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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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An die Kritiker des Fürsten Bismarck

age wie die "Vismarckwoche" hat Deutschland noch nicht erlebt.
Ein vor mehr als zwei Jahren entlaßner Minister, der sicher¬
lich nicht mehr die Gnade seines kaiserlichen Herrn besitzt, wurde
in Dresden und München und überall auf seiner ganzen Reise
dnrch Sachsen und Baiern, ja selbst in Wien und Linz mit
einer Begeisterung begrüßt, die mit geradezu elementarer Gewalt hervorbrach.
Es ist vielleicht der größte Triumph, den der viclgefeierte jemals gefeiert hat,
und ein ehrendes Zeugnis für das deutsche Volk; wir sind doch leine Nation
von Byzantinern! Denn eben jene Staaten haben 186ti mit den Waffen in der
Hand die von ihm geleitete Politik bestritten, und von vielen ist er hier lange Zeit
bis aufs Blut gehaßt worden. Jetzt hat diese großartige Aufnahme aufs neue
und in wahrhaft imposanter Weise bewiesen, daß das Werk seines Lebens, die
deutsche Einheit, festgewurzelt ist im Volke, daß die Sachsen und Vaiern, denen
erst er ein großes Vaterland geschenkt hat, obwohl es ihnen wahrlich nicht so
ganz leicht gemacht worden ist, sich in die neuen Verhältnisse zu schicken, sich
dieses Vaterlands warmherzig, ohne Vorbehalt und ohne Rückhalt freuen und
seinem großen Mitbegründer von Herzen dankbar sind. Etwas Kindischeres hat
die freisinnig-jüdische Presse Berlins niemals geleistet als die Unterstellung, die
Huldigungen in Dresden seien eine "partikularistische Demonstration" gegen die
jetzige "preußische" Regierung gewesen! Sollten diese Herren den "hellen"
Sachsen wirklich eine solche Thorheit zutrauen? Wissen sie nichts mehr von dem
jubelnden Empfange Kaiser Wilhelms I. im September 1882 und seines Nach¬
folgers im August 1888? Wir Wollen zu ihrer eignen Ehre umnehmen, daß
sie mit vollem Bewußtsein die Wahrheit verleugnet und eine Verlegenheits¬
auskunft, eine recht herzlich alberne allerdings, gesucht haben. Doch es lohnt
nicht darüber zu reden. Mächtig wie kaum jemals hat das Volk das Bewußt-


Grenzboten III 1892 7


An die Kritiker des Fürsten Bismarck

age wie die „Vismarckwoche" hat Deutschland noch nicht erlebt.
Ein vor mehr als zwei Jahren entlaßner Minister, der sicher¬
lich nicht mehr die Gnade seines kaiserlichen Herrn besitzt, wurde
in Dresden und München und überall auf seiner ganzen Reise
dnrch Sachsen und Baiern, ja selbst in Wien und Linz mit
einer Begeisterung begrüßt, die mit geradezu elementarer Gewalt hervorbrach.
Es ist vielleicht der größte Triumph, den der viclgefeierte jemals gefeiert hat,
und ein ehrendes Zeugnis für das deutsche Volk; wir sind doch leine Nation
von Byzantinern! Denn eben jene Staaten haben 186ti mit den Waffen in der
Hand die von ihm geleitete Politik bestritten, und von vielen ist er hier lange Zeit
bis aufs Blut gehaßt worden. Jetzt hat diese großartige Aufnahme aufs neue
und in wahrhaft imposanter Weise bewiesen, daß das Werk seines Lebens, die
deutsche Einheit, festgewurzelt ist im Volke, daß die Sachsen und Vaiern, denen
erst er ein großes Vaterland geschenkt hat, obwohl es ihnen wahrlich nicht so
ganz leicht gemacht worden ist, sich in die neuen Verhältnisse zu schicken, sich
dieses Vaterlands warmherzig, ohne Vorbehalt und ohne Rückhalt freuen und
seinem großen Mitbegründer von Herzen dankbar sind. Etwas Kindischeres hat
die freisinnig-jüdische Presse Berlins niemals geleistet als die Unterstellung, die
Huldigungen in Dresden seien eine „partikularistische Demonstration" gegen die
jetzige „preußische" Regierung gewesen! Sollten diese Herren den „hellen"
Sachsen wirklich eine solche Thorheit zutrauen? Wissen sie nichts mehr von dem
jubelnden Empfange Kaiser Wilhelms I. im September 1882 und seines Nach¬
folgers im August 1888? Wir Wollen zu ihrer eignen Ehre umnehmen, daß
sie mit vollem Bewußtsein die Wahrheit verleugnet und eine Verlegenheits¬
auskunft, eine recht herzlich alberne allerdings, gesucht haben. Doch es lohnt
nicht darüber zu reden. Mächtig wie kaum jemals hat das Volk das Bewußt-


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[0057] [Abbildung] An die Kritiker des Fürsten Bismarck age wie die „Vismarckwoche" hat Deutschland noch nicht erlebt. Ein vor mehr als zwei Jahren entlaßner Minister, der sicher¬ lich nicht mehr die Gnade seines kaiserlichen Herrn besitzt, wurde in Dresden und München und überall auf seiner ganzen Reise dnrch Sachsen und Baiern, ja selbst in Wien und Linz mit einer Begeisterung begrüßt, die mit geradezu elementarer Gewalt hervorbrach. Es ist vielleicht der größte Triumph, den der viclgefeierte jemals gefeiert hat, und ein ehrendes Zeugnis für das deutsche Volk; wir sind doch leine Nation von Byzantinern! Denn eben jene Staaten haben 186ti mit den Waffen in der Hand die von ihm geleitete Politik bestritten, und von vielen ist er hier lange Zeit bis aufs Blut gehaßt worden. Jetzt hat diese großartige Aufnahme aufs neue und in wahrhaft imposanter Weise bewiesen, daß das Werk seines Lebens, die deutsche Einheit, festgewurzelt ist im Volke, daß die Sachsen und Vaiern, denen erst er ein großes Vaterland geschenkt hat, obwohl es ihnen wahrlich nicht so ganz leicht gemacht worden ist, sich in die neuen Verhältnisse zu schicken, sich dieses Vaterlands warmherzig, ohne Vorbehalt und ohne Rückhalt freuen und seinem großen Mitbegründer von Herzen dankbar sind. Etwas Kindischeres hat die freisinnig-jüdische Presse Berlins niemals geleistet als die Unterstellung, die Huldigungen in Dresden seien eine „partikularistische Demonstration" gegen die jetzige „preußische" Regierung gewesen! Sollten diese Herren den „hellen" Sachsen wirklich eine solche Thorheit zutrauen? Wissen sie nichts mehr von dem jubelnden Empfange Kaiser Wilhelms I. im September 1882 und seines Nach¬ folgers im August 1888? Wir Wollen zu ihrer eignen Ehre umnehmen, daß sie mit vollem Bewußtsein die Wahrheit verleugnet und eine Verlegenheits¬ auskunft, eine recht herzlich alberne allerdings, gesucht haben. Doch es lohnt nicht darüber zu reden. Mächtig wie kaum jemals hat das Volk das Bewußt- Grenzboten III 1892 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/57>, abgerufen am 05.01.2025.