Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches lichkeit stritt, würde er ein offnes Auge haben für die "menschenfreundliche" Wirk¬ Aber für völlig ausreichend scheint Herr Mund seine eigne Poesie doch nicht ge¬ Nochmals das ärztliche Studium der Frauen. Die Damen, die nicht Wir sind nnn nicht so unhöflich, den strebenden Frauen vorzuschlagen, Schlosser Maßgebliches und Unmaßgebliches lichkeit stritt, würde er ein offnes Auge haben für die „menschenfreundliche" Wirk¬ Aber für völlig ausreichend scheint Herr Mund seine eigne Poesie doch nicht ge¬ Nochmals das ärztliche Studium der Frauen. Die Damen, die nicht Wir sind nnn nicht so unhöflich, den strebenden Frauen vorzuschlagen, Schlosser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212817"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1147" prev="#ID_1146"> lichkeit stritt, würde er ein offnes Auge haben für die „menschenfreundliche" Wirk¬<lb/> samkeit der jüdischen Wucherer in Hessen und anderswo. Die Zeiten haben sich<lb/> eben geändert. Aber Lessing kann sich ja nicht mehr wehren gegen den Mißbrauch,<lb/> der mit seinem Namen getrieben wird; ohne Besorgnis, von seiner scharfen Feder<lb/> gezüchtigt zu werden, konnte deshalb Herr Mund den Zweck seines „Manifests<lb/> des Geistes" in den herrlichen Versen — Wilhelm Busch brauchte sich ihrer nicht<lb/> zu schämen — aussprechen:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_8" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1148"> Aber für völlig ausreichend scheint Herr Mund seine eigne Poesie doch nicht ge¬<lb/> halten zu habe»; es folgt daher noch eine Strophe vou Hermann Lingg, um die<lb/> bekannten „hervorragenden Männer" noch geneigter zu machen, „einzutreten für den<lb/> welterlösenden Gedanken der Humanität." Wie aber könnte dies besser geschehen,<lb/> als durch eiuen „kurzen, aber kernigen Beitrag, eine Meinungsäußerung gegen den<lb/> Antisemitismus!" Dieser allein hindert ja noch die Herrschaft der Humanität auf<lb/> unsrer schönen Erde. Ihn zu bekämpfen soll hier „ein Sammelwerk von kleinen,<lb/> aber wertvollen Beiträgen bedeutender Zeitgenossen in Poesie und Prosa aus alle»<lb/> zivilisirteu Ländern und in allen modernen Sprachen" geboten werden. Natür¬<lb/> lich handelt auch die Verlagsbuchhandlung aus den reinsten Beweggründen. Sie<lb/> erläßt ihre Aufforderung „unbeirrt von den mit diesem Vorgehen verknüpften<lb/> großen Geldopfern, unbeirrt ferner um (!) die sicher zu erwartende» Angriffe der<lb/> bon Gift des Antisemitismus durchseuchten Bcvölkeruugsklassen." Ja, es giebt<lb/> noch uneigennützige Verleger! Wer wagt es, angesichts dieses Ausrufs darau zu<lb/> zweifeln? Freilich fehlt eine Angabe darüber, zu welchem Zwecke der Ertrag des<lb/> „Manifestes" verwendet werden soll. Aber da bietet sich ja von selbst der „er¬<lb/> weiterte Buschofffonds." Ob das „humanitäre" Sammelwerk zu stände kommen<lb/> wird? Wir wagen es uicht zu bezweifeln. Der geschäftliche Zweck des Unter¬<lb/> nehmens wäre damit erreicht; die „Humanität" hätte ihre Mohreuschuldigkeit gethan.<lb/> Von etwaigen weitern Absichten freilich könnte sich höchstens das Gegenteil erfüllen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Nochmals das ärztliche Studium der Frauen.</head> <p xml:id="ID_1149"> Die Damen, die nicht<lb/> nur die Freigebung des medizinischen Studiums für die Frauen fordern, sondern<lb/> überhaupt jeden wissenschaftlichen Männerberuf (die Handwerke stehn ihnen jn offen)<lb/> für sich geöffnet zu sehn wünschen, haben von ihrem Standpunkte aus ganz Recht.<lb/> Denn sie wollen nicht nur für prüde Frauen Ärztinnen haben, das ist nur ein<lb/> Nebenpunkt, sondern sie »vollen die soziale Frage, wenigstens für die Frauen, lösen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1150" next="#ID_1151"> Wir sind nnn nicht so unhöflich, den strebenden Frauen vorzuschlagen, Schlosser<lb/> oder Dachdecker zu werden und sich so einen Beruf zu schaffen, der sie selb¬<lb/> ständig macht und sie ernährt; denn die Damen bleiben sich bei all ihrem gewal¬<lb/> tigen Vorwärtsdrängen doch ihrer natürlichen Schwäche bewußt und beanspruchen<lb/> deshalb nur — es sind ja nur „Damen," nicht die Frauen des Volks, die waschen,<lb/> Plätten und schneidern gehn — die wissenschaftlichen Gebiete, die nicht nnmittel-<lb/> bcir der Muskelkraft bedürfen. Daß für gelehrten Beruf ihre Fähigkeiten und<lb/> Kräfte ausreichen, ist zwar uicht erwiesen, aber es wird zunächst als selbstverständ¬<lb/> lich angenommen, da ja das Ausland, das immer noch nicht genügend maßgebliche<lb/> Ausland, insbesondre das in jeder Beziehung hoch über uus stehende Amerika<lb/> und selbst unsre Freunde die Schweizer längst den glänzenden Beweis geliefert<lb/> haben, daß dort die Frauen machen können, was sie wollen. Damit werden sie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
lichkeit stritt, würde er ein offnes Auge haben für die „menschenfreundliche" Wirk¬
samkeit der jüdischen Wucherer in Hessen und anderswo. Die Zeiten haben sich
eben geändert. Aber Lessing kann sich ja nicht mehr wehren gegen den Mißbrauch,
der mit seinem Namen getrieben wird; ohne Besorgnis, von seiner scharfen Feder
gezüchtigt zu werden, konnte deshalb Herr Mund den Zweck seines „Manifests
des Geistes" in den herrlichen Versen — Wilhelm Busch brauchte sich ihrer nicht
zu schämen — aussprechen:
Aber für völlig ausreichend scheint Herr Mund seine eigne Poesie doch nicht ge¬
halten zu habe»; es folgt daher noch eine Strophe vou Hermann Lingg, um die
bekannten „hervorragenden Männer" noch geneigter zu machen, „einzutreten für den
welterlösenden Gedanken der Humanität." Wie aber könnte dies besser geschehen,
als durch eiuen „kurzen, aber kernigen Beitrag, eine Meinungsäußerung gegen den
Antisemitismus!" Dieser allein hindert ja noch die Herrschaft der Humanität auf
unsrer schönen Erde. Ihn zu bekämpfen soll hier „ein Sammelwerk von kleinen,
aber wertvollen Beiträgen bedeutender Zeitgenossen in Poesie und Prosa aus alle»
zivilisirteu Ländern und in allen modernen Sprachen" geboten werden. Natür¬
lich handelt auch die Verlagsbuchhandlung aus den reinsten Beweggründen. Sie
erläßt ihre Aufforderung „unbeirrt von den mit diesem Vorgehen verknüpften
großen Geldopfern, unbeirrt ferner um (!) die sicher zu erwartende» Angriffe der
bon Gift des Antisemitismus durchseuchten Bcvölkeruugsklassen." Ja, es giebt
noch uneigennützige Verleger! Wer wagt es, angesichts dieses Ausrufs darau zu
zweifeln? Freilich fehlt eine Angabe darüber, zu welchem Zwecke der Ertrag des
„Manifestes" verwendet werden soll. Aber da bietet sich ja von selbst der „er¬
weiterte Buschofffonds." Ob das „humanitäre" Sammelwerk zu stände kommen
wird? Wir wagen es uicht zu bezweifeln. Der geschäftliche Zweck des Unter¬
nehmens wäre damit erreicht; die „Humanität" hätte ihre Mohreuschuldigkeit gethan.
Von etwaigen weitern Absichten freilich könnte sich höchstens das Gegenteil erfüllen.
Nochmals das ärztliche Studium der Frauen. Die Damen, die nicht
nur die Freigebung des medizinischen Studiums für die Frauen fordern, sondern
überhaupt jeden wissenschaftlichen Männerberuf (die Handwerke stehn ihnen jn offen)
für sich geöffnet zu sehn wünschen, haben von ihrem Standpunkte aus ganz Recht.
Denn sie wollen nicht nur für prüde Frauen Ärztinnen haben, das ist nur ein
Nebenpunkt, sondern sie »vollen die soziale Frage, wenigstens für die Frauen, lösen.
Wir sind nnn nicht so unhöflich, den strebenden Frauen vorzuschlagen, Schlosser
oder Dachdecker zu werden und sich so einen Beruf zu schaffen, der sie selb¬
ständig macht und sie ernährt; denn die Damen bleiben sich bei all ihrem gewal¬
tigen Vorwärtsdrängen doch ihrer natürlichen Schwäche bewußt und beanspruchen
deshalb nur — es sind ja nur „Damen," nicht die Frauen des Volks, die waschen,
Plätten und schneidern gehn — die wissenschaftlichen Gebiete, die nicht nnmittel-
bcir der Muskelkraft bedürfen. Daß für gelehrten Beruf ihre Fähigkeiten und
Kräfte ausreichen, ist zwar uicht erwiesen, aber es wird zunächst als selbstverständ¬
lich angenommen, da ja das Ausland, das immer noch nicht genügend maßgebliche
Ausland, insbesondre das in jeder Beziehung hoch über uus stehende Amerika
und selbst unsre Freunde die Schweizer längst den glänzenden Beweis geliefert
haben, daß dort die Frauen machen können, was sie wollen. Damit werden sie
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