Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen

Arbeitsertrag gehe, und ob es für die Weber und Strumpfwirker bereits ver¬
wirklicht sei oder nicht. Sondern wie sich der König von Preußen, ohne
Rücksicht auf die Ansprüche der Junker, durch den Bauernschutz die erforder¬
liche Menge "Kerls," Pferde und Steuern gesichert hat, so kann und soll das
Vaterland heute ohne Rücksicht auf das Geschrei und Toben der Gro߬
industriellen durch wirksamen Arbeiterschutz dafür sorgen, daß ihm seine Söhne
in den Fabriken nicht verkümmern.




Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen

s verlautet, daß im preußischen Kultusministerium die Absicht
bestehe, die längst nötig gewordne Regelung des höhern Mädchen¬
schulwesens der Monarchie endlich zu vollziehen. Es wird da¬
mit ein sehnlicher Wunsch eines großen, bisher jeder gesetzlichen
Ordnung seiner Verhältnisse entbehrenden Teiles der Lehrerschaft
erfüllt werden, und was mehr wert ist, den Anstalten für den höhern Unter¬
richt des weiblichen Geschlechts wird endlich eine feste Stellung in dem Ganzen
des preußischen Unterrichtswesens angewiesen werden.

Daß eine solche Regelung scheinbar ganz äußerlicher Verhältnisse gleich¬
wohl von tiefgreifender Bedeutung für den innern Wert und Ausbau jener
Schulen sein muß, liegt für jeden Einsichtigen auf der Hand. Bisher zählten
die höhern Mädchenschulen in Preußen noch immer zu den Volksschulen, wäh¬
rend man ihnen fast in allen deutschen Bundesstaaten die Stellung von höhern
Schulen angewiesen hat, was nach ihren Zielen und Leistungen ohne jeden
Zweifel gerecht ist. Denn die höhern Mädchenschulen -- ich habe dabei nur
die sogenannten vollentwickelten, zehnstufigen im Auge -- umfassen ebensoviel
Jahreskurse und treiben die beiden fremden Sprachen ganz wesentlich weiter
als die anstandslos als höhere Lehranstalten anerkannten sogenannten Real¬
schulen. Auch im Auslande, wo man freilich überhaupt dein Unterricht der
Mädchen mehr Wert beimißt als bei uns, hat man es für ganz selbstverständ¬
lich gehalten, den höhern Mädchenschulen ihren Platz unter den höhern Lehr¬
anstalten anzuweisen. So hat z. V. die französische Negierung, die nach der
loi (tunkte- Loa vom Jahre 1880 mit einem Aufwande von nahezu dreißig
Millionen Franken ein vorzüglich organisirtes höheres Mädchenschulwesen ge¬
schaffen hat, unbedenklich den neuen Schulen sogar einen den Gymnasien ent¬
sprechenden Namen beigelegt: l^ope-s 60 ssunss Mös, und im Kultusministe¬
rium eine besondre aus sachkundigen Männern gebildete Abteilung für das


Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen

Arbeitsertrag gehe, und ob es für die Weber und Strumpfwirker bereits ver¬
wirklicht sei oder nicht. Sondern wie sich der König von Preußen, ohne
Rücksicht auf die Ansprüche der Junker, durch den Bauernschutz die erforder¬
liche Menge „Kerls," Pferde und Steuern gesichert hat, so kann und soll das
Vaterland heute ohne Rücksicht auf das Geschrei und Toben der Gro߬
industriellen durch wirksamen Arbeiterschutz dafür sorgen, daß ihm seine Söhne
in den Fabriken nicht verkümmern.




Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen

s verlautet, daß im preußischen Kultusministerium die Absicht
bestehe, die längst nötig gewordne Regelung des höhern Mädchen¬
schulwesens der Monarchie endlich zu vollziehen. Es wird da¬
mit ein sehnlicher Wunsch eines großen, bisher jeder gesetzlichen
Ordnung seiner Verhältnisse entbehrenden Teiles der Lehrerschaft
erfüllt werden, und was mehr wert ist, den Anstalten für den höhern Unter¬
richt des weiblichen Geschlechts wird endlich eine feste Stellung in dem Ganzen
des preußischen Unterrichtswesens angewiesen werden.

Daß eine solche Regelung scheinbar ganz äußerlicher Verhältnisse gleich¬
wohl von tiefgreifender Bedeutung für den innern Wert und Ausbau jener
Schulen sein muß, liegt für jeden Einsichtigen auf der Hand. Bisher zählten
die höhern Mädchenschulen in Preußen noch immer zu den Volksschulen, wäh¬
rend man ihnen fast in allen deutschen Bundesstaaten die Stellung von höhern
Schulen angewiesen hat, was nach ihren Zielen und Leistungen ohne jeden
Zweifel gerecht ist. Denn die höhern Mädchenschulen — ich habe dabei nur
die sogenannten vollentwickelten, zehnstufigen im Auge — umfassen ebensoviel
Jahreskurse und treiben die beiden fremden Sprachen ganz wesentlich weiter
als die anstandslos als höhere Lehranstalten anerkannten sogenannten Real¬
schulen. Auch im Auslande, wo man freilich überhaupt dein Unterricht der
Mädchen mehr Wert beimißt als bei uns, hat man es für ganz selbstverständ¬
lich gehalten, den höhern Mädchenschulen ihren Platz unter den höhern Lehr¬
anstalten anzuweisen. So hat z. V. die französische Negierung, die nach der
loi (tunkte- Loa vom Jahre 1880 mit einem Aufwande von nahezu dreißig
Millionen Franken ein vorzüglich organisirtes höheres Mädchenschulwesen ge¬
schaffen hat, unbedenklich den neuen Schulen sogar einen den Gymnasien ent¬
sprechenden Namen beigelegt: l^ope-s 60 ssunss Mös, und im Kultusministe¬
rium eine besondre aus sachkundigen Männern gebildete Abteilung für das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213433"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_963" prev="#ID_962"> Arbeitsertrag gehe, und ob es für die Weber und Strumpfwirker bereits ver¬<lb/>
wirklicht sei oder nicht. Sondern wie sich der König von Preußen, ohne<lb/>
Rücksicht auf die Ansprüche der Junker, durch den Bauernschutz die erforder¬<lb/>
liche Menge &#x201E;Kerls," Pferde und Steuern gesichert hat, so kann und soll das<lb/>
Vaterland heute ohne Rücksicht auf das Geschrei und Toben der Gro߬<lb/>
industriellen durch wirksamen Arbeiterschutz dafür sorgen, daß ihm seine Söhne<lb/>
in den Fabriken nicht verkümmern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen</head><lb/>
          <p xml:id="ID_964"> s verlautet, daß im preußischen Kultusministerium die Absicht<lb/>
bestehe, die längst nötig gewordne Regelung des höhern Mädchen¬<lb/>
schulwesens der Monarchie endlich zu vollziehen. Es wird da¬<lb/>
mit ein sehnlicher Wunsch eines großen, bisher jeder gesetzlichen<lb/>
Ordnung seiner Verhältnisse entbehrenden Teiles der Lehrerschaft<lb/>
erfüllt werden, und was mehr wert ist, den Anstalten für den höhern Unter¬<lb/>
richt des weiblichen Geschlechts wird endlich eine feste Stellung in dem Ganzen<lb/>
des preußischen Unterrichtswesens angewiesen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_965" next="#ID_966"> Daß eine solche Regelung scheinbar ganz äußerlicher Verhältnisse gleich¬<lb/>
wohl von tiefgreifender Bedeutung für den innern Wert und Ausbau jener<lb/>
Schulen sein muß, liegt für jeden Einsichtigen auf der Hand. Bisher zählten<lb/>
die höhern Mädchenschulen in Preußen noch immer zu den Volksschulen, wäh¬<lb/>
rend man ihnen fast in allen deutschen Bundesstaaten die Stellung von höhern<lb/>
Schulen angewiesen hat, was nach ihren Zielen und Leistungen ohne jeden<lb/>
Zweifel gerecht ist. Denn die höhern Mädchenschulen &#x2014; ich habe dabei nur<lb/>
die sogenannten vollentwickelten, zehnstufigen im Auge &#x2014; umfassen ebensoviel<lb/>
Jahreskurse und treiben die beiden fremden Sprachen ganz wesentlich weiter<lb/>
als die anstandslos als höhere Lehranstalten anerkannten sogenannten Real¬<lb/>
schulen. Auch im Auslande, wo man freilich überhaupt dein Unterricht der<lb/>
Mädchen mehr Wert beimißt als bei uns, hat man es für ganz selbstverständ¬<lb/>
lich gehalten, den höhern Mädchenschulen ihren Platz unter den höhern Lehr¬<lb/>
anstalten anzuweisen. So hat z. V. die französische Negierung, die nach der<lb/>
loi (tunkte- Loa vom Jahre 1880 mit einem Aufwande von nahezu dreißig<lb/>
Millionen Franken ein vorzüglich organisirtes höheres Mädchenschulwesen ge¬<lb/>
schaffen hat, unbedenklich den neuen Schulen sogar einen den Gymnasien ent¬<lb/>
sprechenden Namen beigelegt: l^ope-s 60 ssunss Mös, und im Kultusministe¬<lb/>
rium eine besondre aus sachkundigen Männern gebildete Abteilung für das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0319] Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen Arbeitsertrag gehe, und ob es für die Weber und Strumpfwirker bereits ver¬ wirklicht sei oder nicht. Sondern wie sich der König von Preußen, ohne Rücksicht auf die Ansprüche der Junker, durch den Bauernschutz die erforder¬ liche Menge „Kerls," Pferde und Steuern gesichert hat, so kann und soll das Vaterland heute ohne Rücksicht auf das Geschrei und Toben der Gro߬ industriellen durch wirksamen Arbeiterschutz dafür sorgen, daß ihm seine Söhne in den Fabriken nicht verkümmern. Gin Wort über unsre höhern Mädchenschulen s verlautet, daß im preußischen Kultusministerium die Absicht bestehe, die längst nötig gewordne Regelung des höhern Mädchen¬ schulwesens der Monarchie endlich zu vollziehen. Es wird da¬ mit ein sehnlicher Wunsch eines großen, bisher jeder gesetzlichen Ordnung seiner Verhältnisse entbehrenden Teiles der Lehrerschaft erfüllt werden, und was mehr wert ist, den Anstalten für den höhern Unter¬ richt des weiblichen Geschlechts wird endlich eine feste Stellung in dem Ganzen des preußischen Unterrichtswesens angewiesen werden. Daß eine solche Regelung scheinbar ganz äußerlicher Verhältnisse gleich¬ wohl von tiefgreifender Bedeutung für den innern Wert und Ausbau jener Schulen sein muß, liegt für jeden Einsichtigen auf der Hand. Bisher zählten die höhern Mädchenschulen in Preußen noch immer zu den Volksschulen, wäh¬ rend man ihnen fast in allen deutschen Bundesstaaten die Stellung von höhern Schulen angewiesen hat, was nach ihren Zielen und Leistungen ohne jeden Zweifel gerecht ist. Denn die höhern Mädchenschulen — ich habe dabei nur die sogenannten vollentwickelten, zehnstufigen im Auge — umfassen ebensoviel Jahreskurse und treiben die beiden fremden Sprachen ganz wesentlich weiter als die anstandslos als höhere Lehranstalten anerkannten sogenannten Real¬ schulen. Auch im Auslande, wo man freilich überhaupt dein Unterricht der Mädchen mehr Wert beimißt als bei uns, hat man es für ganz selbstverständ¬ lich gehalten, den höhern Mädchenschulen ihren Platz unter den höhern Lehr¬ anstalten anzuweisen. So hat z. V. die französische Negierung, die nach der loi (tunkte- Loa vom Jahre 1880 mit einem Aufwande von nahezu dreißig Millionen Franken ein vorzüglich organisirtes höheres Mädchenschulwesen ge¬ schaffen hat, unbedenklich den neuen Schulen sogar einen den Gymnasien ent¬ sprechenden Namen beigelegt: l^ope-s 60 ssunss Mös, und im Kultusministe¬ rium eine besondre aus sachkundigen Männern gebildete Abteilung für das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/319
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/319>, abgerufen am 22.12.2024.