Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches auf die andern und an ihrem eignen traurigen Aussehn. Ich konnte mich Also blieb ich vor der Hand Geisbub und Schueiderjung in Hinterwinkel. Maßgebliches und Unmaßgebliches Vom ungarischen Globus. Vor uns liegt ein wunderliches Druckwerk, Ob die unterzeichneten Herren in der Wiener Hofburg großen Eindruck machen Maßgebliches und Unmaßgebliches auf die andern und an ihrem eignen traurigen Aussehn. Ich konnte mich Also blieb ich vor der Hand Geisbub und Schueiderjung in Hinterwinkel. Maßgebliches und Unmaßgebliches Vom ungarischen Globus. Vor uns liegt ein wunderliches Druckwerk, Ob die unterzeichneten Herren in der Wiener Hofburg großen Eindruck machen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212912"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1477" prev="#ID_1476"> auf die andern und an ihrem eignen traurigen Aussehn. Ich konnte mich<lb/> deshalb nicht entschließen, meinen Hamburger Brief abzuschicken. Wie sollte<lb/> ich auch, wenn das Menschen waren, die andre Leute unglücklich machten?</p><lb/> <p xml:id="ID_1478"> Also blieb ich vor der Hand Geisbub und Schueiderjung in Hinterwinkel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <p xml:id="ID_1479"> Vom ungarischen Globus. Vor uns liegt ein wunderliches Druckwerk,<lb/> so ingrimmig abgefaßt und von außen so karmoisinrot, daß man meinen könnte,<lb/> die darin aufgespeicherte Wut sei ihm in den Umschlag gefahren. Es trägt den<lb/> Stempel Hermannstadt (Siebenbürgen) 1892 und wendet sich in höchst erregter<lb/> Sprache in dreißig riesigen Quartseiten an Seine kaiserliche und königliche aposto¬<lb/> lische Majestät Franz Joseph I., um ihn anläßlich des ungarischen Krvnungs-<lb/> jubilönms in immer erneuten, leidenschaftlichen Anrufungen zu beschwören, sich nicht<lb/> ausschließlich zum König der Magharen machen zu lassen. Die heftige Streitschrift<lb/> hat gleichwohl viel überzeugendes; nicht immer ist der in Erregung geratene im<lb/> Unrecht. Sie beweist aktenmäßig, daß durch die Union die Autonomie Sieben¬<lb/> bürgens „auf eine ungerechte, dem Staatsrecht und den Rechten der freien Elemente,<lb/> die Siebenbürgen bilden, zuwiderlaufende Weise und mit Mißachtung seiner ethnischen,<lb/> geographischen Lage sowie seiner eigenartigen Entwicklung vernichtet worden ist."<lb/> Sie hält den Magharen entgegen, daß sie sich zu der von ihr vertretnen Be¬<lb/> völkerung wie 1 zu 8 verhalten; daß die Magharen auf Grund der den Edelleuten<lb/> und deu freien Szeklern verliehenen Wahlrechte „je auf 4000 bis 5000 Seelen einen<lb/> Deputirten entsenden," dagegen die von ihr vertretene Bevölkerung in den von ihr<lb/> bewohnten Komitaten erst auf 50 000 bis 00 000 Einwohner einen. Sie fragt, auf<lb/> Grund welcher Thatsache in der tausendjährigen Geschichte des Landes die Magyaren<lb/> dazu kommen, der Bevölkerung gegenüber „ein Staatsrechtsprinzip wie zwischen<lb/> dem Erobrer und dem Unterwvrfnen" durchzusetzen. Die Hauptsorge der Negierung<lb/> sei nicht die gute Verwaltung, sondern die Magharisirung des ganzen öffentlichen<lb/> Lebens. Die meiste Zeit des Schulbesuchs, „achtzehn Stunden wöchentlich," werde<lb/> auf die Erlernung einer „völlig fremdklingenden Sprache," der alle übrigen<lb/> Sprachen zu „Dialekten" herabdrückenden nmgharischen „Staatssprache," verwendet.<lb/> Sie beschwert sich über die „magyarischen Kultuvereine" (so!), die in Wahrheit<lb/> nichts andres seien als „eine Organisirung der magyarischen Gesellschaft für einen<lb/> ausgesprochen aggressiven Rassenkamps" n, f. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_1480" next="#ID_1481"> Ob die unterzeichneten Herren in der Wiener Hofburg großen Eindruck machen<lb/> werden, bezweifeln wir. Wir fürchten, das karmoisinrote Heft mit seinem heiligen<lb/> Zorne werde an irgend einer unheiligen Stelle verschwinden, ehe es sein Ziel, die<lb/> königliche und kaiserliche apostolische Majestät, erreicht. Kaum ein Lächeln für die<lb/> herausfordernde Tragikomik des Unternehmens werden die vielgeplagten Herren in<lb/> Wien dafür übrig haben, die so eifrig damit beschäftigt sind, Völkervorsehung zu<lb/> spielen. Was uns Deutsche nur dabei beruhigen — oder beunruhigen? — kann, ist<lb/> dies, daß es nicht, wie man wohl allgemein geglaubt haben wird, unsre deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
auf die andern und an ihrem eignen traurigen Aussehn. Ich konnte mich
deshalb nicht entschließen, meinen Hamburger Brief abzuschicken. Wie sollte
ich auch, wenn das Menschen waren, die andre Leute unglücklich machten?
Also blieb ich vor der Hand Geisbub und Schueiderjung in Hinterwinkel.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vom ungarischen Globus. Vor uns liegt ein wunderliches Druckwerk,
so ingrimmig abgefaßt und von außen so karmoisinrot, daß man meinen könnte,
die darin aufgespeicherte Wut sei ihm in den Umschlag gefahren. Es trägt den
Stempel Hermannstadt (Siebenbürgen) 1892 und wendet sich in höchst erregter
Sprache in dreißig riesigen Quartseiten an Seine kaiserliche und königliche aposto¬
lische Majestät Franz Joseph I., um ihn anläßlich des ungarischen Krvnungs-
jubilönms in immer erneuten, leidenschaftlichen Anrufungen zu beschwören, sich nicht
ausschließlich zum König der Magharen machen zu lassen. Die heftige Streitschrift
hat gleichwohl viel überzeugendes; nicht immer ist der in Erregung geratene im
Unrecht. Sie beweist aktenmäßig, daß durch die Union die Autonomie Sieben¬
bürgens „auf eine ungerechte, dem Staatsrecht und den Rechten der freien Elemente,
die Siebenbürgen bilden, zuwiderlaufende Weise und mit Mißachtung seiner ethnischen,
geographischen Lage sowie seiner eigenartigen Entwicklung vernichtet worden ist."
Sie hält den Magharen entgegen, daß sie sich zu der von ihr vertretnen Be¬
völkerung wie 1 zu 8 verhalten; daß die Magharen auf Grund der den Edelleuten
und deu freien Szeklern verliehenen Wahlrechte „je auf 4000 bis 5000 Seelen einen
Deputirten entsenden," dagegen die von ihr vertretene Bevölkerung in den von ihr
bewohnten Komitaten erst auf 50 000 bis 00 000 Einwohner einen. Sie fragt, auf
Grund welcher Thatsache in der tausendjährigen Geschichte des Landes die Magyaren
dazu kommen, der Bevölkerung gegenüber „ein Staatsrechtsprinzip wie zwischen
dem Erobrer und dem Unterwvrfnen" durchzusetzen. Die Hauptsorge der Negierung
sei nicht die gute Verwaltung, sondern die Magharisirung des ganzen öffentlichen
Lebens. Die meiste Zeit des Schulbesuchs, „achtzehn Stunden wöchentlich," werde
auf die Erlernung einer „völlig fremdklingenden Sprache," der alle übrigen
Sprachen zu „Dialekten" herabdrückenden nmgharischen „Staatssprache," verwendet.
Sie beschwert sich über die „magyarischen Kultuvereine" (so!), die in Wahrheit
nichts andres seien als „eine Organisirung der magyarischen Gesellschaft für einen
ausgesprochen aggressiven Rassenkamps" n, f. w.
Ob die unterzeichneten Herren in der Wiener Hofburg großen Eindruck machen
werden, bezweifeln wir. Wir fürchten, das karmoisinrote Heft mit seinem heiligen
Zorne werde an irgend einer unheiligen Stelle verschwinden, ehe es sein Ziel, die
königliche und kaiserliche apostolische Majestät, erreicht. Kaum ein Lächeln für die
herausfordernde Tragikomik des Unternehmens werden die vielgeplagten Herren in
Wien dafür übrig haben, die so eifrig damit beschäftigt sind, Völkervorsehung zu
spielen. Was uns Deutsche nur dabei beruhigen — oder beunruhigen? — kann, ist
dies, daß es nicht, wie man wohl allgemein geglaubt haben wird, unsre deutschen
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