Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Antisemitische Litteratur giments zum Diner ein. Bei Tische bemerkte der Oberst, daß einer seiner Es ist nicht bloß Vorliebe für uns Deutsche, was Whitman die Feder geführt Antisemitische Litteratur er Berliner Amel-Antisemitcnverein scheint seit seiner unglücklichen Antisemitische Litteratur giments zum Diner ein. Bei Tische bemerkte der Oberst, daß einer seiner Es ist nicht bloß Vorliebe für uns Deutsche, was Whitman die Feder geführt Antisemitische Litteratur er Berliner Amel-Antisemitcnverein scheint seit seiner unglücklichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289995"/> <fw type="header" place="top"> Antisemitische Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_615" prev="#ID_614"> giments zum Diner ein. Bei Tische bemerkte der Oberst, daß einer seiner<lb/> Offiziere fehlte, und zwar gerade der einzige, dessen Name „des magischen<lb/> Vorwörtleins »von« ermangelte." Der Bankier, darüber befragt, erwiderte<lb/> lächelnd: „Ich wünschte, daß wir ganz sutrs nous wären." Der Oberst gab<lb/> ein Zeichen, und sämtliche Offiziere empfahlen sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Es ist nicht bloß Vorliebe für uns Deutsche, was Whitman die Feder geführt<lb/> hat, sondern der Wunsch, seinen Engländern einen Spiegel vorzuhalten. Hat er<lb/> uns an einigen Stellen geschmeichelt, so ist es nicht unsre Sache, dagegen Ver¬<lb/> wahrung einzulegen. Dafür schweigen wir auch über die Stellen, wo er unsre<lb/> wirklichen oder angeblichen Fehler übertreibt und gewisse gute Eigenschaften seiner<lb/> Landsleute herausstreicht, z. B. die, durch die Englaud, d. h. ein kleiner Bruchteil<lb/> des englischen Volkes, ungeheuer reich geworden ist. Er beruhigt in diesem Punkte<lb/> seine Landsleute und versichert, die Deutschen würden niemals imstande sein,<lb/> ihnen den Weltmarkt streitig zu machen. Wir unsrerseits verzichten gern auf<lb/> den Vorzug, es den Engländern in diesem Punkte gleich zu thun; was sie<lb/> auf dem Weltmarkte verloren haben, das ist die Lebenskraft und das Lebens-<lb/> glttck von neun Zehnteln ihres Volkes. Ein Nationalreichtum, der das Volks¬<lb/> elend zur Voraussetzung hat, ist kein Segen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Antisemitische Litteratur</head><lb/> <p xml:id="ID_617" next="#ID_618"> er Berliner Amel-Antisemitcnverein scheint seit seiner unglücklichen<lb/> Proklamation kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben zu haben.<lb/> Sollte den gewiß sehr wohlmeinenden Herren, die ihre Namen<lb/> für das Schriftstück hergegeben hatten, nachträglich doch zum<lb/> Bewußtsein gekommen sein, wie sonderbar sich der Hilferuf aus¬<lb/> nahm für eine Nationalität, die überall, wo sie sich niedergelassen hat, über<lb/> die größten Reichtümer, fast über die gesamte Tagespresse, über weit und<lb/> hoch reichende Verbindungen verfügt und überall mit Ausnahme Rußlands<lb/> rechtlich den andern Staatsangehörigen völlig gleichgestellt ist? Inzwischen<lb/> wurde in Wien die Gründung eines Zweiggeschäftes angekündigt. Dort er¬<lb/> scheint unter den Führern auch der bekannte Chirurg Professor Billroth, der.<lb/> wenn uns recht ist, vor mehreren Jahren durch ein Buch gegen das Juden¬<lb/> tum in der Medizin Aufsehen erregte. Mit welchen Mitteln der Antisemitis¬<lb/> mus ausgerottet werden soll, das wird aber auch in Wien als Geschäfts¬<lb/> geheimnis behandelt. Mit Genugthuung haben wir die zahlreiche Beteiligung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
Antisemitische Litteratur
giments zum Diner ein. Bei Tische bemerkte der Oberst, daß einer seiner
Offiziere fehlte, und zwar gerade der einzige, dessen Name „des magischen
Vorwörtleins »von« ermangelte." Der Bankier, darüber befragt, erwiderte
lächelnd: „Ich wünschte, daß wir ganz sutrs nous wären." Der Oberst gab
ein Zeichen, und sämtliche Offiziere empfahlen sich.
Es ist nicht bloß Vorliebe für uns Deutsche, was Whitman die Feder geführt
hat, sondern der Wunsch, seinen Engländern einen Spiegel vorzuhalten. Hat er
uns an einigen Stellen geschmeichelt, so ist es nicht unsre Sache, dagegen Ver¬
wahrung einzulegen. Dafür schweigen wir auch über die Stellen, wo er unsre
wirklichen oder angeblichen Fehler übertreibt und gewisse gute Eigenschaften seiner
Landsleute herausstreicht, z. B. die, durch die Englaud, d. h. ein kleiner Bruchteil
des englischen Volkes, ungeheuer reich geworden ist. Er beruhigt in diesem Punkte
seine Landsleute und versichert, die Deutschen würden niemals imstande sein,
ihnen den Weltmarkt streitig zu machen. Wir unsrerseits verzichten gern auf
den Vorzug, es den Engländern in diesem Punkte gleich zu thun; was sie
auf dem Weltmarkte verloren haben, das ist die Lebenskraft und das Lebens-
glttck von neun Zehnteln ihres Volkes. Ein Nationalreichtum, der das Volks¬
elend zur Voraussetzung hat, ist kein Segen.
Antisemitische Litteratur
er Berliner Amel-Antisemitcnverein scheint seit seiner unglücklichen
Proklamation kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben zu haben.
Sollte den gewiß sehr wohlmeinenden Herren, die ihre Namen
für das Schriftstück hergegeben hatten, nachträglich doch zum
Bewußtsein gekommen sein, wie sonderbar sich der Hilferuf aus¬
nahm für eine Nationalität, die überall, wo sie sich niedergelassen hat, über
die größten Reichtümer, fast über die gesamte Tagespresse, über weit und
hoch reichende Verbindungen verfügt und überall mit Ausnahme Rußlands
rechtlich den andern Staatsangehörigen völlig gleichgestellt ist? Inzwischen
wurde in Wien die Gründung eines Zweiggeschäftes angekündigt. Dort er¬
scheint unter den Führern auch der bekannte Chirurg Professor Billroth, der.
wenn uns recht ist, vor mehreren Jahren durch ein Buch gegen das Juden¬
tum in der Medizin Aufsehen erregte. Mit welchen Mitteln der Antisemitis¬
mus ausgerottet werden soll, das wird aber auch in Wien als Geschäfts¬
geheimnis behandelt. Mit Genugthuung haben wir die zahlreiche Beteiligung
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