem Konkreter, das Gewundne<lb/> vor dein Geraden, das Zusammengesetzte vor dem Einfachen. Es wird so<lb/> viel Kunst auf die Fassung verschwendet, bis ^so viel, bis?j es endlich gelungen,<lb/> sie dein gewöhnlichen Sprach- und Denkgebrauch möglichst fern zu rücken und<lb/> damit dann erst recht dunkel und undeutlich zu machen. Es werden Ein¬<lb/> schränkungen und Ausnahmen in den Vortrag der Regeln hineingezwängt,<lb/> woraus langatmige, schwerverständlich und mißlautend sich abklappernde Texte<lb/> erwachsen." Professor Fischer, damals in Greifswald, äußert: „Der Entwurf ist<lb/> so fern von allem natürlichen Denken, daß ein Laie mit den Worten des Ge¬<lb/> setzes überhaupt keinen Sinn zu verbinden und auch der Jurist erst nach vielen<lb/> Mühen den Sinn der Paragraphen zu enträtseln vermag." Professor Gierke in<lb/> Berlin sagt: „Die Sprache des Entwurfs ist ein abstraktes Jnristendentsch,<lb/> nnvolkstümlich und für den Laien vollkommen unverständlich; sie entbehrt der<lb/> Kraft und Tiefe, der sinnlichen Anschaulichkeit und der überzeugenden Bered¬<lb/> samkeit, sie artet vielfach ins Doktrinäre, Pedantische, Verkünstelte und dann<lb/> wieder ins Triviale, Seichte, schleppende aus. Mit Bekümmernis muß es<lb/> gesagt sein ^sein?I, daß niemals noch ein großes Gesetzbuch so gänzlich den Ton<lb/> der Volksgesetzgebung verfehlt hat. Welches Gesetzbuch alter oder neuerer Zeit<lb/> Hütte dem Volke, zu dem es spricht, durch seine Fassung in so planmäßiger<lb/> Weise die Thore zum Verständnis der Rechtsordnung verriegelt?" Von andrer<lb/> Seite wird dem Entwurf übergroße Länge und eine dem Wesen der deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
Die Sprache
des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs
Walter Gensel von
on den mehr als viernndeinhalbhundert kritischen Federn, die
der im Jahre 1888 veröffentlichte Entwurf eines bürgerlichen
Gesetzbuchs für das deutsche Reich in Bewegung gesetzt hat,
haben sich nicht wenige auch mit der Sprache dieses Gesetz¬
gebungswerkes beschäftigt. Und wie es meist Rechtslehrer sind,
die den Entwurf mit Keulen totgeschlagen — zu haben glauben (Felix Decbr,
Gierke, Menger u, a.), so sind es vor andern auch wieder Rechtslehrer, die
an seiner Sprache kein gutes Haar lassen. Prof. Vetter in Heidelberg sagt:
„Überall wird das Abstrakte bevorzugt vor dem Konkreter, das Gewundne
vor dein Geraden, das Zusammengesetzte vor dem Einfachen. Es wird so
viel Kunst auf die Fassung verschwendet, bis ^so viel, bis?j es endlich gelungen,
sie dein gewöhnlichen Sprach- und Denkgebrauch möglichst fern zu rücken und
damit dann erst recht dunkel und undeutlich zu machen. Es werden Ein¬
schränkungen und Ausnahmen in den Vortrag der Regeln hineingezwängt,
woraus langatmige, schwerverständlich und mißlautend sich abklappernde Texte
erwachsen." Professor Fischer, damals in Greifswald, äußert: „Der Entwurf ist
so fern von allem natürlichen Denken, daß ein Laie mit den Worten des Ge¬
setzes überhaupt keinen Sinn zu verbinden und auch der Jurist erst nach vielen
Mühen den Sinn der Paragraphen zu enträtseln vermag." Professor Gierke in
Berlin sagt: „Die Sprache des Entwurfs ist ein abstraktes Jnristendentsch,
nnvolkstümlich und für den Laien vollkommen unverständlich; sie entbehrt der
Kraft und Tiefe, der sinnlichen Anschaulichkeit und der überzeugenden Bered¬
samkeit, sie artet vielfach ins Doktrinäre, Pedantische, Verkünstelte und dann
wieder ins Triviale, Seichte, schleppende aus. Mit Bekümmernis muß es
gesagt sein ^sein?I, daß niemals noch ein großes Gesetzbuch so gänzlich den Ton
der Volksgesetzgebung verfehlt hat. Welches Gesetzbuch alter oder neuerer Zeit
Hütte dem Volke, zu dem es spricht, durch seine Fassung in so planmäßiger
Weise die Thore zum Verständnis der Rechtsordnung verriegelt?" Von andrer
Seite wird dem Entwurf übergroße Länge und eine dem Wesen der deutschen
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