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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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dunkeln Hof so deutlich vor mir, auf dem zwei Liebende zärtlich sich um¬
fangen hielten. Frnu Rasmussen wollte durchaus, daß ich bei ihr Wasser
trinken und das Buch vom gesunden und kranke" Meuschen lesen sollte, auf
das sie große Stücke hielt: ich dankte aber und ging hinüber in den Hof, aus
denk die Pumpe aber verschwunden war. Unser Spielplatz war ein Kohl¬
garten geworden, und als ich mich nach unserm Hausgeist erkundigte, hieß
es, daß selbst diese Dame verschwunden sei und sich gar nicht mehr blicken
lasse. Wenn aber sogar die Gespenster das Geschäft 'des "Spvkelns" auf¬
geben, wie langweilig muß die Welt geworden heilt! Da kommen die Kinder
aus der Schule! Wie vernünftig gehen sie und welch einen Packen neuer
Schulbücher trage" sie! -- Ihr Armen! Wir waren lange nicht so klug;
unsre Bücher waren lange nicht so schon, und wir hatten es dennoch viel,
viel besser!




Litteratur

Zehn Arbeiterbndgets, deren sieben nur rin Znschüssen des Arbeitgebers bnlcmeiren.
Ein Beitrug zur Frage der Arbeiterivohtsahrtseinrichtnngen von Mar May. Berti",
R. Oppenheim, 1891

Der Wert der Arbeiterbndgets für Volkswirtschaft und Sozialpolitik dürfte
allgemein anerkannt sein. Die hier aufgestellten sind aber noch aus besondern
Gründen interessant. Sie entstammen einer Textilfabrik, deren ungenannter Be¬
sitzer, ein frommer und menschenfreundlicher Mann, durch musterhafte Wvhlfnhrts-
einrichtungen die Lage seiner Arbeiter so glücklich gestaltet hat, daß in seinem
kleinen Reiche ein Jdealzustand vollkommener Zufriedenheit herrscht. Das merk¬
würdigste aber ist folgende Einrichtung. Er hält seine Arbeiter an, Haushaltuilgs-
rechnungen zu sichren, und hat ermittelt, daß der Durchschnittsverdienst eines Ar¬
beiters bei drei kleinen Kindern gerade noch für das Notwendige (aber nicht mehr
für das Angenehme) hinreicht, und daß die Familie von der Geburt des vierten
Kindes ein, auch wenn sie von keinem llnglncksfall betroffen wird, regelmäßig in
Not gerät. Übersteht sie diese, so bessert sich dann ihre Lage wieder von der
Zeit ale, wo die Kinder mit zu verdienen anfangen. Der wohlwollende Fabrik¬
besitzer zahlt nun jeder seiner Arbeiterfamilien, so lange sie sich in dieser Periode
wirtschaftlicher Not befindet, einen Zuschuß, der hinreicht, ohne Herabsetzung der
Lebensführung das Gleichgewicht im Budget herzustellen. Seine Berechnungen und
Äergleichuugeu ergeben, daß eine Familie mit kleinen Kindern durchschnittlich für
den Kopf und Tag SV Pfennige, eine mit größer" Kindern oder zu erhaltenden
Erwachselle" V0 bis 70 Pfe""ige bedarf, "um in verlninftiger Weise einfach z"
lebe"."




Fiir die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Rerlng von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig -- Drink von Carl Mnrqnart in Leipzig
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dunkeln Hof so deutlich vor mir, auf dem zwei Liebende zärtlich sich um¬
fangen hielten. Frnu Rasmussen wollte durchaus, daß ich bei ihr Wasser
trinken und das Buch vom gesunden und kranke» Meuschen lesen sollte, auf
das sie große Stücke hielt: ich dankte aber und ging hinüber in den Hof, aus
denk die Pumpe aber verschwunden war. Unser Spielplatz war ein Kohl¬
garten geworden, und als ich mich nach unserm Hausgeist erkundigte, hieß
es, daß selbst diese Dame verschwunden sei und sich gar nicht mehr blicken
lasse. Wenn aber sogar die Gespenster das Geschäft 'des „Spvkelns" auf¬
geben, wie langweilig muß die Welt geworden heilt! Da kommen die Kinder
aus der Schule! Wie vernünftig gehen sie und welch einen Packen neuer
Schulbücher trage» sie! — Ihr Armen! Wir waren lange nicht so klug;
unsre Bücher waren lange nicht so schon, und wir hatten es dennoch viel,
viel besser!




Litteratur

Zehn Arbeiterbndgets, deren sieben nur rin Znschüssen des Arbeitgebers bnlcmeiren.
Ein Beitrug zur Frage der Arbeiterivohtsahrtseinrichtnngen von Mar May. Berti»,
R. Oppenheim, 1891

Der Wert der Arbeiterbndgets für Volkswirtschaft und Sozialpolitik dürfte
allgemein anerkannt sein. Die hier aufgestellten sind aber noch aus besondern
Gründen interessant. Sie entstammen einer Textilfabrik, deren ungenannter Be¬
sitzer, ein frommer und menschenfreundlicher Mann, durch musterhafte Wvhlfnhrts-
einrichtungen die Lage seiner Arbeiter so glücklich gestaltet hat, daß in seinem
kleinen Reiche ein Jdealzustand vollkommener Zufriedenheit herrscht. Das merk¬
würdigste aber ist folgende Einrichtung. Er hält seine Arbeiter an, Haushaltuilgs-
rechnungen zu sichren, und hat ermittelt, daß der Durchschnittsverdienst eines Ar¬
beiters bei drei kleinen Kindern gerade noch für das Notwendige (aber nicht mehr
für das Angenehme) hinreicht, und daß die Familie von der Geburt des vierten
Kindes ein, auch wenn sie von keinem llnglncksfall betroffen wird, regelmäßig in
Not gerät. Übersteht sie diese, so bessert sich dann ihre Lage wieder von der
Zeit ale, wo die Kinder mit zu verdienen anfangen. Der wohlwollende Fabrik¬
besitzer zahlt nun jeder seiner Arbeiterfamilien, so lange sie sich in dieser Periode
wirtschaftlicher Not befindet, einen Zuschuß, der hinreicht, ohne Herabsetzung der
Lebensführung das Gleichgewicht im Budget herzustellen. Seine Berechnungen und
Äergleichuugeu ergeben, daß eine Familie mit kleinen Kindern durchschnittlich für
den Kopf und Tag SV Pfennige, eine mit größer» Kindern oder zu erhaltenden
Erwachselle» V0 bis 70 Pfe»»ige bedarf, „um in verlninftiger Weise einfach z»
lebe»."




Fiir die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Rerlng von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig — Drink von Carl Mnrqnart in Leipzig
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[0584] Litteratur dunkeln Hof so deutlich vor mir, auf dem zwei Liebende zärtlich sich um¬ fangen hielten. Frnu Rasmussen wollte durchaus, daß ich bei ihr Wasser trinken und das Buch vom gesunden und kranke» Meuschen lesen sollte, auf das sie große Stücke hielt: ich dankte aber und ging hinüber in den Hof, aus denk die Pumpe aber verschwunden war. Unser Spielplatz war ein Kohl¬ garten geworden, und als ich mich nach unserm Hausgeist erkundigte, hieß es, daß selbst diese Dame verschwunden sei und sich gar nicht mehr blicken lasse. Wenn aber sogar die Gespenster das Geschäft 'des „Spvkelns" auf¬ geben, wie langweilig muß die Welt geworden heilt! Da kommen die Kinder aus der Schule! Wie vernünftig gehen sie und welch einen Packen neuer Schulbücher trage» sie! — Ihr Armen! Wir waren lange nicht so klug; unsre Bücher waren lange nicht so schon, und wir hatten es dennoch viel, viel besser! Litteratur Zehn Arbeiterbndgets, deren sieben nur rin Znschüssen des Arbeitgebers bnlcmeiren. Ein Beitrug zur Frage der Arbeiterivohtsahrtseinrichtnngen von Mar May. Berti», R. Oppenheim, 1891 Der Wert der Arbeiterbndgets für Volkswirtschaft und Sozialpolitik dürfte allgemein anerkannt sein. Die hier aufgestellten sind aber noch aus besondern Gründen interessant. Sie entstammen einer Textilfabrik, deren ungenannter Be¬ sitzer, ein frommer und menschenfreundlicher Mann, durch musterhafte Wvhlfnhrts- einrichtungen die Lage seiner Arbeiter so glücklich gestaltet hat, daß in seinem kleinen Reiche ein Jdealzustand vollkommener Zufriedenheit herrscht. Das merk¬ würdigste aber ist folgende Einrichtung. Er hält seine Arbeiter an, Haushaltuilgs- rechnungen zu sichren, und hat ermittelt, daß der Durchschnittsverdienst eines Ar¬ beiters bei drei kleinen Kindern gerade noch für das Notwendige (aber nicht mehr für das Angenehme) hinreicht, und daß die Familie von der Geburt des vierten Kindes ein, auch wenn sie von keinem llnglncksfall betroffen wird, regelmäßig in Not gerät. Übersteht sie diese, so bessert sich dann ihre Lage wieder von der Zeit ale, wo die Kinder mit zu verdienen anfangen. Der wohlwollende Fabrik¬ besitzer zahlt nun jeder seiner Arbeiterfamilien, so lange sie sich in dieser Periode wirtschaftlicher Not befindet, einen Zuschuß, der hinreicht, ohne Herabsetzung der Lebensführung das Gleichgewicht im Budget herzustellen. Seine Berechnungen und Äergleichuugeu ergeben, daß eine Familie mit kleinen Kindern durchschnittlich für den Kopf und Tag SV Pfennige, eine mit größer» Kindern oder zu erhaltenden Erwachselle» V0 bis 70 Pfe»»ige bedarf, „um in verlninftiger Weise einfach z» lebe»." Fiir die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig Rerlng von Fr. Wilh. Grnnow in Leipzig — Drink von Carl Mnrqnart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/584>, abgerufen am 13.11.2024.