Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Mozarts Bild nach hundert Jahren alle meine Väter." Es muß aber heißen: "Denn ein Fremdling bin ich bei dir, Mozarts Bild nach hundert fahren v Arnold von Senfft on l Mozarts Bild nach hundert Jahren alle meine Väter." Es muß aber heißen: „Denn ein Fremdling bin ich bei dir, Mozarts Bild nach hundert fahren v Arnold von Senfft on l <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214090"/> <fw type="header" place="top"> Mozarts Bild nach hundert Jahren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1029" prev="#ID_1028"> alle meine Väter." Es muß aber heißen: „Denn ein Fremdling bin ich bei dir,<lb/> ein Gast, wie alle meine Väter." Die Stelle ist in Luthers Fassung sehr be¬<lb/> kannt, und der schöne Gedanke von dieser Doppelstellung des Frommen als<lb/> eines Pilgrims und eines Bürgers ist manchem Christen lieb geworden. Man<lb/> hat daher den Spruch, obgleich er falsch übersetzt ist, stehen lassen. Aber doch<lb/> nicht unverändert! Es fehlt das Wort: „beides." Warum? Offenbar sollen<lb/> durch diese Änderung die beiden Begriffe Pilgrim und Bürger nicht mehr so<lb/> deutlich als Gegensatz, sondern dem Grundtext entsprechend mehr als ver¬<lb/> wandte Begriffe erschienen. Aber die Schönheit des Gedankens, den Luther<lb/> ausdrücken wollte, liegt ja gerade in dem Gegensatz. Wollte man nicht ändern,<lb/> dann mußte man Luthers Übersetzung ganz unverändert lassen. Man sieht<lb/> hier, wie das wissenschaftliche Gewissen der Kommission mit der Pietät<lb/> gegen Luther in Konflikt geraten ist. Beides läßt sich nur einmal nicht ver¬<lb/> einigen. Eins muß entscheiden, entweder ist die Wahrheit maßgebend, oder die<lb/> Pietät. Soll die letztere entscheiden, dann durfte mau bekannte Stellen über¬<lb/> haupt nicht ändern. Man hat gegen viertausend sachliche Veränderungen vor¬<lb/> genommen, warum hat mau dann nicht jede falsch übersetzte Stelle berichtigt?<lb/> Luther konnte mit gutem Gewissen sagen, daß er sich bewußt sei, nicht einen<lb/> Buchstaben absichtlich unrichtig verdolmetscht zu haben. Es wäre im Sinne<lb/> Luthers gewesen, wenn die Kommission wissentlich auch uicht eine wirklich<lb/> falsch übersetzte Stelle unverändert gelassen Hütte. Die Wahrheit mußte un¬<lb/> bedingt entscheiden. (Schluß folgt) </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Mozarts Bild nach hundert fahren<lb/> v<note type="byline"> Arnold von Senfft</note> on </head><lb/> <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> l<lb/> e Gedächtnisfeier der ersten Aufführung von Mozarts Zauber¬<lb/> flöte, wie die seines Todestages ist 1891 in den Ländern deutscher<lb/> Zunge überall in würdiger Weise begangen worden und hat für<lb/> die ewige Jugend seiner Werke von neuem Zeugnis abgelegt.<lb/> Feiner empfindende Seelen wenden zwar gegen die Hervorhebung<lb/> solcher Erinnerungstagc ein, daß sie der Zufälligkeit des Datums unverdiente<lb/> Ehre erweise und der gleichmäßig fortwirkenden Bedeutung des gefeierten<lb/> Gegenstandes uicht entspreche. Vielleicht wird eine derartige Betrachtungs-<lb/> weise einmal berechtigt werde», wenn wirklich unser Volk wieder auf der<lb/> geistigen Hohe steht, deren Vorgefühl dem Verfnsfer des bekannten Rembrandt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
Mozarts Bild nach hundert Jahren
alle meine Väter." Es muß aber heißen: „Denn ein Fremdling bin ich bei dir,
ein Gast, wie alle meine Väter." Die Stelle ist in Luthers Fassung sehr be¬
kannt, und der schöne Gedanke von dieser Doppelstellung des Frommen als
eines Pilgrims und eines Bürgers ist manchem Christen lieb geworden. Man
hat daher den Spruch, obgleich er falsch übersetzt ist, stehen lassen. Aber doch
nicht unverändert! Es fehlt das Wort: „beides." Warum? Offenbar sollen
durch diese Änderung die beiden Begriffe Pilgrim und Bürger nicht mehr so
deutlich als Gegensatz, sondern dem Grundtext entsprechend mehr als ver¬
wandte Begriffe erschienen. Aber die Schönheit des Gedankens, den Luther
ausdrücken wollte, liegt ja gerade in dem Gegensatz. Wollte man nicht ändern,
dann mußte man Luthers Übersetzung ganz unverändert lassen. Man sieht
hier, wie das wissenschaftliche Gewissen der Kommission mit der Pietät
gegen Luther in Konflikt geraten ist. Beides läßt sich nur einmal nicht ver¬
einigen. Eins muß entscheiden, entweder ist die Wahrheit maßgebend, oder die
Pietät. Soll die letztere entscheiden, dann durfte mau bekannte Stellen über¬
haupt nicht ändern. Man hat gegen viertausend sachliche Veränderungen vor¬
genommen, warum hat mau dann nicht jede falsch übersetzte Stelle berichtigt?
Luther konnte mit gutem Gewissen sagen, daß er sich bewußt sei, nicht einen
Buchstaben absichtlich unrichtig verdolmetscht zu haben. Es wäre im Sinne
Luthers gewesen, wenn die Kommission wissentlich auch uicht eine wirklich
falsch übersetzte Stelle unverändert gelassen Hütte. Die Wahrheit mußte un¬
bedingt entscheiden. (Schluß folgt)
Mozarts Bild nach hundert fahren
v Arnold von Senfft on
l
e Gedächtnisfeier der ersten Aufführung von Mozarts Zauber¬
flöte, wie die seines Todestages ist 1891 in den Ländern deutscher
Zunge überall in würdiger Weise begangen worden und hat für
die ewige Jugend seiner Werke von neuem Zeugnis abgelegt.
Feiner empfindende Seelen wenden zwar gegen die Hervorhebung
solcher Erinnerungstagc ein, daß sie der Zufälligkeit des Datums unverdiente
Ehre erweise und der gleichmäßig fortwirkenden Bedeutung des gefeierten
Gegenstandes uicht entspreche. Vielleicht wird eine derartige Betrachtungs-
weise einmal berechtigt werde», wenn wirklich unser Volk wieder auf der
geistigen Hohe steht, deren Vorgefühl dem Verfnsfer des bekannten Rembrandt-
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