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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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hat mich mein Herr wieder schicken wollen; aber da hockte ich auf. Herr
Baron, hab ich gesagt, Sie können mich gern was mit die Peitsche gebe",
denn ich bin man bloß der Diener, aber zu das dumme Mädchen von grad-
über gehe ich nich wieder, und wenn Sie mir dazu zwingen, dann verklag
ich Sie helf Gericht, daß Sie ein Aristokrat sind. Denn hier is ja allens
egal und frei, soviel frciusch kann ich auch uoch, und leid solls mich thun,
wenn Sie zu die Gardine müssen; aber siecht behandeln laß ich mir nich!

Mein Baron hat mich ganz sonderbar angesehen, Räsong aber nahm
er an; und zu die Mamsell brauchte ich nich mehr, denn mein Herr
nahm selbst seine Beine in die Hand. Und da hat er denn eine Freundschaft
mit Mamsell Manon angefangen, und sie ist zu uns gekommen und hat
den königlichen Wein selbst gebracht. Bei näherer Bekanntschaft war sie nich
stimm. Sie lachte ein büschen viel und sang wie ein kleinen Vogel, ümmerlvs
und ümmerlos; aber kein Mensch kann ja gegen seine Natur. Und ein an¬
ständiges Mädchen war sie anch; denn als mein Baron ihr mal umfassen und
einen Kuß geben wollte, gab sie ihm einen Ordentlichen an die Ohren. Und
ich hab gar nich gewußt, daß mein Herr ein so dummes Gesicht machen
konnte. Aber was die Vornehmen sind, die kriegen auch nich ümmer ihren
Willen."

Und Mahlman" nickte ein paarmal und aß krümchenweise seinen Kuchen
weiter, ehe er wieder zu reden begann.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die bösen Deutschen

-- und sie ganz allein -- verschulden die gespannten
Verhältnisse in Europa, die Notwendigkeit der schweren Rüstungen, und sie werden
nicht eher ruhen, bis alle Völker vom Ural bis zu den Säulen des Herkules anf-
eiumiderschlngeu. Das haben die unschuldigen Naturvölker an den Grenzen des
deutschen Gebietes, die wir unablässig bedränge" und vergewaltigen, längst gesagt,
und jetzt siud Berliner Staatsweise zu derselben Erkenntnis gelangt. Die armen
Franzosen sehnen sich darnach, mit uns in Frieden und Freundschaft zu leben,
einer oder zwei wären sogar nicht unbedingt abgeneigt, das höchste Opfer, Elsaß,
zu bringen (natürlich mit Vorbehalt), aber hat'se uns drüben die Bruderhand ge¬
boten wird, stoßen wir sie grob und höhnisch zurück. Es ist abscheulich! Aller¬
dings könnte man einwende", daß bisher uoch niemals die Anerkennung des
Frankfurter Friedens, ohne die doch eine wirkliche Aussöhnung undenkbar bleibt,
rückhaltlos ausgesprochen worden ist; daß, falls geschähe, was nicht geschehen kann.


hat mich mein Herr wieder schicken wollen; aber da hockte ich auf. Herr
Baron, hab ich gesagt, Sie können mich gern was mit die Peitsche gebe»,
denn ich bin man bloß der Diener, aber zu das dumme Mädchen von grad-
über gehe ich nich wieder, und wenn Sie mir dazu zwingen, dann verklag
ich Sie helf Gericht, daß Sie ein Aristokrat sind. Denn hier is ja allens
egal und frei, soviel frciusch kann ich auch uoch, und leid solls mich thun,
wenn Sie zu die Gardine müssen; aber siecht behandeln laß ich mir nich!

Mein Baron hat mich ganz sonderbar angesehen, Räsong aber nahm
er an; und zu die Mamsell brauchte ich nich mehr, denn mein Herr
nahm selbst seine Beine in die Hand. Und da hat er denn eine Freundschaft
mit Mamsell Manon angefangen, und sie ist zu uns gekommen und hat
den königlichen Wein selbst gebracht. Bei näherer Bekanntschaft war sie nich
stimm. Sie lachte ein büschen viel und sang wie ein kleinen Vogel, ümmerlvs
und ümmerlos; aber kein Mensch kann ja gegen seine Natur. Und ein an¬
ständiges Mädchen war sie anch; denn als mein Baron ihr mal umfassen und
einen Kuß geben wollte, gab sie ihm einen Ordentlichen an die Ohren. Und
ich hab gar nich gewußt, daß mein Herr ein so dummes Gesicht machen
konnte. Aber was die Vornehmen sind, die kriegen auch nich ümmer ihren
Willen."

Und Mahlman» nickte ein paarmal und aß krümchenweise seinen Kuchen
weiter, ehe er wieder zu reden begann.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die bösen Deutschen

— und sie ganz allein — verschulden die gespannten
Verhältnisse in Europa, die Notwendigkeit der schweren Rüstungen, und sie werden
nicht eher ruhen, bis alle Völker vom Ural bis zu den Säulen des Herkules anf-
eiumiderschlngeu. Das haben die unschuldigen Naturvölker an den Grenzen des
deutschen Gebietes, die wir unablässig bedränge» und vergewaltigen, längst gesagt,
und jetzt siud Berliner Staatsweise zu derselben Erkenntnis gelangt. Die armen
Franzosen sehnen sich darnach, mit uns in Frieden und Freundschaft zu leben,
einer oder zwei wären sogar nicht unbedingt abgeneigt, das höchste Opfer, Elsaß,
zu bringen (natürlich mit Vorbehalt), aber hat'se uns drüben die Bruderhand ge¬
boten wird, stoßen wir sie grob und höhnisch zurück. Es ist abscheulich! Aller¬
dings könnte man einwende«, daß bisher uoch niemals die Anerkennung des
Frankfurter Friedens, ohne die doch eine wirkliche Aussöhnung undenkbar bleibt,
rückhaltlos ausgesprochen worden ist; daß, falls geschähe, was nicht geschehen kann.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/143>, abgerufen am 13.11.2024.