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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Htand der Arbeiterbewegung

u Nummer 5 der Grenzboten haben wir mich den im Neichs-
mizeiger veröffentlichten Berichten einen Überblick über die Arbeiter¬
bewegung am Schlüsse des vorigen Jahres gebracht. Bei dem
allgemeinen Interesse, das diese Bewegung beanspruchen darf,
wird es unserm Leserkreise willkommen sein, wenn wir in ihrer
Besprechung fortfahren.

Die Arbeiterbewegung hat in dein eben verflossene" Halbjahre eher etwas
zu- als abgenommen. Erst gegen Ende des Halbjahres trat ein bemerkbarer
Stillstand ein. der aber wohl nur die Bedeutung eines Waffenstillstandes hat.
Znnüchst ist wieder lebhafter gestreikt worden. An nicht weniger als etwa
hundert Arbeitsstelleu (Bergwerken, Fabriken u. s. w.) wurde die Arbeit nieder¬
gelegt. An diesen Aufständen waren etwa 80009 Arbeiter beteiligt. Es
würde zu weit führen, wenn wir alle Streiks namhaft machen wollten; wir
begnügen uns mit denen, die wegen besonders langer Dauer oder wegen
sonstiger Umstünde von mehr als lokaler Bedeutung gewesen sind. In
ersterer Beziehung sind zu nennen: die Streiks der Former in der Holländi¬
schen Eisengießerei zu Halle, der Tabakarbeiter zu Hamburg (16 Wochen), der
Feuerleute und Trimmer ebenda, der Kohlenzicher in Vremerhafen, der Gold¬
arbeiter in Berlin, der Glaser in Bergedorf (86 Wochen), der Kürschner in
Nötha, der Former in der Töpferei von Esch in Mannheim und der Tischler
in Mainz (21 Wochen). Der Aufstand der Tabakarbeiter in Hamburg griff
vor seinem Erlöschen noch nach den Filialen in Nehme, Rochlitz, Herford und
Minden über. Außerdem fand in diesem Industriezweige ein Streik in der
Fabrik von Jedicke in Dresden statt. .

Im Textilgcwerbe ist in den Fabriken von Zimmermann in Althabendorf
bei Reichenberg, von Kramsta in Bolkenhain, von Reichere und Thoren in


Grenzboten III I8S1 7


Der Htand der Arbeiterbewegung

u Nummer 5 der Grenzboten haben wir mich den im Neichs-
mizeiger veröffentlichten Berichten einen Überblick über die Arbeiter¬
bewegung am Schlüsse des vorigen Jahres gebracht. Bei dem
allgemeinen Interesse, das diese Bewegung beanspruchen darf,
wird es unserm Leserkreise willkommen sein, wenn wir in ihrer
Besprechung fortfahren.

Die Arbeiterbewegung hat in dein eben verflossene» Halbjahre eher etwas
zu- als abgenommen. Erst gegen Ende des Halbjahres trat ein bemerkbarer
Stillstand ein. der aber wohl nur die Bedeutung eines Waffenstillstandes hat.
Znnüchst ist wieder lebhafter gestreikt worden. An nicht weniger als etwa
hundert Arbeitsstelleu (Bergwerken, Fabriken u. s. w.) wurde die Arbeit nieder¬
gelegt. An diesen Aufständen waren etwa 80009 Arbeiter beteiligt. Es
würde zu weit führen, wenn wir alle Streiks namhaft machen wollten; wir
begnügen uns mit denen, die wegen besonders langer Dauer oder wegen
sonstiger Umstünde von mehr als lokaler Bedeutung gewesen sind. In
ersterer Beziehung sind zu nennen: die Streiks der Former in der Holländi¬
schen Eisengießerei zu Halle, der Tabakarbeiter zu Hamburg (16 Wochen), der
Feuerleute und Trimmer ebenda, der Kohlenzicher in Vremerhafen, der Gold¬
arbeiter in Berlin, der Glaser in Bergedorf (86 Wochen), der Kürschner in
Nötha, der Former in der Töpferei von Esch in Mannheim und der Tischler
in Mainz (21 Wochen). Der Aufstand der Tabakarbeiter in Hamburg griff
vor seinem Erlöschen noch nach den Filialen in Nehme, Rochlitz, Herford und
Minden über. Außerdem fand in diesem Industriezweige ein Streik in der
Fabrik von Jedicke in Dresden statt. .

Im Textilgcwerbe ist in den Fabriken von Zimmermann in Althabendorf
bei Reichenberg, von Kramsta in Bolkenhain, von Reichere und Thoren in


Grenzboten III I8S1 7
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[0057] [Abbildung] Der Htand der Arbeiterbewegung u Nummer 5 der Grenzboten haben wir mich den im Neichs- mizeiger veröffentlichten Berichten einen Überblick über die Arbeiter¬ bewegung am Schlüsse des vorigen Jahres gebracht. Bei dem allgemeinen Interesse, das diese Bewegung beanspruchen darf, wird es unserm Leserkreise willkommen sein, wenn wir in ihrer Besprechung fortfahren. Die Arbeiterbewegung hat in dein eben verflossene» Halbjahre eher etwas zu- als abgenommen. Erst gegen Ende des Halbjahres trat ein bemerkbarer Stillstand ein. der aber wohl nur die Bedeutung eines Waffenstillstandes hat. Znnüchst ist wieder lebhafter gestreikt worden. An nicht weniger als etwa hundert Arbeitsstelleu (Bergwerken, Fabriken u. s. w.) wurde die Arbeit nieder¬ gelegt. An diesen Aufständen waren etwa 80009 Arbeiter beteiligt. Es würde zu weit führen, wenn wir alle Streiks namhaft machen wollten; wir begnügen uns mit denen, die wegen besonders langer Dauer oder wegen sonstiger Umstünde von mehr als lokaler Bedeutung gewesen sind. In ersterer Beziehung sind zu nennen: die Streiks der Former in der Holländi¬ schen Eisengießerei zu Halle, der Tabakarbeiter zu Hamburg (16 Wochen), der Feuerleute und Trimmer ebenda, der Kohlenzicher in Vremerhafen, der Gold¬ arbeiter in Berlin, der Glaser in Bergedorf (86 Wochen), der Kürschner in Nötha, der Former in der Töpferei von Esch in Mannheim und der Tischler in Mainz (21 Wochen). Der Aufstand der Tabakarbeiter in Hamburg griff vor seinem Erlöschen noch nach den Filialen in Nehme, Rochlitz, Herford und Minden über. Außerdem fand in diesem Industriezweige ein Streik in der Fabrik von Jedicke in Dresden statt. . Im Textilgcwerbe ist in den Fabriken von Zimmermann in Althabendorf bei Reichenberg, von Kramsta in Bolkenhain, von Reichere und Thoren in Grenzboten III I8S1 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/57>, abgerufen am 13.11.2024.