Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Seeunfall. Einem Schnelldampfer ist vor kurzem ein Segelschiff gennu in Wo die Schuld nach dem Paragraphen des Gesetzes liegt, darüber zu ur¬ Es heißt, daß die Einberufung einer zweiten internationalen Schiffnhrts- Maßgebliches und Unmaßgebliches Seeunfall. Einem Schnelldampfer ist vor kurzem ein Segelschiff gennu in Wo die Schuld nach dem Paragraphen des Gesetzes liegt, darüber zu ur¬ Es heißt, daß die Einberufung einer zweiten internationalen Schiffnhrts- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212814"/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Seeunfall.</head> <p xml:id="ID_1135"> Einem Schnelldampfer ist vor kurzem ein Segelschiff gennu in<lb/> der Art zum Opfer gefallen, wie sie uns der Washingtoner Marinekonferenz von<lb/> dem norwegischen Kapitän Flvod (vergl. Grenzboten 1892, II S, 573) voraus¬<lb/> gesagt worden ist. Am 22. Juni morgens gegen 6 Uhr rannte bei Nebel im<lb/> Atlantischen Ozean unweit der nordamerikanischen Küste der Schnelldampfer Trcwe<lb/> das englische Segelschiff Fred. B. Taylor über und schnitt das Schiff (buchstäblich!)<lb/> in zwei Hälften. Der Schnelldampfer, noch mit nngcmäßigter Geschwindigkeit<lb/> laufend, war in eine Nebclbank hineingeraten, und der Wachhabende soll gerade<lb/> dem Schiffskapitän die Meldung des Nebels geschickt haben, um Erlaubnis zum<lb/> Mäßigen der Geschwindigkeit zu erhalten, als an Steuerbordseite, einen Strich (11°)<lb/> von vorn in nächster Nähe ein Schiff nnter vollen Segeln in Sicht kam, das den<lb/> Kurs des Dampfers zu kreuzen beabsichtigte Dem Dampfer fiel es nach dem<lb/> Straßenrecht zur See zu, aus dem Wege zu gehe»; außerdem lief er große Gefahr,<lb/> von dem Segelschiff augernnnt zu werde», und zwar in seine Breitseite hinein,<lb/> wodurch das Leben der 049 Köpfe auf der Trave vielleicht verloren gegangen<lb/> wäre. Für den Wachhabenden auf der Trave blieb nur der Ausweg, mit „Nuder<lb/> hart rechts" (wie in der Handelsmarine das Kommando jetzt lautet) nach Steuer¬<lb/> bordseite, so schnell es noch ging, zu drehen, wobei er den Bug seines Dampfers,<lb/> also seine stärkste Stelle, dem Gegensegler zuwendete und im schlimmsten Falle<lb/> ohne große Gefahr für sein eignes Schiff den Gegensegler in dessen Breitseite<lb/> treffen mußte. Dieser Fall trat ein; trotzdem daß die Maschine der Trave mit<lb/> Volldampf rückwärts arbeitete, war der Stoß infolge der bisherigen ungeheuern<lb/> Geschwindigkeit des Schnelldampfers so heftig, daß das Segelschiff in der Nähe<lb/> seines Kreuzmastes mitten durchgeschnitten wurde; deun wie mit der Schneide eines<lb/> Meißel durchbortes der scharfe Stahlbug die schwache» Bordwände des Engländers.<lb/> Den Bemühungen der Sclmelldamvferbesntzung ist es zu danken, daß fast die ge¬<lb/> samte Mannschaft des verunglückten Segelschiffs gerettet wurde; nur zwei Mann<lb/> kamen ums Leben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1136"> Wo die Schuld nach dem Paragraphen des Gesetzes liegt, darüber zu ur¬<lb/> teilen ist Sache der zuständigen Seegerichte. Die moralische Schuld an dem<lb/> nur durch die Geistesgegenwart des wachhabenden Offiziers der Trave in der<lb/> Wirkung abgeschwächte» Unheil liegt auch hier an dem Schnellfahren der Schiffe<lb/> im Nebel. Aufrichtig zu bedauern ist dabei, daß gerade die tüchtigste und mit<lb/> den besten Offiziere» und Mannschaften versehene deutsche Gesellschaft des Llohd die<lb/> Sünden der englischen Schnelldnmpferlinien infolge eines verhängnisvollen Zufalls¬<lb/> spieles ausbilden muß. Deun gerade das rücksichtslose Schnellfahren der englischen<lb/> Dampfer veranlaßt leider unsre Gesellschaften der Konkurrenzfähigkeit wegen eben¬<lb/> falls, solange es irgend die Umstände erlaube», die rase»de Geschwindigkeit der<lb/> Schiffe bei eintretendem Nebel so spät und so wenig als möglich zu verringern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1137" next="#ID_1138"> Es heißt, daß die Einberufung einer zweiten internationalen Schiffnhrts-<lb/> kvnferenz, wahrscheinlich in Paris, gesichert sei. Daß die Franzosen, die über die<lb/> größte Zahl wissenschaftlich durchgebildeter Seeleute verfügen, mit der Abstellung<lb/> der vielen Mangel des Straßenrechts zur See, unter denen die Nebelfrnge die<lb/> dringendste ist, nochmals einen thatkräftigen Versuch machen »vollen, verdient die<lb/> Anerkennung aller, deuen an der gefunden Entwicklung des Weltverkehrs und am</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Seeunfall. Einem Schnelldampfer ist vor kurzem ein Segelschiff gennu in
der Art zum Opfer gefallen, wie sie uns der Washingtoner Marinekonferenz von
dem norwegischen Kapitän Flvod (vergl. Grenzboten 1892, II S, 573) voraus¬
gesagt worden ist. Am 22. Juni morgens gegen 6 Uhr rannte bei Nebel im
Atlantischen Ozean unweit der nordamerikanischen Küste der Schnelldampfer Trcwe
das englische Segelschiff Fred. B. Taylor über und schnitt das Schiff (buchstäblich!)
in zwei Hälften. Der Schnelldampfer, noch mit nngcmäßigter Geschwindigkeit
laufend, war in eine Nebclbank hineingeraten, und der Wachhabende soll gerade
dem Schiffskapitän die Meldung des Nebels geschickt haben, um Erlaubnis zum
Mäßigen der Geschwindigkeit zu erhalten, als an Steuerbordseite, einen Strich (11°)
von vorn in nächster Nähe ein Schiff nnter vollen Segeln in Sicht kam, das den
Kurs des Dampfers zu kreuzen beabsichtigte Dem Dampfer fiel es nach dem
Straßenrecht zur See zu, aus dem Wege zu gehe»; außerdem lief er große Gefahr,
von dem Segelschiff augernnnt zu werde», und zwar in seine Breitseite hinein,
wodurch das Leben der 049 Köpfe auf der Trave vielleicht verloren gegangen
wäre. Für den Wachhabenden auf der Trave blieb nur der Ausweg, mit „Nuder
hart rechts" (wie in der Handelsmarine das Kommando jetzt lautet) nach Steuer¬
bordseite, so schnell es noch ging, zu drehen, wobei er den Bug seines Dampfers,
also seine stärkste Stelle, dem Gegensegler zuwendete und im schlimmsten Falle
ohne große Gefahr für sein eignes Schiff den Gegensegler in dessen Breitseite
treffen mußte. Dieser Fall trat ein; trotzdem daß die Maschine der Trave mit
Volldampf rückwärts arbeitete, war der Stoß infolge der bisherigen ungeheuern
Geschwindigkeit des Schnelldampfers so heftig, daß das Segelschiff in der Nähe
seines Kreuzmastes mitten durchgeschnitten wurde; deun wie mit der Schneide eines
Meißel durchbortes der scharfe Stahlbug die schwache» Bordwände des Engländers.
Den Bemühungen der Sclmelldamvferbesntzung ist es zu danken, daß fast die ge¬
samte Mannschaft des verunglückten Segelschiffs gerettet wurde; nur zwei Mann
kamen ums Leben.
Wo die Schuld nach dem Paragraphen des Gesetzes liegt, darüber zu ur¬
teilen ist Sache der zuständigen Seegerichte. Die moralische Schuld an dem
nur durch die Geistesgegenwart des wachhabenden Offiziers der Trave in der
Wirkung abgeschwächte» Unheil liegt auch hier an dem Schnellfahren der Schiffe
im Nebel. Aufrichtig zu bedauern ist dabei, daß gerade die tüchtigste und mit
den besten Offiziere» und Mannschaften versehene deutsche Gesellschaft des Llohd die
Sünden der englischen Schnelldnmpferlinien infolge eines verhängnisvollen Zufalls¬
spieles ausbilden muß. Deun gerade das rücksichtslose Schnellfahren der englischen
Dampfer veranlaßt leider unsre Gesellschaften der Konkurrenzfähigkeit wegen eben¬
falls, solange es irgend die Umstände erlaube», die rase»de Geschwindigkeit der
Schiffe bei eintretendem Nebel so spät und so wenig als möglich zu verringern.
Es heißt, daß die Einberufung einer zweiten internationalen Schiffnhrts-
kvnferenz, wahrscheinlich in Paris, gesichert sei. Daß die Franzosen, die über die
größte Zahl wissenschaftlich durchgebildeter Seeleute verfügen, mit der Abstellung
der vielen Mangel des Straßenrechts zur See, unter denen die Nebelfrnge die
dringendste ist, nochmals einen thatkräftigen Versuch machen »vollen, verdient die
Anerkennung aller, deuen an der gefunden Entwicklung des Weltverkehrs und am
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