Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Schönheitspolizei. Kennst du den Leipziger Angnstnsplatz, lieber Leser? Was ist nun kürzlich geschehen? Komme ich da Ende August zum deutschen Drüben an: Eingange der Johanuisgasse ragt hinter einem Garten ein hoher Die guten Leute, die ihre Firma da oben haben anpinseln lassen, haben I^rinizixiiiZ adsta. Wir haben so vielerlei Polizei, aber an eiuer fehlt es, Eine Modenfrage. In Paris ist ein Gesetz gegeben worden, demzufolge Maßgebliches und Unmaßgebliches Schönheitspolizei. Kennst du den Leipziger Angnstnsplatz, lieber Leser? Was ist nun kürzlich geschehen? Komme ich da Ende August zum deutschen Drüben an: Eingange der Johanuisgasse ragt hinter einem Garten ein hoher Die guten Leute, die ihre Firma da oben haben anpinseln lassen, haben I^rinizixiiiZ adsta. Wir haben so vielerlei Polizei, aber an eiuer fehlt es, Eine Modenfrage. In Paris ist ein Gesetz gegeben worden, demzufolge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0580" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213056"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Schönheitspolizei.</head> <p xml:id="ID_1917"> Kennst du den Leipziger Angnstnsplatz, lieber Leser?<lb/> Wie solltest du nicht, ist er doch am Kopfe jeder Nummer der Leipziger Jllustrirten<lb/> Zeitung abgebildet: im Hintergrunde das zur Universität gehörige Augusteum, da¬<lb/> neben die Paulinerkirche mit ihrem spitzen Dachreiterchen und das Cass frauyais,<lb/> zur Linken das Museum mit dem großen Springbrunnen davor, zur Rechten das<lb/> Theater; hinter dem Beschauer liegt dann die Post und eine Reihe schöner Privnt-<lb/> bauteu. Das Ganze bildet wohl einen der herrlichsten Stadtplätze Deutschlands,<lb/> und ich freue mich, so oft ich nach Leipzig komme und aus der Grimmische»<lb/> Straße auf diesen Platz hinaustrete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1918"> Was ist nun kürzlich geschehen? Komme ich da Ende August zum deutschen<lb/> Architetteutnge nach Leipzig und freue mich natürlich wieder auf meinen Augustus-<lb/> platz. Ich gehe vou der Universitätsstraße durch den Panlincrhof, sehe im Borbei-<lb/> gehn zu meinem großen Bedauern den Abbruch der alten Universitätsbibliothek,<lb/> des letzten gothischen Profanbaus, den Leipzig noch aufzuweisen hatte, und trete<lb/> nun aus dem Augusteum hinaus auf den Angnstnsplatz. Aber was ist das? ich<lb/> sehe die Post nicht mehr, ich sehe das Theater nicht mehr, ich sehe das Museum<lb/> nicht mehr, ich sehe nur noch mir schrägüber in riesengroßer Schrift die Worte:<lb/> „Danker <K Kote. Knöpfe u. Pvsmnenteu!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1919"> Drüben an: Eingange der Johanuisgasse ragt hinter einem Garten ein hoher<lb/> kahler Giebel auf. Er bildete nicht gerade eine Zierde des Platzes, aber man<lb/> sah ihn kaum; schmutziggrau wie er war, glitt das Auge über ihn hinweg, in<lb/> der ganzen architektonischen Erscheinung des Platzes war er so gut wie nicht vor¬<lb/> handen. Diesen Giebel hat nun ein in dem Hause befindliches Geschäft blendend<lb/> weiß anstreichen und mit mannshohen Buchstaben ihre Firma dranfschreiben<lb/> lassen — die einzigen Schriftzeichen, die auf dem ganzen großen Platze hier zu sehen<lb/> sind. Denn die kaufmännischen Geschäfte in den Privatbauten an der Ostseite sind<lb/> sämtlich so taktvoll gewesen, keine aufdringlichen Firmenschilder über ihren Läden<lb/> anzubringen. Diese eine Firma schlägt die ganze Architektur des Augustnsplatzes<lb/> tot, mau sieht eben nichts weiter als „Danker & Kote." Wer überhaupt Augen<lb/> hat, zu sehen, wer nicht ganz stumpfsinnig durch die Welt trottet, dem ist der<lb/> ganze schöne Platz dadurch verleidet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1920"> Die guten Leute, die ihre Firma da oben haben anpinseln lassen, haben<lb/> natürlich keine Ahnung davon, was für eine Barbarei sie begangen haben. Aber<lb/> ich frage: war keine Möglichkeit, diese Barbarei zu verhüten? ist keine Möglichkeit,<lb/> sie rückgängig zu machen? Die Sache ist nicht ganz so schlimm, wie wenn eine<lb/> Burgruine durch eine angebaute Bierkneipe verhunzt, ein Bergrücken durch eine<lb/> Zahnradbahn verunstaltet, an einer Felswand im Gebirge Reklame für ein Hotel<lb/> oder für irgend eine kaufmännische Lumperei gemacht wird; aber viel besser ist es auch<lb/> uicht. Schlimm genug, daß in den Straßen unsrer alten Städte oft die ganze<lb/> Architektur schöner Rennissanee- oder Barockbauten durch eingebrochne Schaufenster<lb/> mit Rolllädeu ruinirt wird, daß ihre ganze Ornamentik oft durch breitspurige,<lb/> schreiend bunte Aushängeschilder zugedeckt wird. Aber ein Platz, wie der Leipziger<lb/> Angnstnsplatz, bei dem bisher nichts der Art die rein künstlerische Wirkung be¬<lb/> einträchtigte, sollte doch vor Amerikanisiruug geschützt sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1921"> I^rinizixiiiZ adsta. Wir haben so vielerlei Polizei, aber an eiuer fehlt es,<lb/> und sie thäte doch manchmal recht not: an Schönheitspvlizei.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Eine Modenfrage.</head> <p xml:id="ID_1922" next="#ID_1923"> In Paris ist ein Gesetz gegeben worden, demzufolge<lb/> im kommenden Winter die Damenkleider eine Weite zu erhalten haben, die eine</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0580]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Schönheitspolizei. Kennst du den Leipziger Angnstnsplatz, lieber Leser?
Wie solltest du nicht, ist er doch am Kopfe jeder Nummer der Leipziger Jllustrirten
Zeitung abgebildet: im Hintergrunde das zur Universität gehörige Augusteum, da¬
neben die Paulinerkirche mit ihrem spitzen Dachreiterchen und das Cass frauyais,
zur Linken das Museum mit dem großen Springbrunnen davor, zur Rechten das
Theater; hinter dem Beschauer liegt dann die Post und eine Reihe schöner Privnt-
bauteu. Das Ganze bildet wohl einen der herrlichsten Stadtplätze Deutschlands,
und ich freue mich, so oft ich nach Leipzig komme und aus der Grimmische»
Straße auf diesen Platz hinaustrete.
Was ist nun kürzlich geschehen? Komme ich da Ende August zum deutschen
Architetteutnge nach Leipzig und freue mich natürlich wieder auf meinen Augustus-
platz. Ich gehe vou der Universitätsstraße durch den Panlincrhof, sehe im Borbei-
gehn zu meinem großen Bedauern den Abbruch der alten Universitätsbibliothek,
des letzten gothischen Profanbaus, den Leipzig noch aufzuweisen hatte, und trete
nun aus dem Augusteum hinaus auf den Angnstnsplatz. Aber was ist das? ich
sehe die Post nicht mehr, ich sehe das Theater nicht mehr, ich sehe das Museum
nicht mehr, ich sehe nur noch mir schrägüber in riesengroßer Schrift die Worte:
„Danker <K Kote. Knöpfe u. Pvsmnenteu!"
Drüben an: Eingange der Johanuisgasse ragt hinter einem Garten ein hoher
kahler Giebel auf. Er bildete nicht gerade eine Zierde des Platzes, aber man
sah ihn kaum; schmutziggrau wie er war, glitt das Auge über ihn hinweg, in
der ganzen architektonischen Erscheinung des Platzes war er so gut wie nicht vor¬
handen. Diesen Giebel hat nun ein in dem Hause befindliches Geschäft blendend
weiß anstreichen und mit mannshohen Buchstaben ihre Firma dranfschreiben
lassen — die einzigen Schriftzeichen, die auf dem ganzen großen Platze hier zu sehen
sind. Denn die kaufmännischen Geschäfte in den Privatbauten an der Ostseite sind
sämtlich so taktvoll gewesen, keine aufdringlichen Firmenschilder über ihren Läden
anzubringen. Diese eine Firma schlägt die ganze Architektur des Augustnsplatzes
tot, mau sieht eben nichts weiter als „Danker & Kote." Wer überhaupt Augen
hat, zu sehen, wer nicht ganz stumpfsinnig durch die Welt trottet, dem ist der
ganze schöne Platz dadurch verleidet.
Die guten Leute, die ihre Firma da oben haben anpinseln lassen, haben
natürlich keine Ahnung davon, was für eine Barbarei sie begangen haben. Aber
ich frage: war keine Möglichkeit, diese Barbarei zu verhüten? ist keine Möglichkeit,
sie rückgängig zu machen? Die Sache ist nicht ganz so schlimm, wie wenn eine
Burgruine durch eine angebaute Bierkneipe verhunzt, ein Bergrücken durch eine
Zahnradbahn verunstaltet, an einer Felswand im Gebirge Reklame für ein Hotel
oder für irgend eine kaufmännische Lumperei gemacht wird; aber viel besser ist es auch
uicht. Schlimm genug, daß in den Straßen unsrer alten Städte oft die ganze
Architektur schöner Rennissanee- oder Barockbauten durch eingebrochne Schaufenster
mit Rolllädeu ruinirt wird, daß ihre ganze Ornamentik oft durch breitspurige,
schreiend bunte Aushängeschilder zugedeckt wird. Aber ein Platz, wie der Leipziger
Angnstnsplatz, bei dem bisher nichts der Art die rein künstlerische Wirkung be¬
einträchtigte, sollte doch vor Amerikanisiruug geschützt sein.
I^rinizixiiiZ adsta. Wir haben so vielerlei Polizei, aber an eiuer fehlt es,
und sie thäte doch manchmal recht not: an Schönheitspvlizei.
Eine Modenfrage. In Paris ist ein Gesetz gegeben worden, demzufolge
im kommenden Winter die Damenkleider eine Weite zu erhalten haben, die eine
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