Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches der unleidliche" Wirklichkeit, die von dem Zufallsspiel eines leichtfertige" Maßgebliches und Unmaßgebliches Zu Werthers Leiden. Dieser Tage wurde mir ein lange gehegter Wunsch Jeder Jünglinn sehnt sich so zu lieben, sondern: Jeder JnnMng wünschet so zu lieben. Ich blätterte weiter und sah nnn auch, daß Goethe eigenhändig eine Anzahl Druck¬ Das Exemplar ist offenbar eins von denen, die Goethe unmittelbar nach G. w. Maßgebliches und Unmaßgebliches der unleidliche» Wirklichkeit, die von dem Zufallsspiel eines leichtfertige» Maßgebliches und Unmaßgebliches Zu Werthers Leiden. Dieser Tage wurde mir ein lange gehegter Wunsch Jeder Jünglinn sehnt sich so zu lieben, sondern: Jeder JnnMng wünschet so zu lieben. Ich blätterte weiter und sah nnn auch, daß Goethe eigenhändig eine Anzahl Druck¬ Das Exemplar ist offenbar eins von denen, die Goethe unmittelbar nach G. w. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212531"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_126" prev="#ID_125"> der unleidliche» Wirklichkeit, die von dem Zufallsspiel eines leichtfertige»<lb/> Wagens erwartet, was die >to/5)/, «^«,/>^ des Weite»le»ters n»r der Selbst¬<lb/> zucht und der redlichen Arbeit gewähren: Freiheit und Glück.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Zu Werthers Leiden.</head> <p xml:id="ID_127"> Dieser Tage wurde mir ein lange gehegter Wunsch<lb/> erfüllt: es gelang mir, für meine kleine Sammlung erster Ausgaben von Werken<lb/> unsrer Klassiker die erste Ausgabe der „Leiden des jungen Werthers" (Leipzig, 1774)<lb/> in einem schönen, wohlerhnltnen, saubern Exemplare zu erwerben. Die Exemplare,<lb/> die ich früher gesehen hatte, waren immer zerlesen und schmutzig gewesen, wie alte<lb/> Leihbibliotheksschmöker. Wie groß war aber vollends meine Freude, als ich sofort<lb/> beim ersten Aufblättern am Schlüsse des ersten Teils von Goethes eigner Hand<lb/> die vier Reimzeilcn eingeschrieben fand, die dann vor der zweiten Auflage mit<lb/> gedruckt wurden, »ut zwar geschrieben mit einer Abweichung, die deutlich zeigt, daß<lb/> hier die erste Niederschrift vorliegt. Es heißt nämlich nicht, wie später — mit<lb/> entschiedner Verbeßrnng — im Druck:</p><lb/> <quote> Jeder Jünglinn sehnt sich so zu lieben,</quote><lb/> <p xml:id="ID_128"> sondern:</p><lb/> <quote> Jeder JnnMng wünschet so zu lieben.</quote><lb/> <p xml:id="ID_129"> Ich blätterte weiter und sah nnn auch, daß Goethe eigenhändig eine Anzahl Druck¬<lb/> fehler in dem Exemplar verbessert hat, und zwar nicht nur die meisten von denen,<lb/> die am Schlusse der Ausgabe verzeichnet sind, sonder» auch nach einige andre, die<lb/> dort nicht verzeichnet sind. Von Wichtigkeit sind wenigstens zwei. Der eine ist,<lb/> wie ich sehe, von der zweiten Ausgabe an überall berichtigt: im zweiten Teil<lb/> unteren t7. Dezember steht in der ersten Ausgabe falsch: „und delle ihren lieben<lb/> lispelnden Mund mit unendlichen Küssen"; Goethe hat verbessert: „ihren Liebe<lb/> lispelnden Mund." Über den andern aber hat er auch in den spätern Drucken<lb/> immer wieder weggelesen, und so steht er bis heute in allen Ausgaben: im erstell<lb/> Teil unterm t0. September ist in der ersten Ausgabe gedruckt: „Ich hatte mich<lb/> etwa eine halbe Stunde in denen schmachtenden süssen Gedanken des Abscheidens,<lb/> des Wiedersehns geweidet"; Goethe hat die letzten beiden Buchstaben von schmach¬<lb/> tenden sorgfältig durchstrichen, hat also gewollt, daß gelesen werde: „in denen<lb/> schmachtend süssen Gedanken." Und das ist anch sicherlich vorzuziehen, denn<lb/> schmachtenden, süßen enthält keine Steigerung, wogegen das süß durch<lb/> schmachtend vortrefflich gesteigert und gefärbt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_130"> Das Exemplar ist offenbar eins von denen, die Goethe unmittelbar nach<lb/> Beendigung des Drucks an Freunde verschenkte, und in denen er, wie junge<lb/> Autoren, die noch wenig haben drücken lassen, heute noch thun, die Druckfehler<lb/> vorher sorgfältig berichtigte.</p><lb/> <note type="byline"> G. w.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
der unleidliche» Wirklichkeit, die von dem Zufallsspiel eines leichtfertige»
Wagens erwartet, was die >to/5)/, «^«,/>^ des Weite»le»ters n»r der Selbst¬
zucht und der redlichen Arbeit gewähren: Freiheit und Glück.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Zu Werthers Leiden. Dieser Tage wurde mir ein lange gehegter Wunsch
erfüllt: es gelang mir, für meine kleine Sammlung erster Ausgaben von Werken
unsrer Klassiker die erste Ausgabe der „Leiden des jungen Werthers" (Leipzig, 1774)
in einem schönen, wohlerhnltnen, saubern Exemplare zu erwerben. Die Exemplare,
die ich früher gesehen hatte, waren immer zerlesen und schmutzig gewesen, wie alte
Leihbibliotheksschmöker. Wie groß war aber vollends meine Freude, als ich sofort
beim ersten Aufblättern am Schlüsse des ersten Teils von Goethes eigner Hand
die vier Reimzeilcn eingeschrieben fand, die dann vor der zweiten Auflage mit
gedruckt wurden, »ut zwar geschrieben mit einer Abweichung, die deutlich zeigt, daß
hier die erste Niederschrift vorliegt. Es heißt nämlich nicht, wie später — mit
entschiedner Verbeßrnng — im Druck:
Jeder Jünglinn sehnt sich so zu lieben,
sondern:
Jeder JnnMng wünschet so zu lieben.
Ich blätterte weiter und sah nnn auch, daß Goethe eigenhändig eine Anzahl Druck¬
fehler in dem Exemplar verbessert hat, und zwar nicht nur die meisten von denen,
die am Schlusse der Ausgabe verzeichnet sind, sonder» auch nach einige andre, die
dort nicht verzeichnet sind. Von Wichtigkeit sind wenigstens zwei. Der eine ist,
wie ich sehe, von der zweiten Ausgabe an überall berichtigt: im zweiten Teil
unteren t7. Dezember steht in der ersten Ausgabe falsch: „und delle ihren lieben
lispelnden Mund mit unendlichen Küssen"; Goethe hat verbessert: „ihren Liebe
lispelnden Mund." Über den andern aber hat er auch in den spätern Drucken
immer wieder weggelesen, und so steht er bis heute in allen Ausgaben: im erstell
Teil unterm t0. September ist in der ersten Ausgabe gedruckt: „Ich hatte mich
etwa eine halbe Stunde in denen schmachtenden süssen Gedanken des Abscheidens,
des Wiedersehns geweidet"; Goethe hat die letzten beiden Buchstaben von schmach¬
tenden sorgfältig durchstrichen, hat also gewollt, daß gelesen werde: „in denen
schmachtend süssen Gedanken." Und das ist anch sicherlich vorzuziehen, denn
schmachtenden, süßen enthält keine Steigerung, wogegen das süß durch
schmachtend vortrefflich gesteigert und gefärbt wird.
Das Exemplar ist offenbar eins von denen, die Goethe unmittelbar nach
Beendigung des Drucks an Freunde verschenkte, und in denen er, wie junge
Autoren, die noch wenig haben drücken lassen, heute noch thun, die Druckfehler
vorher sorgfältig berichtigte.
G. w.
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