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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Die Judenfrage eine ethische Frage

sich steigern fühlen und jene Empfindung der Zusammenfassung zur Bereit¬
schaft haben, mit der wir einen Salon voll fremder Menschen betreten. Um
andrerseits zu lernen, wie die Fremden bei uns zu empfangen sind, ohne ihnen
zu wenig zu geben und uns etwas zu vergeben, und um uns und unsre Produkte
etwas mehr aus dem Schatten zu ziehen, wäre ohne Frage eine Berliner
Weltausstellung recht nützlich gewesen. Wir bedauern aus uatioualpndagogischen
Gründen ihr Nichtzustandekommen, glauben aber nicht, daß man sich darum
in Trauer zu hüllen brauche, denn in der Idee einer solchen Kundgebung liegt
etwas aus unsrer nationalen Entwicklung hervorgehendes Notwendiges; sie
wird sich ohne Frage in irgend einer Gestalt im nächsten Jahrzehnt verwirk¬
lichen müssen, und die Regierung wird sich bestimmt nicht auf die Dauer
von ihr abwenden können.




Die Judenfrage eine ethische Frage")
von Leopold Laro

WUM
c^WM?)n Deutschland ist gegenwärtig ein heftiger Kampf zwischen Juden
und Antisemiten entbrannt. Dies veranlaßt mich, in deutscher
Sprache das Wort in dieser Frage zu ergreifen, wenn ich auch
uicht Deutscher, sondern Pole bin. Ich bin der Ansicht, daß
nur ein Ausländer ein unparteiisches Urteil über Judentum
und Antisemitismus zu fällen imstande sei, weil er fern von dem Kampfe der
Parteien leichter das Wahre von dem Falschen, das Wesentliche von dem
Unbedeutenden und Nebensächlichen unterscheidet. Die folgenden Ausführungen
sollen den Kampf uicht hineintragen, wo er schon längst wütet; sie verfolgen
im Gegenteil den Zweck, die Schuldigen preiszugeben, um die Unschuldigen
Zu retten, die Verworfnen unnachsichtlich an den Pranger zu stellen, um der
Sache des sozialen Friedens zu dienen. Ich bin mir vollkommen bewußt, daß
ü'h es keiner Partei recht machen werde, aber da ich von der Nichtigkeit meines
Standpunktes aufs innigste überzeugt bin, so biete ich getrost allen die Stirn
und sehe allen Angriffen ruhig entgegen. Möge man sins irs, se swäio hin-
nehmen, was ich aus Liebe zur Wahrheit und im Dienste der guten Sache
sagen zu müssen glaubte!





Wir haben diesem völlig unparteiischen Aufsatz die Aufnahme nicht verweigern
wollen; möchte er vor allem auch in jüdischen Kreisen beachtet und beherzigt werden. Der
Die Judenfrage eine ethische Frage

sich steigern fühlen und jene Empfindung der Zusammenfassung zur Bereit¬
schaft haben, mit der wir einen Salon voll fremder Menschen betreten. Um
andrerseits zu lernen, wie die Fremden bei uns zu empfangen sind, ohne ihnen
zu wenig zu geben und uns etwas zu vergeben, und um uns und unsre Produkte
etwas mehr aus dem Schatten zu ziehen, wäre ohne Frage eine Berliner
Weltausstellung recht nützlich gewesen. Wir bedauern aus uatioualpndagogischen
Gründen ihr Nichtzustandekommen, glauben aber nicht, daß man sich darum
in Trauer zu hüllen brauche, denn in der Idee einer solchen Kundgebung liegt
etwas aus unsrer nationalen Entwicklung hervorgehendes Notwendiges; sie
wird sich ohne Frage in irgend einer Gestalt im nächsten Jahrzehnt verwirk¬
lichen müssen, und die Regierung wird sich bestimmt nicht auf die Dauer
von ihr abwenden können.




Die Judenfrage eine ethische Frage")
von Leopold Laro

WUM
c^WM?)n Deutschland ist gegenwärtig ein heftiger Kampf zwischen Juden
und Antisemiten entbrannt. Dies veranlaßt mich, in deutscher
Sprache das Wort in dieser Frage zu ergreifen, wenn ich auch
uicht Deutscher, sondern Pole bin. Ich bin der Ansicht, daß
nur ein Ausländer ein unparteiisches Urteil über Judentum
und Antisemitismus zu fällen imstande sei, weil er fern von dem Kampfe der
Parteien leichter das Wahre von dem Falschen, das Wesentliche von dem
Unbedeutenden und Nebensächlichen unterscheidet. Die folgenden Ausführungen
sollen den Kampf uicht hineintragen, wo er schon längst wütet; sie verfolgen
im Gegenteil den Zweck, die Schuldigen preiszugeben, um die Unschuldigen
Zu retten, die Verworfnen unnachsichtlich an den Pranger zu stellen, um der
Sache des sozialen Friedens zu dienen. Ich bin mir vollkommen bewußt, daß
ü'h es keiner Partei recht machen werde, aber da ich von der Nichtigkeit meines
Standpunktes aufs innigste überzeugt bin, so biete ich getrost allen die Stirn
und sehe allen Angriffen ruhig entgegen. Möge man sins irs, se swäio hin-
nehmen, was ich aus Liebe zur Wahrheit und im Dienste der guten Sache
sagen zu müssen glaubte!





Wir haben diesem völlig unparteiischen Aufsatz die Aufnahme nicht verweigern
wollen; möchte er vor allem auch in jüdischen Kreisen beachtet und beherzigt werden. Der
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[0451] Die Judenfrage eine ethische Frage sich steigern fühlen und jene Empfindung der Zusammenfassung zur Bereit¬ schaft haben, mit der wir einen Salon voll fremder Menschen betreten. Um andrerseits zu lernen, wie die Fremden bei uns zu empfangen sind, ohne ihnen zu wenig zu geben und uns etwas zu vergeben, und um uns und unsre Produkte etwas mehr aus dem Schatten zu ziehen, wäre ohne Frage eine Berliner Weltausstellung recht nützlich gewesen. Wir bedauern aus uatioualpndagogischen Gründen ihr Nichtzustandekommen, glauben aber nicht, daß man sich darum in Trauer zu hüllen brauche, denn in der Idee einer solchen Kundgebung liegt etwas aus unsrer nationalen Entwicklung hervorgehendes Notwendiges; sie wird sich ohne Frage in irgend einer Gestalt im nächsten Jahrzehnt verwirk¬ lichen müssen, und die Regierung wird sich bestimmt nicht auf die Dauer von ihr abwenden können. Die Judenfrage eine ethische Frage") von Leopold Laro WUM c^WM?)n Deutschland ist gegenwärtig ein heftiger Kampf zwischen Juden und Antisemiten entbrannt. Dies veranlaßt mich, in deutscher Sprache das Wort in dieser Frage zu ergreifen, wenn ich auch uicht Deutscher, sondern Pole bin. Ich bin der Ansicht, daß nur ein Ausländer ein unparteiisches Urteil über Judentum und Antisemitismus zu fällen imstande sei, weil er fern von dem Kampfe der Parteien leichter das Wahre von dem Falschen, das Wesentliche von dem Unbedeutenden und Nebensächlichen unterscheidet. Die folgenden Ausführungen sollen den Kampf uicht hineintragen, wo er schon längst wütet; sie verfolgen im Gegenteil den Zweck, die Schuldigen preiszugeben, um die Unschuldigen Zu retten, die Verworfnen unnachsichtlich an den Pranger zu stellen, um der Sache des sozialen Friedens zu dienen. Ich bin mir vollkommen bewußt, daß ü'h es keiner Partei recht machen werde, aber da ich von der Nichtigkeit meines Standpunktes aufs innigste überzeugt bin, so biete ich getrost allen die Stirn und sehe allen Angriffen ruhig entgegen. Möge man sins irs, se swäio hin- nehmen, was ich aus Liebe zur Wahrheit und im Dienste der guten Sache sagen zu müssen glaubte! Wir haben diesem völlig unparteiischen Aufsatz die Aufnahme nicht verweigern wollen; möchte er vor allem auch in jüdischen Kreisen beachtet und beherzigt werden. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/451>, abgerufen am 05.01.2025.